Das starke Geschlecht
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Das starke Geschlecht

„Das starke Geschlecht“ // Deutschland-Start: 26. Mai 2022 (Kino)

Inhalt / Kritik

Regisseur Jonas Rothlaender (Fado) konfrontiert in seinem Film, der sich zwischen Filmportrait und Aufklärungsfilm bewegt, acht Männer mit Fragen zu ihrer Sexualität und ihrem individuellen Wesen. Dabei dauert es nicht lange und die Baustellen der Männerwelten dringen durch die vereinzelten Monologe an die Oberfläche. Darunter: unerfüllte sexuelle Fantasien, innere Sehnsüchte und Beziehungsprobleme, die sich in die Gedächtnisse der Männer eingebrannt haben. Da wohl nur die wenigsten Menschen freiwillig und gerade vor laufender Kamera über die eigenen sexuellen (Grenz)-Erfahrungen sprechen, kommen zusätzlich anonyme Geschichten zum Einsatz, zu denen sich die Männer äußern. Während sich ein Mann in einem Text über beispielsweise aggressive Tendenzen äußert und wie sich dies auf sein sexuelles Verhalten auswirkt, so bringt dies den Leser vor der Kamera ins Grübeln. Was denken die Herren über ihre anonymen „Brüder“? Und sind die Männer tatsächlich das starke Geschlecht?

Das starke Geschlecht?

Die Debatte über Geschlechterrollen und die generelle Schieflage von Mann und Frau (unabhängig wie diese aussehen mag) beschäftigt nach wie vor die Welt, siehe zuletzt Promising Young Woman. Während dieser jedoch nur auf den Männern herumhackt – bei seiner fragwürdigen Story sicherlich zurecht – so geht Jonas Rothlaender mit einem ganz anderen Anspruch heran. In seinem Dokumentarfilm Das starke Geschlecht will er vielmehr der Männerwelt Gehör verschaffen – ein Punkt, der unter der MeToo Debatte in den letzten Jahren wohl ein wenig in Vergessenheit geriet. Mit aufklärerischer Herangehensweise steht so eine große Frage im Raum: Was denken Männer nach der einen oder anderen brenzligen Beziehung  über die Taten ihrer – zugespitzt gesagt – Leidensgenossen?

Handelt es sich bei der Welt der Männer wirklich um das starke Geschlecht? Auf den ersten Blick nicht wirklich, so will es uns Rothlaender glauben lassen – besonders in Hinblick auf die Wahl der mehr oder weniger gebrochenen Männer, die hier vor laufender Kamera ihr Herz ausschütten. Nach anfänglicher Skepsis und Unsicherheit öffnen sich die Herren jedoch. Voller Ernst und absolut offen, werden so die anonymen Geschichten auf die Goldwaage gelegt. Rothlaenders Werk gleicht damit teilweise einem Assoziationstest, da den Männern nicht viel Zeit gelassen wird, um über das Gelesene nachzudenken. Erste Eindrücke und unmittelbare Reaktionen werden so zum Kernelement der Dokumentation.

Die Coaches von Heute

Interessanterweise sind die männliche Sexualität und das Hinterfragen von stereotypischer Männlichkeit nur zwei Themen unter vielen. Ein großer Pluspunkt, wie sich herausstellt, besonders wenn ein Mann über seine persönlichkeitspsychologische Entwicklung spricht. Wenig überraschend werden dabei auch YouTube-Coaches am Rande erwähnt, die als Vaterersatz – so hat es den Anschein – immer mehr junge Männer auf das Leben vorbereiten und viel aufzuholen haben, was bei der Erziehung in Vergessenheit geriet. So kommt man schnell zu einer hochrelevanten Frage: Was lief hier in den letzten Jahrzehnten schief und wie hat sich Männlichkeit generell im Laufe der Zeit verändert? Eine konkrete Antwort erhält der Zuschauer zwar nicht, dies ist bei den acht Monologen in 100 Minuten aber auch gar nicht möglich. Stattdessen hat man den Eindruck, dass dies der Anfang eines großen Gesamtwerkes ist, da es sicherlich reichlich Material und individuelle Erfahrungsberichte gibt, die man in weiteren Teilen aufgreifen könnte – und dies natürlich für beide Geschlechter.

Verständnis für beide Geschlechter

Auch wenn in Das starke Geschlecht nur Männer zur Sprache kommen, so richtet sich Rothlaenders Werk gleichermaßen an Mann und Frau. Das Gute: Während die Frauen hinzulernen, was in den mysteriösen Herrenköpfen vor sich geht, so wird das männliche Publikum zum Hinterfragen mancher Dinge bewegt. Als Filmportrait über die Probleme, mit denen sich die Männerwelt konfrontiert sieht, ist diese Dokumentation somit ein hervorragender Beitrag zur Debatte der Geschlechter – und ehrlich gesagt fragt man sich sogar, warum es nicht jedes Jahr so einen Film gibt, der zur Aufklärung beiträgt. Gerade im Zeitalter von #MeToo, in dem es den Eindruck erweckt, dass sich die Frauen alleine im Kampf gegen den Rest der Welt befinden, ergibt sich so ein schöner Appell: Die Herren können auch mit am Strang ziehen, um die Kluft zwischen Mann und Frau ein wenig aufzulockern. Durch die ehrlichen und offenen Interviews löst sich so der Dunstschleier der Stereotype auf und es entsteht ein Dialog, der (hoffentlich) für viel Gesprächsstoff nach dem Kinobesuch sorgt.

 

Hinweis: Jonas Rothlaender befindet sich mit seiner Produktion bis Anfang Juli deutschlandweit auf Kinotour.

Credits

OT: „Das starke Geschlecht“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regisseur: Jonas Rothlaender
Drehbuchautor: Jonas Rothlaender
Kamera: Andreas Hartman
Musik: Julius Pollux Rothlaender

Bilder

Trailer

Interview

Wer mehr über Das starke Geschlecht erfahren möchte: Wir haben uns zum Kinostart mit Regisseur Jonas Rothlaender im Interview über den Dokumentarfilm unterhalten.

Jonas Rothlaender [Interview]

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Das starke Geschlecht
Fazit
Dokumentarfilmer Jonas Rothlaender konfrontiert acht Herren mit heiklen Fragen zu ihrer Sexualität und hinterfragt Stereotype von Männlichkeit. Dokumentarisch festgehalten, erhalten wir so einen tiefen Einblick in die männliche Psyche.
Leserwertung19 Bewertungen
7.2