The Village Next to Paradise
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The Village Next To Paradise

The Village Next to Paradise
„The Village Next To Paradise“ // Deutschland-Start: 30. Januar 2025 (Kino)

Inhalt / Kritik

Wie im Paradies könnte das Leben für Mamargade (Ahmed Ali Farah), seine Schwester Araweelo (Anab Ahmed Ibrahim) und seinen Sohn Cigaal (Ahmed Mohamud Saleban) in einem kleinen Dorf an der Küste Somalias aussehen. Doch erschweren die politisch und wirtschaftlich instabile Lage des Landes die Existenz der kleinen Familie erheblich. Während sich Mamargade mit Gelegenheitsjobs als Totengräber und Transporteur illegaler Waffen über Wasser hält, träumt Araweelo von ihrem eigenen Nähgeschäft. Der hochintelligente Cigaal indessen soll die Möglichkeit erhalten, auf einem renommierten Internat in der Region seine Bildungschancen zu verbessern …

Individueller Kampf um Perspektive

Es ist eine nüchterne Sicht auf den krisengebeutelten Staat am Horn Afrikas, die uns Regisseur Mo Harawe mit The Village Next To Paradise präsentieren möchte. Weniger schrill und polemisch, als wir es zu Beginn des Films in einem US-Nachrichtenbeitrag über einen getöteten Terroristen aus dem Jahr 2014 sehen, sondern näher am gesellschaftlichen Alltag. Anzeichen für die konfliktgeladene Situation – vorbeizischende Drohnen, der Aufruhr in einem Krankenhaus nach einem mutmaßlichen Anschlag – drängen sich nicht durch Bilder von abgetrennten Gliedmaßen oder blutverschmierten Körpern, sondern höchstens durch die Geräuschkulisse in unser Bewusstsein.

Vielmehr im Fokus steht der Wille Einzelner, diesen schwierigen Bedingungen zu trotzen. Während Araweelo sich patriarchalen Strukturen widersetzen muss, um ihre Zukunftspläne zu verwirklichen, therapiert sich Cigaal damit, die Wohnzimmerwände vollzumalen oder einem Mitschüler von seinen Träumen zu erzählen. Stecken in den beiden Figuren noch eine gewisse Zuversicht und Hoffnung, so ist Mamargade abgestumpft und entflieht durch den Konsum von Blättern des Kathstrauchs seiner Perspektivlosigkeit. Dass alle drei mit einer frustrierenden Monotonie umgehen müssen, vermittelt Harawe in unbewegten und mit wenigen Schnitten auskommenden Einstellungen. Nur die satten Farben der Kleider und Hauswände, die bei Aufnahmen am Strand oder der Wüste fast ins Grelle übergehen, signalisieren uns, dass sich dahinter irgendwo das titelgebende Paradies versteckt.

Die Macht der Regungslosigkeit

In der Mimik dieser Charaktere nach Zeichen für ihr Leid zu suchen, wäre vergeblich. Am Faszinierendsten in The Village Next To Paradise ist nämlich das reduzierte Schauspiel der Laiendarsteller:innen. Während man aus den meisten Dramen Tränen, Zornesfalten oder gefletschte Zähne gewöhnt ist, muss man durch die ausdruckslosen Mienen von Farah, Ibrahim und Saleban und zahlreicher anderer Nebenfiguren blicken, um ihre Emotionen nachvollziehen zu können. Im Interview mit Film-Rezensionen verriet Harawe, dass diese Art der stoischen Kommunikation tief in seinem Geburtsland verankert sei. Der seit 2009 in Österreich lebende Filmemacher verlangt so mehr Engagement von seinem Publikum – verstehen zu wollen, was gerade in den Menschen vorgeht.

Befriedigend unbefriedigender Ausgang

Als vom Hollywood-Pathos sozialisierter Zuschauer (wie auch ich einer bin) ist es schwer, sich daran gewöhnen, dass der Film bis zum Schluss sein langsames Tempo durchzieht und die Figuren trotz der tragischen Ereignisse wenig Tragik heischen. Dass sie am Ende ihr Schicksal mit derselben Ausdruckslosigkeit hinnehmen, wie sie es schon die gesamten zwei Stunden vorher getan haben, ist etwas schwer zu ertragen. Doch so ist nun mal die stilistische Linie von The Village Next To Paradise. Und die schön inszenierte Schlussszene erinnert noch einmal daran, worum es eigentlich geht: der Wille zum Weitermachen, egal wie schwierig die Lage auch sein mag.

Credits

OT: „The Village Next To Paradise“
Land: Frankreich, Österreich, Deutschland, Somalia
Jahr: 2024
Regie: Mo Harawe
Drehbuch: Mo Harawe
Kamera: Mostafa El Kashef
Besetzung: Ahmed Ali Farah, Anab Ahmed Ibrahim, Ahmed Mohamud Saleban

Bilder

Trailer

Interview

Ihr wollt mehr zu dem Film erfahren? Wir hatten die Gelegenheit, uns mit Regisseur und Autor Mo Harawe zu unterhalten. Im Interview zu The Village Next to Paradise sprechen wir über die Arbeit an dem Drama und seine Perspektive auf sein Heimatland Somalia.

Mo Harawe [Interview]

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The Village Next To Paradise
fazit
„The Village Next To Paradise“ verzichtet bei seinem Porträt des Überlebenskampfs von Individuen in Somalia auf eine von Dramatik überkochende Handlung und setzt stattdessen auf eine starke visuelle Sprache sowie minimalistische schauspielerische Darbietungen. Gerade diese zurückhaltende Darstellung könnte für einige Zuschauer schwer zugänglich sein, vor allem wenn Erwartungen an emotionale Höhepunkte nicht immer erfüllt werden. Dennoch thematisiert das Werk eindrucksvoll den menschlichen Überlebens- und Hoffnungswillen.
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