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© Jo Voets

Plötzlich alles anders

„Plötzlich alles anders“ // Deutschland-Start: 27. April 2023 (arte)

Inhalt / Kritik

März 2016: Es herrscht geschäftiges Treiben am Flughafen in Brüssel, wenn die Menschen verreisen oder ankommen, Familien besuchen oder geschäftlich unterwegs sind. Was nach einem ganz normalen Tag aussieht, wird jedoch jäh unterbrochen, als zwei Sprengsätze hochgehen. Bei der Explosion werden zahlreiche Leute verletzt und getötet, ganze Familien werden auseinandergerissen. In Folge wird Samira Laroussa (Lara Chedraoui), eine Polizistin mit marokkanischen Wurzeln, mit der Aufgabe betreut, das Reisegepäck der Verstorbenen an die jeweiligen Hinterbliebenen auszuliefern – was für beide Seiten zu einer schmerzhaften Erfahrung wird …

Das Leben nach dem Terroranschlag

Donnerstagabend, da ist auf arte wieder Serienzeit. Dabei zeigt der Sender immer wieder ein gutes Händchen bei der Auswahl, da waren dieses Jahr reihenweise spannender Titel darunter. Schön ist zudem die Vielfalt der Geschichten. Während etwa Blackport von dem Schicksal eines isländischen Fischerdorfes handelt, das in den 1980ern Teil eines großen Wandels wird, erzählt Und draußen die Nacht von der Entführung eines italienischen Politikers in den späten 1970ern. Bei Plötzlich alles anders wiederum wird es auf erschreckende Weise aktuell, wenn es um das Thema Terror geht. Tatsächlich basiert die Serie auf den Terroranschlägen in Brüssel am 22. März 2016, die 32 Menschenleben forderten. 300 erlitten Verletzungen. Aus einem solchen Stoff kann man die verschiedensten Genres machen. Naheliegend ist es beispielsweise, die Geschichte in Form eines Thrillers zu erzählen und entweder mit dem Anschlag oder der Jagd auf die Täter Spannung zu erzeugen. Hier ist das anders.

Die belgische Serie erinnert vielmehr an das dänische Wenn die Stille einkehrt, eine weitere Serie, die auf arte zu sehen war. In beiden Fällen lag der Fokus auf Menschen, die auf die eine oder andere Weise mit dem Anschlag zu tun haben, erzählte sowohl von der Zeit direkt davor wie auch den Schwierigkeiten, im Anschluss ein normales Leben führen zu können. Es dominieren also die dramatischen Aspekte und die tragischen Schicksale. Dafür wird in den sechs Folgen von Fall zu Fall gesprungen. Dabei kommt es zwar zu Überschneidungen, wenn etwa in der einen Folge eine Jugendliche im Mittelpunkt steht, die einem Mann versehentlich anrempelt, und später dieser Mann vorgestellt wird. Doch von dem verbindenden Setting einmal abgesehen, stehen die einzelnen Geschichten für sich.

Viel Emotion, auch ohne Holzhammer

Damit doch noch eine Art roter Faden durch die Episoden führt, wurde die Figur der Samira eingeführt. So richtig ersichtlich ist es zwar nicht, warum ausgerechnet eine Polizistin das gesamte Gepäck zu den Familien bringen soll. Aber es funktioniert, zumal auch die Protagonistin eine eigene Geschichte mitbekommt. In den Begegnungen mit den Opfern und Angehörigen zeigt sie immer wieder Einfühlungsvermögen und teilt zwischendurch so auch ihr eigenes Leben. Außerdem braucht Plötzlich alles anders sie als Ruhepol, wenn es drumherum zu heftigen Gefühlsausbrüchen kommt. Da wird dann schon mal der Ton schärfer, etwa bei der Frau, deren Tochter die beiden Unterschenkel verloren hat und die sich selbst große Vorwürfe deswegen macht. Auch bei anderen führt der Schicksalsschlag zur Auseinandersetzung mit eigenen Versäumnissen.

Ein solches Szenario läuft natürlich immer Gefahr, voyeuristisch zu sein und zu sehr das Leid der Menschen auszunutzen. Glücklicherweise verzichtete man hier aber darauf, allzu manipulativ zu werden und das Publikum mit aller Gewalt Emotionen einprügeln zu wollen. Stattdessen ist Plötzlich alles anders über weite Strecken sehr zurückhaltend erzählt, verlässt sich auf die Geschichten, anstatt diese noch groß in Szene setzen zu wollen. Bewegend ist das Ergebnis aber auch ohne den Holzhammer. Man leidet hier quasi unweigerlich mit den Figuren, selbst denen, die es einem schwer machen. Darunter gibt es einige: Die belgische Serie versucht sich an einem breit gestreuten Querschnitt, wenn der Terroranschlag wirklich alle treffen kann. Man muss nicht alle mögen, die einen schweren Verlust zu verkraften haben. Aber man sollte ihnen zuhören.

Credits

OT: „Lost Luggage“
Land: Belgien
Jahr: 2022
Regie: Nathalie Basteyns, Kaat Beels, Ibbe Daniëls
Drehbuch: Tiny Bertels, Michel Sabbe, Edith Huybrechts, Charles De Weerdt, Mathias Claeys
Musik: Peter Baert
Kamera: Anton Mertens, Jordan Vanschel
Besetzung: Lara Chedraoui, Jeroen Van der Ven, Mattias Van de Vijver, Isabelle van Hecke, Elias Vandenbroucke, Thierry Hellin, Elena Sanchez, Yves Degryse, Jaak Van Assche, Frieda Pittoors, Eline Amouzou, Babetida Sadjo

Bilder

Trailer

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Plötzlich alles anders
fazit
„Plötzlich alles anders“ erinnert an die Terroranschläge auf dem Flughafen in Brüssel, der eine Reihe von Menschenleben kostete. Dabei konzentriert sich die Serie auf die Opfer und deren Angehörigen, erzählt, wer diese sind und wie sie versuchen, mit dieser Situation klarzukommen. Das ist emotional, ohne voyeuristisch zu werden. Der Fokus liegt auf den Figuren und den Geschichten.
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7
von 10