Club Zero
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„Club Zero“ // Deutschland-Start: 28. März 2024 (Kino)

Inhalt / Kritik

Als die neue Lehrerin Frau Novak (Mia Wasikowska) im Elite-Internat beginnt, soll sie den jungen Menschen ein bewussteres Essen beibringen. Bei einigen stößt sie sofort auf großes Interesse, darunter Fred (Luke Barker), Ragna (Florence Baker) und Elsa (Ksenia Devriendt). Andere tun sich eher schwer mit der Lehre, lieber weniger, dafür besser zu essen, etwa Ben (Samuel D Anderson), für den Essen auch eine Familiensache ist. Doch nach einiger Zeit formt sich eine eingeschworene Gemeinschaft, die dankbar diese Denkanstöße aufnimmt. Sie stacheln sich gegenseitig an, den Konsum immer weiter einzuschränken. Der Traum: Sie wollen eines Tages zum legendären Club Zero gehören, in dem Menschen das Essen komplett aufgegeben haben …

Gute Absicht mit bösem Ende

Dass Jessica Hausner nicht unbedingt darauf aus ist, ein Publikum zu erfreuen und spaßige Filme zu drehen, das hat sie viele Male bewiesen. Schon ihr Debüt Lovely Rita war eine Provokation, wenn sie von einer Jugendlichen erzählte, die eine unglaubliche Tat begeht. Dabei stellt sie immer wieder gesellschaftliche Entwicklungen in Frage, fordert die Zuschauer und Zuschauerinnen dazu auf, sich selbst mit schwierigen Themen auseinanderzusetzen. Bei ihrem letzten Film Little Joe – Glück ist ein Geschäft etwa wird eine gezüchtete Pflanze zum Anlass, um unser Konzept von Glückseligkeit zu hinterfragen. Und auch bei ihrem neuesten Werk Club Zero konfrontiert einen die österreichische Regisseurin und Co-Autorin mit bekannten Konzepten, die sie ad absurdum führt und damit viel Futter zum Nachdenken anrichtet.

Das Hauptthema ist dabei das der Ernährung. Genauer befasst sich der Film mit dem Trendthema der bewussten Ernährung. Dass wir heute zu viel essen, vor allem zu viel Ungesundes, das ist bekannt. Da geht es längst nicht mehr darum, die natürlichen Bedürfnisse des Körpers zu befriedigen, sondern solche, die künstlich erzeugt wurden. Club Zero ist aber kein moralisierender Film, der sich für diesen Wandel einsetzt. Vielmehr zeigt Hausner auf, wie eine gute Absicht auf groteske Weise mutieren kann. Anfangs sehen wir, wie einige Schüler und Schülerinnen erklären, weshalb sie an dem Programm teilnehmen wollen. Die Motive sind dabei ganz unterschiedlich, können gesundheitlich sein oder auch ökologisch. Das klingt alles plausibel und unterstützungswert. Wer könnte schon etwas dagegen sagen, wenn junge Leute die Welt zu einem besseren Ort machen wollen?

Geduldsspiel jenseits aller Genregrenzen

Nur dass dies eine gefährliche Eigendynamik entwickelt und langsam zu kippen droht. Sehr langsam: Man braucht bei dem 110 Minuten langen Werk schon viel Geduld, Hausner hat es nicht sonderlich eilig. Dazu gehören auch lange Einstellungen und Gespräche, die sich ein wenig im Kreis drehen. Das wird manchen nicht genug sein, zumal vieles nie ganz ausformuliert wird. Man erfährt in Club Zero beispielsweise nichts über Frau Novak. Es gibt Verweise auf eine Mutter, die sie anbetet, ohne dass man darüber mehr erfährt. Und auch bei den übrigen Figuren bleibt einiges schematisch, sie sind Stereotype, manchmal nicht einmal das. Dass abgesehen von den jungen Menschen niemand einen Vornamen trägt, kommt nicht von ungefähr. Auch wenn sich das Thema Essstörung für ein Psychodrama angeboten hätte, Hausner wählt einen anderen Weg.

Der beinhaltet auch, dass man gar nicht so genau sagen kann, was das hier für ein Genre ist. Schwarze Komödie lautet eine offizielle Beschreibung. Man könnte auch Satire dazu sagen. Tragisch sind die Geschichten natürlich auch. Zum Ende hin wird zudem der Genreanteil noch einmal kräftig angehoben, Thrillerelemente finden sich auf der Zutatenliste wieder. Und zumindest eine Szene ist so verstörend, wie sie die wenigsten Horrorfilme hinbekommen. Auch das macht den Film, der 2023 im Wettbewerb des Cannes Filmfestivals Premiere feierte, zu einem, mit dem viele nicht glücklich sein werden. Aber er ist lohnenswert. Die Art und Weise, wie hier reihenweise Menschen entlarvt werden, sei es die Lehrerin, die Jugendlichen oder auch die verlogenen Eltern, Achtsamkeit zu einer Sekte wird und am Ende nichts mehr klar ist, das gibt schon einiges mit auf den Weg, das auch nach dem Abspann noch bleibt. Da geht es um Themen wie Selbstbestimmung, gesellschaftliche wie familiäre Erwartungen. Und eben die Frage nach der Bedeutung von Essen.

Credits

OT: „Club Zero“
Land: Österreich, UK, Deutschland, Frankreich, Dänemark, Katar
Jahr: 2023
Regie: Jessica Hausner
Drehbuch: Jessica Hausner, Geraldine Bajard
Musik: Markus Binder
Kamera: Martin Gschlacht
Besetzung: Mia Wasikowska, Sidse Babett Knudsen, Amir El-Masry, Elsa Zylberstein, Mathieu Demy, Ksenia Devriendt, Luke Barker, Florence Baker, Samuel D Anderson, Gwen Currant

Bilder

Trailer

Interview

Ihr wollt mehr über den Film erfahren? Wir hatten die Gelegenheit, uns mit Regisseurin und Drehbuchautorin Jessica Hausner zu treffen. Im Interview zu Club Zero sprechen wir über Fanatismus, Ängste und Genregrenzen.

Jessica Hausner [Interview 2024]

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Club Zero
fazit
„Club Zero“ ist ein provokativer sowie nachdenklich stimmender Film, in dem der Wunsch nach bewusster Ernährung zu der destruktiven Sekte mutiert. Man braucht dafür viel Geduld, darf sich auch nicht daran stören, dass vieles nicht völlig auserzählt wird. Aber der Genremix lohnt sich, ist mal entlarvend, dann wieder verstörend.
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