Sein letztes Rennen

Sein letztes Rennen

(„Sein letztes Rennen“ directed by Kilian Riedhof, 2013)

Sein letztes RennenMelbourne, 1956, der Marathon: Noch immer hat Paul Averhoff (Dieter Hallervorden) den Jubel in den Ohren, als er damals bei den Olympischen Spielen als Erster durch die Ziellinie ging. Nur sind seither einige Jahrzehnte vergangen und Paul ist so ziemlich der einzige, der sich noch an diese glanzvolle Zeit erinnern kann. Und von Glanz kann in seinem heutigen Leben auch keine Rede mehr sein, er schafft es kaum mehr, das kleine Häuschen in Schuss zu halten, in dem er mit seiner Frau und langjährigen Trainerin Margot (Tatja Seibt) lebt. Die hat es noch schlimmer erwischt und bricht immer wieder zusammen. Da sich auch Tochter Birgit (Heike Makatsch) nicht um sie kümmern kann, muss ein anderer Ausweg her: letzte Station Altersheim.

Lange hält es der rüstige Rentner dort aber nicht aus; eingesperrt zwischen lustigen Singnachmittagen und dem nicht minder lustigen obligatorischen Basteln von Kastanienmännchen will Paul einfach nur weg, raus, davonlaufen. Und kommt so auf die Idee: warum nicht noch einmal beim Berliner Marathon teilnehmen? Dass das Wahnsinn ist, weiß er insgeheim wohl selbst. Dennoch lässt er sich von niemandem abbringen, von Margot nicht, von Birgit nicht, und von der Betreuerin Frau Müller (Katharina Lorenz) erst recht nicht. Unterstützung erhält er hingegen bald von den anderen Bewohnern des Hauses, die tatsächlich noch wissen, wer er ist und von seinem Enthusiasmus angesteckt zum ersten Mal seit Jahren wieder Lebensfreude spüren.Sein letztes Rennen Szene 1

Ob es schon ein frühes Zeichen für den demografischen Wandel ist oder doch nur eine Frage des Egos, darüber ließe sich streiten. Tatsache ist, dass auffallend viele Filme in der letzten Zeit entstehen, in denen es etwas betagte Schauspieler noch einmal krachen lassen wollen. Ähnlich wie in Zwei vom alten Schlag kehrt auch hier ein früherer Sportprofi im Rentenalter zu seiner einstigen Disziplin zurück, um es den anderen noch einmal zu zeigen. Während Stallone und De Niro aber nie wirklich weg waren, verpflichtete man hier einen Darsteller, den wohl keiner mehr auf dem Schirm hatte: Dieter „Didi“ Hallervorden. Das ist nicht nur deshalb überraschend, weil sich das Urgestein deutscher Komik zwanzig Jahre lang im Kino ziemlich rar gemacht hat. Hinzu kommt: Sein letztes Rennen ist überhaupt keine Komödie, sondern ein überaus ernstes Drama.

Um den Sport an sich geht es nur am Rande und so richtig interessant ist dieser Teil auch nicht. Dass Paul das Unmögliche möglich macht, steht von Anfang an fest, da läuft Sein letztes Rennen schon auf verdammt abgewetzten Bahnen. Und dass die Heldengeschichte teils ziemlich zum Pathos neigt, auch damit muss man leben. Schwer fällt einem das nicht, denn trotz aller Vorhersagbarkeit und der klischeehaften Figuren sieht bald nicht nur das gesamte Altersheim zum einstigen Supersportler auf. Auch als Zuschauer kann man gar nicht anders, als ihn anzufeuern, wenn er gegen alles anläuft. Das Alter. Die Trostlosigkeit. Den Tod.Sein letztes Rennen Szene 2

„Das ganze Leben ist ein Marathon. Die ersten Schritte fallen noch leicht. Du glaubst, nichts kann dich stoppen. Dann kommen die Schmerzen.“

Richtig bewegend wird es immer dann, wenn eben das thematisiert wird: Was heißt es eigentlich, alt zu werden? Alles um dich herum zu verlieren? Deine Nachmittage mit albernen Basteleien auszufüllen, um die Wartezeit zu überbrücken. Die Wartezeit, bis es dann endlich vorbei ist, dein Leben. Dadurch wird Sein letztes Rennen gleichzeitig zu einem Film über die Schattenseiten des Älterwerdens, nicht ganz so grausam wie Liebe, aber mit einigen sehr schönen Szenen.

Da verzeiht man dann, dass andere wie der Auftritt bei Reinhold Beckmann willkürlich und viel zu lang sind, so wie man an mehreren Stellen die Geduld unnötig strapaziert. Einen guten Einstand hat Regisseur Kilian Riedhof mit seinem Kinodebüt auf jeden Fall hingelegt, und die wundervolle Leistung von Hallervorden erinnert daran, dass er von vielen zu Unrecht auf seine Rolle als Blödel-Didi reduziert wird. Bleibt nur zu hoffen, dass er vom Erfolg des Films beflügelt vielleicht wieder häufiger auf die Leinwand zurückkehrt und Sein letztes Rennen nicht allzu wörtlich zu nehmen ist.

Sein letztes Rennen ist seit 28. März auf DVD und Blu-ray erhältlich



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Klischeehafte Figuren und gelegentlicher Pathos hin, überlange Szenen her – Sein letztes Rennen ist ein bewegender Film übers Älterwerden geworden und ein beeindruckendes Comeback von Dieter Hallervorden noch dazu.
7
von 10