Nawalny
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Nawalny

„Nawalny“ // Deutschland-Start: 5. Mai 2022 (Kino) // 8. Juli 2022 (DVD)

Inhalt / Kritik

Als Alexei Nawalny im Januar 2021 von Deutschland nach Moskau fliegt, ist nicht nur die Aufmerksamkeit all seiner Mitreisenden, sondern die der gesamten Weltöffentlichkeit auf ihn gerichtet. Nachdem im August des Vorjahres ein Giftanschlag auf den russischen Oppositionellen, Aktivisten und Putin-Kritiker verübt worden war, erholte sich dieser für einige Monate mit seiner Familie in Deutschland. Dort kontaktierte ihn der Journalist Christo Grozev des investigativen Recherchenetzwerkes Bellingcat, dessen Nachforschungen wertvolle Informationen zu den Hintergründen des Anschlags offengelegt hatten. Nach anfänglichem Misstrauen erklärten sich Nawalny und sein Team bereit, mit Grozev zusammen zu arbeiten, um gemeinsam mehr über die genauen Umstände von Nawalnys Vergiftung herauszufinden und vielleicht sogar den oder die Täter ausfindig zu machen. Der Dokumentarfilmer Daniel Roher (Once Were Brothers: Robbie Robertson and The Band) hat Nawalny während dieser Zeit mit der Kamera begleitet und Interviews mit ihm, seiner Familie und anderen Beteiligten geführt. Das Ergebnis ist nun eine Dokumentation, die spannend ist wie ein Polit-Thriller aus Hollywood.

Die Zeit nach dem Anschlag

Über seine gesamte Laufzeit bleibt der Film immer dicht an Nawalny; neben seiner Ehefrau Yulia und seinen Kindern sind nur wenige Vertraute und Mitarbeiter zu sehen. Der Kreis an Personen, auf die sich Nawalny verlassen kann, ist klein – umso erstaunlicher ist es, dass er einem Filmteam über mehrere Monate Zugang gewährt hat. Auf den Giftanschlag zurückblickend erzählt Nawalny, er habe sich immer sicherer gefühlt, je berühmter er wurde, habe mit dieser Einschätzung aber falsch gelegen. Die Stunden unmittelbar nach seiner Vergiftung sind von Chaos geprägt. Nicht nur weiß niemand, was genau passiert ist; seine Frau wird nach der Notlandung des Flugzeugs, in dem sich ihr Mann zum Zeitpunkt der Vergiftung befand, zunächst nicht zu ihm durchgelassen, während Ärzte um Nawalnys Leben kämpfen und dessen Mitarbeiter schon dabei sind, erste Nachforschungen zum Geschehen anzustellen. Als Deutschland unter Bundeskanzlerin Merkel seine Hilfsbereitschaft signalisiert, wird Nawalny nach Berlin geflogen, wo er im Krankenhaus betreut wird.

Man könnte die hier nacherzählte Geschichte kaum spannender erfinden, insofern hat der Film ein leichtes Spiel, wenn es darum geht, seine Zuschauer zu fesseln. Er gibt aber auch immer wieder Einblicke in die Beweggründe von Nawalnys Handeln. Auf die Frage, warum er denn nach seiner Genesung schließlich nach Russland zurückkehren möchte, antwortet dieser etwa, er könne Putin nicht von außerhalb des Landes bekämpfen, sondern müsse dies dort tun, wo er die russische Bevölkerung ansprechen und Protest organisieren kann. Die russische Regierung und die Staatsmedien wiederum tun alles, um ihren mächtigsten Kritiker im Land zu diskreditieren. Als der von Nawalny als „netter bulgarischer Nerd“ bezeichnete Christo Grozev an Nawalny und sein Team herantritt, dreht der bis dahin schon keinesfalls langweilige Film noch einmal gehörig an der Spannungsschraube. Wie man es aus Crime-Thrillern kennt, werden nun Zusammenhänge analysiert, Portraitfotos aller für die Tathintergründe relevanten Personen auf ein Whiteboard geklebt und jedes noch so kleine Detail diskutiert.

Die Suche nach dem Täter

Nachvollziehbar wird geschildert, wie das Team um Nawalny und Grozev zu dem Schluss kommt, dass die russische Regierung ein Team von FSB-Agenten dafür bezahlt, um dem russischen Staat unliebsame Personen umzubringen. Schließlich kann sogar ein kleiner Kreis von verdächtigen Personen identifiziert werden, unter denen sich der oder die für Nawalnys Vergiftung verantwortliche Täter befinden müssen. In der spannendsten Szene des Films ruft Nawalny diese unter falschem Namen der Reihe nach an, bis einer von ihnen schließlich völlig ahnungslos alle von Nawalnys Fragen zum Tathergang beantwortet und damit den lange gehegten Verdacht bestätigt. Die Fakten, die bei diesen Nachforschungen zutage gefördert worden sind, waren seit ihrer Veröffentlichung in großen internationalen Medien bekannt; der Film wiederholt sie also lediglich. Wie er aber die Geschichte dahinter aufbereitet und auf gut eineinhalb Stunden verdichtet erzählt, ist hochspannend.

Hin und wieder gibt es auch Momente der Leichtigkeit, in denen man einen Blick auf den Menschen Nawalny erhaschen kann, wenn er etwa mit seiner Frau Pferde füttert oder auf seinem Handy „Call of Duty“ spielt. Meistens aber widmet sich die Dokumentation ganz der Aufklärung des Giftanschlags und Nawalnys Bestreben, das russische Volk über Putin und die Machenschaften seiner Regierung aufzuklären. Wenn erwähnt wird, dass die russischen Medien auf die von Nawalnys Team öffentlich gemachten Hintergründe des Tathergangs nicht einfach einmal mehr bloß mit Schweigen reagieren, sondern alles tun, um das Ganze als lächerlich abzutun und Nawalny als Dummkopf hinzustellen, dann ist das eine kleine Lehrstunde über das Funktionieren von Autokratien. Trotz des unleugbaren Unterhaltungswerts der schier unglaublichen Ereignisse, zieht einen das Ende des Films dann richtig herunter. Denn es ist ja bekannt und damit kein Spoiler, dass Nawalny nach seiner Rückkehr nach Russland sofort verhaftet und weggesperrt wurde. Seinen russischen Landsleuten gibt er am Ende des Films noch die Botschaft mit, nicht tatenlos zu bleiben, um das Böse nicht siegen zu lassen. Spätestens da wird einem wieder einmal bewusst, wie dankbar man dafür sein kann, in Freiheit und Demokratie zu leben – und dass man dieses Privileg aber auch immer wieder aktiv verteidigen muss.

Credits

OT: „Navalny“
Land: USA
Jahr: 2022
Regie: Daniel Roher
Musik: Marius De Vries, Matt Robertson
Kamera: Nikki Waltl

Credits

Trailer

Filmfeste

Sundance 2022
DOK.fest München 2022

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Nawalny
Fazit
„Nawalny“ erzählt eine Geschichte, die man bei einem Spielfilm stellenweise als absurd und unglaubwürdig kritisieren könnte. Sie ist aber hochspannend – und leider wahr.
Leserwertung1 Bewertung
9.9