Luise
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Luise
„Luise“ // Deutschland-Start: 31. August 2023 (Kino) // 7. März 2024 (DVD)

Inhalt / Kritik

Ein abgeschiedener Bauernhof im Elsass: Luise (Luise Aschenbrenner) lebt hier allein, seitdem ihre Mutter vor drei Tagen gestorben ist. Die junge Frau ist ganz auf sich gestellt gegen Ende des Ersten Weltkriegs im Oktober 1918. Sie versucht, die kleine Farm irgendwie durchzubringen: jeden Tag dieselben Abläufe, von den Eltern erlernt seit Kindertagen. Doch dann bricht die Außenwelt über das winzige Haus herein. Erst steht die Französin Hélène (Christa Theret) vor der Tür. Sie ist auf der Flucht, weil sie einen deutschen Soldaten tötete, der sie vergewaltigen wollte. Hermann (Leonard Kunz), dessen Untergebener, hat das mit angesehen und wurde selbst verletzt. Er dringt als nächster in das Haus ein. Und dann schaut auch noch der Hauptmann (Aleksandar Jovanovic) vorbei. Er sucht den Fahnenflüchtigen, den die beiden Frauen rasch verstecken. Als er nach vergeblicher Razzia wieder abzieht, müssen sich Luise, Hélène und Hermann miteinander arrangieren. Jeder hat etwas auf dem Kerbholz, keiner kann problemlos abhauen in dem dichten Kammerspiel von Matthias Luthardt. Und keiner darf dem anderen trauen, obwohl sich schon bald ein komplexes, erotisch aufgeladenes Beziehungsdreieck aufbaut.

Zwei gegen einen

Die Arbeit ist hart auf dem abgelegenen Hof. Das Heu muss eingebracht werden, mit Sicheln gemäht, zu großen Ballen geschnürt und auf dem Rücken getragen. Die beiden Frauen schuften schwer, Hermann mit seinem verletzten Bein kann ihnen nicht helfen. Er müsse sich ausruhen, sonst entzünde sich die Wunde, warnt Luise. Also sitzt Hermann ruhig in einem dunklen Verschlag. Durch die Ritzen der Bretter aber schaut er nach draußen: Etwas fasziniert ihn an den beiden Frauen und ihrer Beziehung zueinander. Die Konstellation liegt nahe bei drei Personen, sie wird sich in immer neuen Variationen durch den ganzen Film ziehen: zwei gegen einen. Zwei kommen sich näher, einer bleibt ausgeschlossen. Hermann baggert nacheinander jede der beiden Frauen an, und die lesbische Hélène verführt die fromme Luise, die dadurch in eine tiefe religiöse Krise stürzt.

Regisseur Matthias Luthardt (Pingpong, 2005) und sein Co-Autor Sebastian Bleyl stützen sich in ihrem Drehbuch lose auf die Novelle Der Fuchs des englischen Schriftstellers D. H. Lawrence (1885 bis 1930). Aber sie setzen andere Akzente. Während es dem damals wegen seiner Freizügigkeit umstrittenen Lawrence um animalische Kräfte im Menschen und besonders in der Sexualität ging, erkundet Luthardt nicht nur das erotische Erwachen von Luise, sondern vor allem ihre Emanzipation und Selbstermächtigung in einer patriarchalisch geprägten, von der Kirche dominierten Gesellschaft. Und auch ein anderer Aspekt erklärt, warum sich der Filmemacher zu dem Stoff hingezogen fühlt: Wie in seinem Debüt Pingpong geht es um kleinste Nuancen in einem fein gesponnenen Beziehungsgefüge. Matthias Luthardt zeigt sich in beiden Filmen als Meister des Unausgesprochenen, das sich nur in Blicken und einer diffusen Erotik äußert, die durch den Raum wabert wie draußen der Nebel durch den Unheil verheißenden Wald.

Vibrierende Unberechenbarkeit

Im Wechsel von intensiven Großaufnahmen und nüchternen Totalen lässt Luise die Enge einer Welt spüren, die durch die Begegnung mit dem Fremden Risse bekommt. „Schlafen Sie nackt?“, fragt Luise voller Empörung Hélène, als sie mit ihr zum ersten Mal das Bett teilt, zunächst noch aus pragmatischen Gründen. Aber in ihren Augen kann man noch etwas anderes lesen als prüdes Entsetzen: Verunsicherung, erste Zweifel an unumstößlich scheinenden Glaubenssätzen. Die selbstsicher auftretende Hélène bringt bei Luise etwas zum Erblühen, was über die erotische Erweckung hinausgeht.

Immer wieder sehen wir die gottesfürchtige Bäuerin vor dem Spiegel sitzen, sich selbst befragend. Nach und nach reift über Rückschläge hinweg ein Entschluss, während immer neue Formationen des Beziehungsdreiecks die Spannung hoch halten. Die vibrierende Unberechenbarkeit hat viel mit dem faszinierenden Spiel der drei Hauptdarsteller zu tun. Ständig sind die Energien zwischen ihnen im Fluss, die Blicke verraten mal Krieg, mal Leidenschaft. Und so spürt man schon bald, dass die Ballung widersprüchlichster Impulse sich nicht anders als durch eine Explosion entladen kann.

Credits

OT: „Luise“
Land: Frankreich, Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Matthias Luthardt
Drehbuch: Sebastian Bleyl, Matthias Luthardt
Vorlage: D. H. Lawrence
Musik: Pēteris Vasks, Matthias Petsche
Kamera: Lotta Kilian
Besetzung: Luise Aschenbrenner, Christa Theret, Leonard Kunz, Aleksandar Jovanovic

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Luise
fazit
„Luise“ erzählt von drei Fremden, zwei Frauen und einem Mann, zwischen denen sich auf engstem Raum ein fragiles Beziehungsdreieck aufbaut. Regisseur Matthias Luthardt zeigt sich dabei als Meister der subtilen Nuancen, der sich auf drei herausragende Darstellerleistungen verlassen kann.
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