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Potato Dreams of America

„Potato Dreams of America“ // Deutschland-Start: 4. August 2022 (Kino) // 7. Oktober 2022 (DVD)

Inhalt / Kritik

Russland in den 1980ern: Vasily (Hersh Powers), der von allen nur Potato genannt wird, und seine Mutter Lena (Sera Barbieri) führen ein unspektakuläres, nicht immer freudvolles Leben in der Sowjetunion. Als der Eiserne Vorhang fällt, führt dies zwar zu einer Reihe von Veränderungen. Und doch, das große Glück will sich nicht einstellen. Dieses hoffen sie später in den USA zu finden. Genauer verschlägt es Lena (jetzt: Marya Sea Kaminski) nach Seattle, um John (Dan Lauria) zu heiraten und mit seiner Hilfe ein besseres Leben zu finden. Potato (jetzt: Tyler Bocock) hadert derweil noch mit seiner Homosexualität, von der niemand etwas erfahren soll. Trost findet er dabei in Filmen, aber auch in Gesprächen mit seinem imaginären Freund Jesus (Jonathan Bennett) …

Auf der Suche nach Freiheit

Zur Zeit steht das Thema wieder überall auf der Agenda: der Konflikt zwischen freien Gesellschaften und autoritären. Als wäre der Krieg zwischen Russland und Ukraine, der zu einem Stellvertreterkrieg zweier Systeme ausgedehnt wurde, nicht genug, rumpelt es gerade auch mal wieder wegen China und Taiwan. Irgendwie ist es da dann doch ganz passend, wenn in dieser Phase Potato Dreams of America bei uns in den Kinos anläuft. Auch hier geht es darum, wie ein Land der Freiheit und ein Land der Restriktionen gegenübergestellt werden. Schließlich wollen hier Mutter und Sohn Russland hinter sich lassen, um in Amerika Freiheit, Liebe und einen Farbfernseher zu finden. Dumm ist nur, wenn dieses Konzept der Freiheit selbst dem Fernseher entnommen ist und nicht immer ganz mit dem übereinstimmt, was außerhalb so stattfindet.

Regisseur und Drehbuchautor Wes Hurley, der hier sein eigenes Leben als Vorlage nimmt, teilt zu dem Zweck den Film in zwei Hälften. In der ersten sehen wir das Duo, wie es sein freudloses Dasein in Russland verbringt, dem es nur in Träumen entkommen kann. Die zweite folgt den etwas älteren Ausgaben in die USA. Potato Dreams of America nutzt dies, um Unterschiede zwischen den beiden Ländern herauszuarbeiten – aber eben auch Gemeinsamkeiten. Eine davon ist, dass Potato mit seiner Homosexualität ein Außenseiter bleibt. Der Traum von der Freiheit stellt sich als ernüchternd heraus, wenn er sowohl an der Schule wie auch daheim Zeuge von Diskrimination ist. Tatsächlich ist es fast schon ironisch, wie sehr John der ebenfalls bigotten Großmutter ähnelt, herrlich verkörpert von der im wahren Leben selbst lesbischen Lea DeLaria (Orange Is The New Black).

Mit Spaß dabei

Überhaupt sind die schauspielerischen Leistungen auf einem hohen Niveau, obwohl dem Publikum die wenigsten hier etwas sagen würden. Die Schauspieler und Schauspielerinnen bringen die notwendige Balance aus Komik und Herz mit, die Hurley hier anstrebt. Erstere kann in Potato Dreams of America spöttisch, teils geradezu sarkastisch sein. Spaß machen beispielsweise die Auftritte von Jonathan Bennett (The Haunting of Sharon Tate) als imaginärem Jesus, der Potato eigentlich in seiner schwierigen Lage helfen soll, stattdessen aber mit Vorliebe vor dem Fernseher herumlümmelt. Der junge Hersh Powers ist sogar eine echte Entdeckung als neugierig träumender Titelheld, der sich dem Zynismus seiner Großmutter entgegenstellt. Er wird es schaffen, so lässt er sie wissen, weil er es mehr will.

Hurley erzählt dies mit einem Augenzwinkern und mittels einer ungewöhnlichen Inszenierung. So benutzt er oft sehr starre Einstellungen, die in ihrer Theaterhaftigkeit an Kollegen wie Wes Anderson oder Roy Andersson erinnern. Nur eine ganze Nummer kleiner natürlich, ganz so kunstvoll sind die Arrangements dann doch nicht. Aber es macht Spaß zuzusehen, so wie insgesamt der Unterhaltungsfaktor stimmt. Die Komödie, die beim South by Southwest Festival 2021 Premiere feierte, ist ein schöner kleiner Geheimtipp. Endgültige Antworten oder Bestätigungen bei dem ewigen Kampf zwischen Ost und West braucht man sich hiervon zwar nicht zu erhoffen. Der Film bleibt auch beim Persönlichen, anstatt tatsächliche Gesellschaftsporträts zu entwerfen. Aber das muss nicht verkehrt sein, wenn das Ergebnis so charmant und sympathisch ausfällt wie hier.

Credits

OT: „Potato Dreams of America“
Land: USA
Jahr: 2021
Regie: Wes Hurley
Drehbuch: Wes Hurley
Musik: Catherine Joy, Joshua Kohl
Kamera: Vincent Pierce
Besetzung: Hersh Powers, Tyler Bocock, Sera Barbieri, Marya Sea Kaminski, Jonathan Bennett, Dan Lauria, Lea DeLaria

Bilder

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Potato Dreams of America
Fazit
„Potato Dreams of America“ erzählt von einer Mutter und einem Sohn, die von Russland in die USA auswandern, wo sie sich ein besseres Leben erhoffen. Der Film ist eine sympathisch-spöttische Komödie, die mit einem gut aufgelegten Ensemble und einer eigenwilligen Inszenierung vom Sehnen und Suchen erzählt, von Bigotterie und Unterdrückung. Aber eben auch vom Ankommen.
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