Union Die besten aller Tage
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Union – Die besten aller Tage

Union Die besten aller Tage
„Union – Die besten aller Tage“ // Deutschland-Start: 4. April 2024 (Kino)

Inhalt / Kritik

Lothar Matthäus hat schon einige verunglückte Sprüche losgelassen. Aber über den 1. FC Union Berlin sagt er als Kommentator des Bezahlsenders „Sky“ etwas sehr Kluges. „Die Vereinskultur“ trage dazu bei, dass der Underdog-Klub aus dem Stadtteil Köpenick so erfolgreich sei. Will heißen: das kollegiale Klima, die kurzen Entscheidungswege, die gute Stimmung und die Bodenhaftung, die das Team der Geschäftsstelle trotz des traumhaften Erreichens eines Champions-League-Platzes in der Saison 2022/2023 bewahrt. Worin der gute Geist der „Eisernen“, wie sie sich selbst nennen, besteht – das beleuchtet Annekatrin Hendel in ihrer Wohlfühldoku über die bislang phänomenalsten beiden Jahre der Vereinsgeschichte. Ihr Film ist nicht nur ein Film über Fußball, sondern auch einer über Solidarität, effektive Zusammenarbeit und das Brennen für die gemeinsame Sache.

Umsatz in einem Jahr verdoppelt

Im Büro von Dirk Zingler wird viel geflachst. Fast immer ist der dienstälteste Präsident des Klubs für einen Scherz gut. Der hauptberufliche Logistik-Unternehmer kennt den Laden in- und auswendig, seit 20 Jahren arbeitet er ehrenamtlich für einen Verein, der damals – 2004 – in enormen wirtschaftlichen und sportlichen Problemen steckte. Nur manchmal wird Zingler ernst, zeigt Führungsanspruch und Managerqualitäten. Dann nämlich, wenn es um das Bewältigen des enormen Wachstums und die Zukunft des Klubs geht, der allein im Wechsel von 2021/2022 zu 2022/2023 seinen Umsatz von 75 auf 150 Euro Millionen Euro verdoppelte. Veränderungen seien nichts Schlechtes, predigt er dann seinen Mitarbeitern, die im Gegensatz zu den sonst launigen Runden im Besprechungszimmer ganz still werden. In solchen Momenten wird – neben den „besten Tagen“ und der Vereinskultur – ein drittes Thema des Films berührt: wie umgehen mit dem vorübergehenden Image als „Bayern-Jäger“, mit Profis, die anderswo das Doppelte und Dreifache verdienen können, und mit Forderungen von Stars, die zwar „normal“ sind im durchkapitalisierten Bundesliga-Alltag, aber eben nicht ins Geschäftsmodell der „Eisernen“ passen.

„Man kann es sich leichter machen“, sagt dazu Stadionsprecher und Kommunikationschef Christian Arbeit. „Aber das ist eigentlich nicht unsere Art“. Neben ihm und dem „Präsi“ lernen wir vor allem drei Frauen näher kennen. Stefanie Vogler verantwortet als Leiterin Vertriebskommunikation unter anderem die Auswahl der Bilder auf der Website und stellt auch schon mal – kleiner Witz über „Photoshop“ am Rande – das Mannschaftsbild zusammen, indem sie einzelne Spieler hin und herrückt. Die junge Mutter ist oft zusammen mit Katharina Brendel zu sehen, die die Interviews vor und nach dem Spiel organisiert und bisweilen einen Spieler zur Seite nimmt, um dessen Emotionen, beispielsweise über eine zu frühe Auswechslung, herunter zu kochen.

Oft sieht man die beiden nebeneinander im Stadion, und wenn die eine sich über irgendetwas fürchterlich aufregen muss, streicht ihr die andere sanft übers Haar. Ist doch alles nur ein Spiel – das ist die Haltung, die auch Mannschaftsleiterin Susanne Kopplin verkörpert. Sie freut sich am meisten, wenn sie nach getaner Arbeit – Bereitstellen der Trikots – lange vor dem Spiel runter ins Stadion geht und den harten Kern der Unioner schon kräftig am Feiern sieht. Von den Fußballern wird lediglich Kapitän Christopher Trimmel näher porträtiert. Der Akzent des Interesses, liegt – trotz sportfilmtypischer Höhepunkt-Dramaturgie mit vielen Torszenen – bei den Leuten aus dem „Maschinenraum“, wie Regisseurin Annekatrin Hendel den engeren Kreis der Geschäftsstelle nennt.

Aufgewachsen neben dem Stadion

Man mag sich fragen, warum die Filmemacherin, die bisher vor allem mit ihren politisch brisanten Porträts (Vaterlandsverräter, 2011, Anderson, 2014, Familie Brasch, 2018) bekannt wurde, sich für den 1. FC Union Berlin interessiert, obwohl sie nach eigenem Bekenntnis kein Fußballfan ist. Die Antwort liegt auch hier in der gemeinsamen Ost-Biografie. Die Regisseurin hat in ihrer Jugend ganz in der Nähe zur „Alten Försterei“, dem Stadion des Klubs, gewohnt. Sie ist quasi mit ihm aufgewachsen und verfolgt in ihrem neuen Film ähnliche Strategien wie in den Vorgängern: vorurteilslos in Situationen hineingehen, die Menschen eher begleiten als über sie zu urteilen, lange Interviews eher vermeiden und stattdessen lieber zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Über weite Strecken ist der Film daher reine Freude, Feiern pur und Genuss der vielen glücklichen Augenblicke.

Trotz aller Fußball-Euphorie ist Union – Die besten aller Tage aber mehr als ein Sportfilm. Er erklärt den weniger Fußballbegeisterten, warum es so schön sein kann, Zehntausenden Menschen an nur einem Samstagnachmittag für die ganze nächste Woche gute Laune zu bereiten. Und er macht jeden, der keinen so angenehmen Arbeitsplatz hat, fast neidisch auf den Teamgeist und das locker-freundschaftliche Miteinander, das den „Maschinenraum“ des FC Union auszeichnet. Hier freuen sie sich an dem, was die Seele des Vereins ausmacht, selbst nach Niederlagen. „Wir können gar nicht mehr beweisen, dass wir auch hinter der Mannschaft stehen, wenn es mal bergab geht“, beklagt Kommunikationsfrau Katharina Brendel einmal den anhaltenden Aufwärtstrend der letzten drei Jahre. Ihr gehe das Positive voll auf die Nerven, sagt sie in einer fast prophetischen Szene. Wer sich für Fußball interessiert, weiß, dass ihr Wunsch nach einer schlechten Phase in der laufenden Saison mehr als in Erfüllung gegangen ist.

Credits

OT: „Union – Die besten aller Tage“
Land: Deutschland
Jahr: 2024
Regie: Annekatrin Hendel
Drehbuch: Annekatrin Hendel
Musik: Flake alias Christian Lorenz („Rammstein“)
Kamera: Martin Farkas, Roman Schauerte und Annekatrin Hendel

Bilder

Trailer

Interview

Ihr wollt mehr über den Film erfahren? Wir hatten die Gelegenheit, uns mit Regisseurin Annekatrin Hendel zu unterhalten. Im Interview zu Union – Die besten aller Tage sprechen wir über die Arbeit an der Doku und ihr eigenes Verhältnis zu Fußball.

Annekatrin Hendel [Interview]

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Union – Die besten aller Tage
fazit
„Union – Die besten aller Tage“ ist einerseits ein klassischer Sportfilm mit typischer Höhepunkt-Dramaturgie. Zugleich aber blickt Regisseurin Annekatrin Hendel hinter die Kulissen und ergründet, was diesen „etwas anderen“ Fußballklub auszeichnet, der sich weiterhin gegen die Mechanismen durchkapitalisierter Strukturen stemmt.
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