Italianamerican

Italianamerican

Inhalt / Kritik

Die ersten Werke eines Künstlers, unabhängig vom Medium, in dem er oder sie arbeitet, zeigen meist, nicht nur wie er arbeitet, sondern ebenso, was dieser Mensch für einen Künstler werden wird. Im Medium Film ist es interessanter, besonders die ersten Filme, die Kurzfilme oder die ersten Dokumentationen, eines Regisseurs zu betrachten, statt der weiteren Filmografie, sofern man sich ein Bild von den Themen, Ansätzen und der Ästhetik eines Künstlers machen will. Während im Falle Stanley Kubricks die meisten Kritiker und Filmfans über Filme wie Barry Lyndon, 2001: Odyssee im Weltraum oder Uhrwerk Orange sprechen, sind dessen erste Arbeiten, die Kurzdokumentation Day of the Fight, Flying Padre oder The Seafarers sicherlich wichtige Schritte für den angehenden Filmemacher gewesen und können als eine Art Schlüssel dafür dienen, zu verstehen, was Kubrick schon damals formal wie auch erzählerisch wichtig war, und was sich konstant in seiner Karriere halten wird. Dies gilt natürlich auch für Regisseur Martin Scorsese, dessen Werke Taxi Driver, Wie ein wilder Stier, GoodFellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia und The Wolf of Wall Street in aller Munde sind, dessen Frühwerk aber für viele nach wie vor eine Entdeckung darstellt. Nachdem er seine Ausbildung als Prediger geschmissen hatte, ging der Sohn einer aus Queens stammenden Familie auf die renommierte Tisch School of the Arts, wo er die Kurzfilme What a Nice Girl Like You Doing in a Place Like This?, It’s Not Just You, Murray! und The Big Shave drehte, die zum einen als erste cineastische Gehversuche gelten dürfen, aber ebenso einen Blick eröffnen für das große Talent dieses jungen Mannes, der zwar eindeutig seine Vorbilder im Medium hat, doch ebenso dabei ist, eine eigene Sprache zu entwickeln.

Nachdem er bereits mit Mean Streets und Who’s That Knocking at My Door seine ersten Spielfilme gedreht hatte, welche bereits aufmerksam machten, auf diesen jungen Filmemacher, hatte Scorsese noch lange nicht damit abgeschlossen, sich als Filmemacher zu definieren. Wenn es darum geht, welche Rolle seine kulturellen Wurzeln, die Kindheit und Jugend in Little Italy sowie die Eltern, Catherine und Charles Scorsese, die in vielen seiner Filme kleine Rollen haben, so ist eine Kurzdokumentation wie Italianamerican eine Sichtung wert. Für die Dreharbeiten besuchten Scorsese und sein Team die Eheleute in ihrer Wohnung in Queens, wobei sie vor allem, geleitet durch die Fragen ihres Sohnes, verschiedene Themen diskutieren, von den Hürden der Einwanderung in die USA ihrer Familien, ihrer Reise nach Italien vor einigen Jahren sowie die Art und Weise, wie sich Queen im Laufe der Jahre verändert hat. Darüber hinaus demonstriert Catherine, wie sie Fleischbällchen zubereitet, welche sie der hungrigen Crew und ihrem Mann zusammen mit Pasta und einem grünen Salat letztlich serviert.

Von Generation zu Generation

Wie die US-amerikanische Kritik schreibt, war das Publikum, das Italianamerican auf Filmfestivals sah, „ganz bezaubert“ von der Kurzdokumentation und feierte den Film fast noch mehr als die vorherigen Spielfilme Scorseses. Der ästhetisch an ein Heimvideo erinnernde Film verlässt sich dabei ganz auf die Eheleute Scorsese, ihren natürlichen Charisma, ihre Chemie sowie ihre zahlreichen, facettenreichen Anekdoten, die sie erzählen, wobei sie sich immer wieder gegenseitig ins Wort fallen, einander korrigieren oder sich gar widersprechen, was bisweilen in einem gepfefferten, aber amüsanten Wortgefecht zwischen den beiden mündet. Wie der Regisseur in Interviews bereits mehrfach betonte, scheinen seine Eltern, besonders seine Mutter, ein Verständnis für die Kamera zu haben, sich zu präsentieren und den Zuschauer in ihren Bann zu ziehen, auch wenn die beiden bisweilen etwas unsicher erscheinen. Dem Publikum wird es wahrscheinlich nicht anders gehen als dem Regisseur und der Crew, die schon nach wenigen Minuten keinesfalls nur Beobachter sind, sondern an der Konversation teilnehmen, mit den beiden lachen und scherzen und nicht umhin können, diesen beiden herzlichen Persönlichkeiten zuzuhören.

Über diese Anekdoten erhält der Zuschauer jedoch noch weit mehr, als bereits beschrieben. Wie der Titel bereits andeutet, wird hier eine eine ganze Reihe von Geschichten erzählt, die vielleicht nicht repräsentativ, aber doch zumindest beispielhaft für den nicht immer konfliktfreien Prozess der Integration und der Verwurzelung in der Neuen Welt stehen. Die zahlreichen Fotos und Bilder, welche diese Anekdoten unterstreichen, lassen den Zuschauer teilhaben an dieser Familienhistorie, die teil tragisch, teils lustig, aber nie langweilig ist, und zugleich zeigt, wie nicht nur die neue Umgebung die Scorsese, wie so viele anderen Familien, geprägt hat, sondern sie zugleich diese mitdefiniert haben.

Credits

OT: „Italianamerican“
Land: USA
Jahr: 1974
Regie: Martin Scorsese
Kamera: Alex Hirschfeld, Marc Hirschfeld

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Italianamerican
Fazit
„Italianamerican“ ist eine sehr unterhaltsame, anekdotenreiche Kurzdokumentation Martin Scorseses über seine Eltern, seien Familie und damit seine kulturellen Wurzeln. Innerhalb seiner Filmografie darf man die Dokumentation durchaus als ein Schlüsselwerk ansehen, aber auf jeden Fall als eine Demonstration für den Blick des Filmemachers für Figuren, ihre Welt und ihren Sprachrhythmus.
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