Mit ihrem Dokumentarfilm Bürglkopf, der seine Premiere im Wettbewerb des 46. Filmfestivals Max Ophüls Preis feierte, wagt Regisseurin Lisa Polster einen kritischen Blick auf die europäische, speziell österreichische Abschiebepolitik. Und der Titel ist dabei Programm: Der Bürglkopf, ein Tiroler Berg, ist nicht nur eine pittoreske Kulisse, sondern auch der Standort eines in 1300 Metern Höhe gelegenen sogenannten Rückkehrzentrums. Hier werden Geflüchtete mit negativem Asylbescheid untergebracht, die nicht inhaftiert werden dürfen, aber dennoch von der Gesellschaft abgeschottet werden sollen – mit dem Ziel, sie zur „freiwilligen Rückkehr“ zu bewegen.
Ein starker Kontrast: Ferienidylle und Verzweiflung
Bekannt wurde das Camp 2019, als 17 Bewohner wegen der ihrer Meinung nach untragbaren Bedingungen in den Hungerstreik traten. Polsters Film setzt allerdings später ein, im September 2021, als infolge des Streiks keine Familien mehr dort untergebracht werden, sondern nur noch alleinstehende Männer. Die Dreharbeiten liefen bis Juni 2024 und hatten mit einem erheblichen Hindernis zu kämpfen: Das Filmteam erhielt keine Drehgenehmigung für das Gelände, sodass Polster auf Gespräche mit Geflüchteten außerhalb des Geländes angewiesen war. Dennoch kamen Bewohner zu Wort, die über ihre Isolation, den beschwerlichen Zugang zur Zivilisation und das Fehlen von Internet- und Telefonverbindungen berichten. Aber: Viele Aussagen bleiben oberflächlich und wenig konkret. Das macht es schwierig, einen genauen Eindruck von den tatsächlichen Zuständen im Camp zu bekommen.
Polsters Ansatz lebt von Kontrasten. Touristische Hochglanzbilder von Skifahrern und Après-Ski-Partys prallen auf die Erzählungen der Campbewohner, die von der Welt abgeschnitten sind. Interviews mit Dorfbewohnern aus dem nahegelegenen Fieberbrunn zeichnen ein Bild von Gleichgültigkeit und Distanz – bis auf einen Bergbauern, der Verständnis zeigt. Doch so wichtig diese Bilder und Themen auch sind, der Film bleibt in seiner filmischen Umsetzung manchmal zu zurückhaltend.
Einzelne Szenen ragen heraus
Es fehlt an einem klaren erzählerischen Fokus, der die Situation greifbarer macht. Die Isolation und die Angst der Geflüchteten werden zwar thematisiert, aber bleiben diffus. Ohne Zutritt zum Gelände wird vieles vage – man versteht die Isolation und die Angst vor der Abschiebung, doch diese Zustände könnten fast überall zutreffen. Das führt dazu, dass der Film zwar wichtige Fragen aufwirft, aber in der Vermittlung der Informationen letztlich nur durchschnittlich bleibt.
Trotz dieser Schwäche gelingen Polster eindrucksvolle Momente. Das ironische Verlesen einer Erklärung eines Bewohners, der die Zustände beschönigt und Österreich „dankt“, ist ein starker, subversiver Moment. Auch die Bilder eines Skilifts, der in Regenbogenfarben mit Begriffen wie „Tolerance“ und „Diversity“ geschmückt ist, wirken fast wie eine Satire auf die europäische Doppelmoral. Doch solche Szenen sind die Ausnahme in einem Film, der sich insgesamt auf bewährte, aber wenig innovative Mittel der Dokumentation verlässt.
OT: „Bürglkopf“
Land: Österreich, Deutschland
Jahr: 2025
Regie: Lisa Polster
Musik: Lena Radivoj
Kamera: Jasmin Schwendinger
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