My Sailor My Love
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My Sailor, My Love

My Sailor My Love
„My Sailor, my Love” // Deutschland-Start: 8. Februar 2024 (Kino)

Inhalt / Kritik

Eine Gruppentherapie: Grace (Catherine Walker) bringt außer ihrem Namen kein Wort heraus. So tief sitzt der Schmerz über die gestörte Beziehung zu ihrem Vater Howard (James Cosmo), einem pensionierten Schiffskapitän, der sich bei seinen Altersbeschwerden nicht helfen lässt und in seinem abgelegenen Haus direkt am Meer allmählich verwahrlost. Weil sie allein nicht mehr weiter weiß, engagiert Grace die Haushaltshilfe Annie (Brid Brennan). Ihr gelingt das Wunder, den alten Sturkopf nach und nach aus der Reserve zu locken und sogar Gefühle in ihm zu entfachen. Aber genau das bringt neue und ungeahnte Probleme mit sich in der vielschichtigen Mischung aus Altersromanze und Familiendrama des Finnen Klaus Härö. Der erfahrene Regisseur legt damit seinen ersten englischsprachigen Film vor, gedreht in wildromatischen irischen Landschaften.

Leichen im Keller

Immer wieder kehrt die Kamera (Robert Nordström) in den langen Hausflur des Seemanns zurück. Hier hängen dicht an dicht die Fotos eines langen Lebens, Bilder aus glücklichen Tagen und von den familiären Wegmarken eines Vaters, der aus beruflichen Gründen kaum zu Hause sein konnte. Man möchte denken, hier liege alles zutage, aber der lange, dunkle Flur birgt Geheimnisse, wie so oft in den Dramen und Filmen skandinavischer Theaterautoren und Filmemacher. Entscheidendes wird verschwiegen und verdrängt in diesen oft gut betuchten Familien. Im Keller liegen Leichen, die das gegenwärtige Leben belasten und im Laufe der Handlung ans Licht treten. Das ist der eine Strang in My Sailor, My Love. Der andere deutet sich in ausgedehnten Kameraflügen an, die die irische Landschaft feiern und das unverhoffte Glück einer späten Liebe zelebrieren – viel lebensfroher, als es die Tradition des analytischen Dramas mit seiner Düsternis kennt.

Trotz der ausgefeilten Kameraarbeit und den vielen Außenaufnahmen bleibt das Dreieck zwischen Grace, Howard und Annie im Kern ein Kammerspiel, das auch auf dem Theater funktionieren würde. Und so hängt alles von den überzeugenden Leistungen der Schauspieler ab, von denen Catherine Walker als Grace den anspruchsvollsten, weil komplexesten und schwierigsten Part hat. Sie fühlt sich in bewundernswerter Weise in die Probleme einer jener Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs ein, deren aus der Jugend rührende Traumata sich tief in die Gegenwart eingefressen haben. Grace opfert sich unermüdlich auf, sowohl in ihrem Beruf als Krankenschwester wie auch in der Sorge um ihren Vater. Aber ihre Hilfsbereitschaft wird vergiftet von unbewältigten Konflikten. Man wird den Gedanken nicht los, dass hinter der überschwänglichen Nächstenliebe etwas Egoistisches lauert. Vater Howard spürt das ganz genau, ebenso wie das Publikum.

Letztes Frühlingserwachen

All das führt jedoch nicht oder nicht nur zu verquälter Dramatik, sondern wird kontrastiert durch eine späte Liebe, die Hoffnung verströmt. Brid Brennan als Annie bringt in Howard all das zum Leuchten, was durch eine verkorkste Familiengeschichte verschüttet war. Das ist schön anzusehen in all der Leichtigkeit, die eine Romanze nun einmal mit sich bringt. Vor allem, weil das das letzte Frühlingserwachen eines alten Mannes nur in wenigen Momenten in puren Kitsch umschlägt. Meist halten sich die melancholischen Klavierklänge zurück und auch der bärbeißige Charme von James Cosmo als Howard trägt zur minimalistisch-sparsamen Inszenierung bei, die nur selten mit Geigen auftrumpft.

Über weite Strecken funktioniert die Verflechtung der beiden gegensätzlichen Genre-Elemente Drama und Romanze höchst elegant. Immer wieder wechselt die Kamera von nahen Einstellungen zu weiten Totalen, die Distanz, Orientierung und Überblick verschaffen und so die Identifikation mit dem Leiden von Grace lockern. Aber es gibt auch Momente, in denen das unerwartete Glück der beiden Alten von zu viel goldenem Licht überzuckert wird, vor allem im ersten Drittel der Handlung.

Credits

OT: „My Sailor, my Love“
Land: Finnland, Irland, Belgien
Jahr: 2022
Regie: Klaus Härö
Drehbuch: Jimmy Karlsson, Kirsi Vikman
Musik: Michelino Bisceglia
Kamera: Robert Nordström
Besetzung: James Cosmo, Brid Brennan, Catherine Walker, Nora-Jane Noone, Aidan O’Hare

Bilder

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My Sailor, My Love
fazit
„My Sailor, my Love erzählt von anhaltendem Leid und überraschendem Glück in einer komplexen Dreiecksbeziehung zwischen Tochter, Vater und dessen neuer Haushaltshilfe. Zwischen Eifersucht und verdrängten Konflikten navigiert der finnische Regisseur Klaus Härö die Geschichte zwischen den Klippen eines ungewöhnlichen Genre-Mixes hindurch.
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