Lila Neugebauer Causeway Interview Apple TV+
Regisseurin Lila Neugebauer bei der New York Premiere von "Causeway" (© Marion Curtis / StarPix for Apple)

Lila Neugebauer [Interview]

In dem Apple TV+ Drama Causeway (Start: 4. November 2022) erzählt Lila Neugebauer die Geschichte der Soldatin Lynsey (Jennifer Lawrence), die bei ihrem Einsatz in Afghanistan eine traumatische Erfahrung macht und deswegen erst einmal zurück in die Heimat geschickt wird. Dort muss sie sich nicht nur mit dem auseinandersetzen, was ihr widerfahren ist, sondern auch mit ihrem alltäglichen und dem Verhältnis zu ihrer Mutter. Wir haben uns bei der Premiere auf dem Toronto International Film Festival 2022 mit der Regisseurin über ihre Arbeit am Film, den Umgang mit Traumata und prägende Erfahrungen unterhalten.

 

Könntest du uns etwas über die Entwicklungsgeschichte von Causeway verraten? Wie bist du zu dem Projekt dazugestoßen?

Die letzten 15 Jahre habe ich vor allem am Theater Regie geführt. Ich arbeitete gerade an The Waverly Gallery von Kenneth Lonergan, als mir einer der Produzenten das Original-Drehbuch von Causeway schickte. Es hat mich von Anfang an gefangen genommen. Später erfuhr ich, dass das Drehbuch auch an Jennifer Lawrence geschickt wurde. Einige Wochen später haben wir uns zum Essen verabredet und dabei festgestellt, wie ähnlich unsere Reaktionen darauf waren. Da wir auch sonst auf einer Wellenlänge waren, beschlossen wir, den Film zusammen zu machen. Einige Monate darauf haben wir bereits mit der Produktion begonnen.

Lila Neugebauer und Jennifer Lawrence bei den Dreharbeiten zu „Causeway“ (© Apple TV+)

Was hat dich an der Geschichte so gefangen genommen?

Ich bin keine Veteranin oder Teil der US-amerikanischen Armee. Dennoch habe ich mich beim Lesen gut mit der Figur identifizieren können, deren inneres Leben wir nach und nach kennenlernen. Zum Teil ist der Film eine Untersuchung, wie wir mit einem Trauma umgehen und wie wir ein solches heilen, über viele Schritte hinweg, die mal sehr klein erscheinen, mal schmerzhaft sind und mal aufschlussreich sein können. Das einmal genauer anzusehen mit Fürsorge und Geduld, mit viel Liebe zum Detail auch, war sehr reizvoll für mich.

Wenn Menschen ein Trauma erleiden, versuchen sie meistens, dem zu entkommen, was das Trauma in ihnen ausgelöst hat. Lynsey will hingegen zurück und weiter als Soldatin im Einsatz sein. Warum ist das so wichtig für sie?

Während der Arbeit an dem Film, sowohl bei der Vorbereitung wie auch beim Dreh und später, hatte ich das Privileg, mit vielen Menschen aus der Armee sprechen zu dürfen, aktiven wie auch ehemaligen Mitgliedern. Causeway würde gar nicht existieren ohne den Input all dieser Leute. Bei diesen Gesprächen habe ich festgestellt, dass es die unterschiedlichsten Gründe gibt, warum jemand der Armee beitritt. Lynsey glaubt, dort etwas gefunden zu haben, was sie hier im Alltag nicht finden kann.

Denkst du, dass es überhaupt möglich ist, ein solches Trauma völlig hinter sich zu lassen bei dem Heilungsprozess?

Philosophisch und ontologisch würde ich sagen, dass wir die Summe unserer Erfahrungen sind. Die Art und Weise, wie wir auf ein Trauma reagieren, hat einen gewaltigen Einfluss darauf, wer wir im Anschluss sind, sowohl im Bezug auf uns selbst wie auch in unserem Verhältnis mit anderen.

Könntest du Erfahrungen nennen, die dich zu dem gemacht haben, der du bist?

Ich bin in New York City geboren. In dieser Stadt aufzuwachsen, hat mich auf jeden Fall maßgeblich beeinflusst in meiner Identität. Ich habe eine Familie, die mich sehr liebt und unterstützt und mir nie das Gefühl gegeben hat, dass ein Leben für die Kunst trivial ist. Dafür bin ich unglaublich dankbar. Aber auch meine Schulzeit hat mich geprägt. Ich bin auf eine etwas eigenwillige Schule gegangen, wo die Schüler und Schülerinnen ihre eigenen Theaterstücke inszenierten. Ich war 17, als ich das erste Mal beim Theater Regie geführt habe. Das war eine Erfahrung, die mich sehr beeinflusst hat und mich dazu gebracht hat, heute hier zu stehen.

Bei Causeway hast du dein erstes Mal bei einem Film Regie geführt. Wie war das für dich?

Verblüffend. Ich habe mich sehr ins Filmemachen verliebt. Es ist aufregend, bringt aber auch sehr viel Verantwortung mit sich. Außerdem habe ich es als Privileg empfunden, einen Film vom Anfang bis zum Ende begleiten zu dürfen, tagein, tagaus, von der ersten Planung bis zum fertigen Film.

Gibt es schon Pläne für einen zweiten Film?

Ja, aber wir sind da noch ganz am Anfang. Wir entwickeln einen Film, aber auch ein paar TV-Projekte. Außerdem arbeite ich an einem neuen Theaterstück.

Hast du beim Filmemachen etwas gelernt, das du für dich nutzen kannst, wenn du zurück ans Theater gehst?

Sehr viel! Die Erfahrung hat mich sehr verändert, auf Weisen, derer ich mir bewusst bin. Derer ich mir womöglich aber auch nicht bewusst bin. Filmemachen lehrt dich zum Beispiel, unter Druck Entscheidungen zu treffen. Die Erfahrungen, die ich gesammelt habe, werden bei mir sein während meiner weiteren Reise.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person
Lila Neugebauer wurde 1985 in New York City geboren. Sie interessierte sich schon früh für das Theater und studierte Englisch an der Yale University. Seit 2012 hat sie eine Reihe von Theaterstücken inszeniert, darunter The Waverly Gallery, mit dem sie 2018 ihr Debüt am Broadway gab. Im selben Jahr führte sie erstmals fürs Fernsehen Regie und inszenierte eine Folge von Room 104. Ihr Spielfilmdebüt Causeway feierte auf dem Toronto International Film Festival 2022 Weltpremiere.



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