
Für Eva (Sidse Babett Knudsen) ist die Arbeit im Gefängnis nicht einfach nur ein Job. Sie glaubt daran, den Menschen zu helfen, hört ihnen zu, hält auch Yoga-Kurse, um sie auf andere Gedanken zu bringen. Doch ihr geordnetes Leben wird völlig auf den Kopf gestellt, als eines Tages Mikkel (Sebastian Bull) eingeliefert wird. Seitdem er da ist, kann sie an nichts anderes denken, sucht die Nähe zu ihm. Sie lässt sich sogar in den von Rami (Dar Salim) geleiteten Hochsicherheitstrakt versetzen, wo die härtesten Fälle des gesamten Gefängnisses untergebracht haben. Dabei lässt Eva alle im Unklaren, was ihre wahre Absicht ist und dass sie wegen des Neuen dorthin will …
Ein Gefängnis voller Geheimnisse
Mit seinem Langfilmdebüt The Guilty gelang Regisseur Gustav Möller 2018 eine absolute Sensation. Der Thriller um einen Polizisten, der in der Notrufzentrale arbeitet und am Telefon in Echtzeit einen Entführungsfall lösen muss, lief auf zahlreichen Festivals. Drei Jahre später kam mit The Guilty das unausweichliche Hollywood-Remake, zu gut, zu spannend war die Geschichte. Umso größer war die Neugierde, was der Schwede im Anschluss drehen würde. Sechs Jahre später meldete er sich endlich zurück und präsentierte auf der Berlinale sein lang erwartetes Zweitwerk Die Wärterin. So richtig viel Notiz nahm man davon aber nicht, was durchaus schade ist, denn auch dieses Thrillerdrama hat einiges zu bieten und ist sehenswert geworden.
Ein Grund für die geringere Resonanz dürfte sein, dass das neue Werk weniger gefällig geworden ist. Das Debüt hatte zwar ebenfalls harten Stoff auf Lager, zeigte diesen aber nicht, überließ es dem Kopfkino, das zu verarbeiten. Schließlich sah man die ganze Zeit über nur den Polizisten, wie er telefoniert, ein maximaler Kammerspielthriller. Die Spannung bestand darin, ob es ihm gelingt, die entführte Frau zu befreien, was mit diversen Wendungen einhergeht. Bei Die Wärterin ist die Spannung zumindest über längere Zeit darauf zurückzuführen, dass Möller sein Publikum im Unklaren lässt, was da eigentlich los ist. Warum ist Eva so von dem Neuen besessen? Was will sie von ihm? Erst deutlich später legt der Filmemacher die Karten auf den Tisch und verrät, was der eigentliche Konflikt ist.
Spannend und anregend
Dabei lebt der Film nicht ausschließlich von dieser Wendung und der Unklarheit. Spannung gibt es auch im Anschluss, wenn die Zuschauer und Zuschauerinnen mitfiebern dürfen, während die Geschichte zunehmend eskaliert. Schließlich ist offen, wie weit das alles gehen wird und ob der Film in der Katastrophe enden wird, die sich da ankündigt. Die Wärterin ist dabei stärker als das vorangegangene Werk ein Porträt, wenn es davon handelt, wie eine spezifische Person mit einer Ausnahmesituation umgeht. Zwar gab es auch beim letzten Mal eine Vorgeschichte. Diese war letztendlich aber irrelevant, es gibt hier eine ganz andere Form von Verbindung, wenn zwei Menschen auf eine perfide und letztendlich unmenschliche Weise aneinandergekettet sind.
Glaubwürdigkeit sollte man dabei nicht erwarten. Das Szenario ist eher eine Versuchsanordnung als wirklich realistische Darstellung eines Gefängnisalltags – das sollte man zumindest hoffen. Zum Ende hin wird das auch ein bisschen viel, Die Wärterin entgleist da ein wenig und verliert das Thema ein Stück weit aus den Augen. Und doch ist das Ergebnis sehenswert, ein hartes Werk, das einen nicht kalt lässt. Das ist gerade auch Hauptdarstellerin Sidse Babett Knudsen (Das Rätsel, Club Zero) zu verdanken, deren intensives Spiel dazu beiträgt, dass einem der Film im Gedächtnis bleibt. Der andere Faktor ist, dass das Publikum implizit dazu angehalten ist, Stellung zu beziehen und darüber nachzudenken, wie es selbst in der Situation agieren würde. Die tatsächliche Auseinandersetzung fällt etwas kurz aus, aber der Anfang ist gemacht.
OT: „Vogter“
IT: „Sons“
Land: Dänemark, Schweden
Jahr: 2024
Regie: Gustav Möller
Drehbuch: Gustav Möller, Emil Nygaard Albertsen
Musik: Jon Ekstrand
Kamera: Jasper J. Spanning
Besetzung: Sidse Babett Knudsen, Sebastian Bull Sarning, Dar Salim
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