Miss Viborg
© Der Filmverleih / Meteor Film

Miss Viborg

„Miss Viborg“ // Deutschland-Start: 20. April 2023 (Kino) // 25. August 2023 (DVD)

Inhalt / Kritik

So richtig viel Kontakt mit der Außenwelt hat Solvej (Ragnhild Kaasgaard) ja nicht mehr. Die stark übergewichtige alleinstehende 61-Jährige bleibt lieber in ihrer Wohnung in einer trostlosen Gegend der dänischen Provinzstadt Viborg. Sicher, sie dreht jeden Tag ihre Runden, um ihre Medikamente an andere zu verkaufen. Ansonsten besteht ihre einzige Verbindung in dem Funkgerät, das sie zu Hause hat und von dem sie sich Inspirationen für eine eigene Reise holt. Tatsächlich träumt sie schon länger davon, nach Spanien zu fahren und spart das Geld, das sie durch ihre kleinen Deals einnimmt. Dieser Traum wird eines Tages durch die 17-jährige Nachbarstochter Kate (Isabella Møller Hansen) torpediert, als diese in Solvejs Wohnung einbricht. Doch die Einsiedlerin will sich davon nicht abhalten lassen und findet stattdessen eine Möglichkeit, diese Erfahrung für sich zu nutzen – mit unerwarteten Folgen …

Zwei ungleiche Freundinnen

Je unterschiedlicher zwei Menschen sind, umso unterhaltsamer kann es sein, diese beiden zusammenzuführen – zumindest aus Sicht eines unbeteiligten Publikums. Zahlreiche Filme und Serien haben auf dieses Konzept bereits zurückgegriffen. Ob es nun actionreichere Buddy Movies sind, Culture-Clash-Komödien oder auch Roadmovies, bei denen die Hauptfiguren wohl oder übel längere Strecken gemeinsam zurücklegen müssen, es gibt Beispiele ohne Ende. Mit Miss Viborg kommt nun ein weiterer Film in die Kinos, bei denen schon ein Blick auf die beiden Protagonistinnen verrät, dass da Welten aufeinanderprallen. Eine übergewichtige Einsiedlerin im fortgeschrittenen Alter und eine rebellische Schülerin, was könnten die schon gemeinsam haben? Eine ganze Menge, wie sich bald herausstellt.

So eint die zwei, dass sie sich in der kleinen Siedlung wie Gefangene fühlen. Beide träumen sie davon wegzukommen, das Leben hinter sich zu lassen. Bei Solvej ist der Wunsch schon deutlicher im Kopf ausformuliert: Sie spart seit einer Weile Geld, um nach Spanien zu kommen, lernt jeden Abend fleißig im Bett die Sprache. Während sie in der Hinsicht an der Realität arbeitet, baut sie anderweitig Luftschlösser. So lernen wir sie anfangs kennen, wie sie sich Aussagen von Fernfahrern merkt und deren Erfahrungen als die eigenen ausgibt. Sie sammelt Tipps für Lokale, stellt sich vor, selbst dort zu sein, markiert die Orte auf einer Karte. Miss Viborg ist ein Film, der den Alltag ebenso beschreibt wie die Sehnsüchte und Träume der beiden Frauen, die das Schicksal zusammengeführt hat.

Ein schöner Geheimtipp

Anfangs liegt der Fokus dabei eindeutig auf der Komik. Wenn Solvej mit ihrem motorisierten Rollstuhl durch die Gegend fährt und dabei allen möglichen Leuten ihre Waren verkauft, ist das ein durchaus lustiger Anblick. Auch ihre schnodderige Art und die Furchtlosigkeit, mit der sie alle anblafft, sind für amüsante Szenen gut. Doch natürlich ist mehr an dieser Figur. Miss Viborg macht dies sehr früh klar, immer wieder baut Regisseurin und Co-Autorin Marianne Blicher Hinweise ein, dass hinter dieser Fassade ein empfindsamer Mensch steckt. Einer, der in Routinen gefangen ist, in Erinnerungen – und in Essen, das für sie zu einem Begleiter durch die Einsamkeit und Trauer geworden ist. So sehr ist sie davon abhängig geworden, dass sie völlig überfordert ist, als mit Preben (Kristian Halken) auf einmal ein Mann vor ihr steht, der sich tatsächlich für sie interessiert.

Die dänische Tragikomödie ist damit die Geschichte mehrerer verlorener Menschen, die zueinander finden und damit auch zu sich selbst. Originell ist das nicht, der Film folgt ungeniert den zu erwartenden Bahnen. Ob es nun die obligatorische Annäherung der ungleichen Protagonistinnen ist oder die allmähliche Enthüllung von Solvejs Vorgeschichte: Man weiß hier trotz der skurrilen Elemente recht gut, was alles geschehen wird. Doch die Umsetzung überzeugt. Immer wieder wird es unterhaltsam, auch die emotionalen Momente verfehlen ihre Wirkung nicht. Das ist auch schauspielerisch stark, gerade Ragnhild Kaasgaard überzeugt als abweisende Einsiedlerin, die ihren Schmerz in sich hineingefressen hat. Wenn Solvej langsam aus ihrem Gefängnis aus Medikamenten und Kuchen kommt, darf selbst einem zynischen Publikum warm ums Herz werden. Wer diese Mischung aus schrullig und einfühlsam mag, für den ist das hier ein schöner Geheimtipp.

Credits

OT: „Miss Viborg“
Land: Dänemark
Jahr: 2022
Regie: Marianne Blicher
Drehbuch: Marianne Blicher, Rasmus Birch
Musik: Bebe Risenfors
Kamera: Martin Munch
Besetzung: Ragnhild Kaasgaard, Isabella Møller Hansen, Kristian Halken, Josephine Park

Bilder

Trailer

Kaufen / Streamen

Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.




(Anzeige)

Miss Viborg
fazit
„Miss Viborg“ beginnt komisch, wenn eine übergewichtige Einsiedlerin als Medikamentendealerin bekannt ist und sich deren Wege mit denen einer rebellischen Jugendlichen kreuzen. Je weiter der Film und die entstehende Freundschaft voranschreiten, umso emotionaler wird er. Das ist zwar nicht übermäßig originell im Ablauf. Die skurrilen Figuren und das starke Ensemble machen die Tragikomödie aber zu einem Geheimtipp.
Leserwertung0 Bewertungen
0
7
von 10