A Circle of Men El Circulo
© DOK.fest München 2022

A Circle of Men

A Circle of Men El Circulo
„A Circle of Men“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Man muss, wenn man sich als Deutscher den Dokumentarfilm El Círculo anschaut, natürlich irgendwann unweigerlich an Herbert Grönemeyers Klassiker Männer von 1984 denken. „Männer können alles“, heißt es darin unter anderem, und obwohl das auch schon damals wohl mindestens halb satirisch gemeint war, zeigt die 37 Jahre später entstandene spanische Dokumentation, wie sich das Konstrukt „Männlichkeit“ im Laufe der Jahrzehnte gewandelt hat. Sie zeigt allerdings auch, dass dieser Wandel noch nicht so weit fortgeschritten ist, wie das manche gerne hätten – und vor allem, dass das sich wandelnde Männlichkeitsbild noch immer viele Fragen und Unsicherheiten hervorruft. Der Filmtitel bezieht sich auf den Männerzirkel, bei dessen Treffen der Zuschauer hier Zeuge sein darf. In verschiedenen Zusammenstellungen treffen sich Männer, um offen über ihre Gefühle, Probleme und Gedanken zu reden, die mit ihrem Dasein als Mann zu tun haben. Sie kommen aus unterschiedlichen Schichten, üben verschiedene Berufe aus und unterscheiden sich in ihrem Alter. Aber alle eint, dass sie das Bedürfnis haben, darüber zu diskutieren, was es für sie bedeutet, Mann zu sein.

Die Schuld des Privilegs

Dass der moderne Mann in Widersprüchen gefangen ist, zeigt sich schon früh im Film an der in der Runde aufkommenden Frage, ob man sich als Mann automatisch schuldig fühlen müsse. Schließlich ist jeder Mann automatisch in einer privilegierten Position – und hat natürlich dennoch seine individuellen Probleme. Darf man über diese also klagen? Oder hat man es als Mann sowieso schon so gut, dass man sich bloß nicht beschweren sollte? Das sind nur die ersten von vielen Fragen, die der Film aufwirft, ohne zu Antworten zu kommen. Einig sind sich die im Stuhlkreis sitzenden Männer jedenfalls in der Überzeugung, dass das alte Bild von Männlichkeit ausgedient hat. Keine Schwäche zeigen, immer hart bleiben, Frauen stets beeindrucken wollen, trinken und angeben – das kann und darf es heute nicht mehr sein, wodurch sich die Rolle des Mannes definiert. Ein anderes Verständnis von Männlichkeit ist nötig.

Auch im Jahr 2022 ist es noch bemerkenswert, wie offen und scheinbar selbstverständlich in El Círculo eine Gruppe von Männern untereinander über Gefühle, Schwächen und Unsicherheiten redet. „Unsicher“ ist überhaupt das Stichwort, das den hier geschilderten Status Quo von Männlichkeit definiert. Was darf man als Mann (noch) tun und sagen? Was bedeutet es heute, Mann zu sein – gerade im Verhältnis zu Frauen und in Zeiten, in denen einem regelmäßig der Begriff „toxische Männlichkeit“ begegnet? Die Teilnehmer des Männerzirkels schildern Alltagserlebnisse und versuchen anschließend, ihre eigenen Rollen darin zu analysieren. Immer wieder zeigt sich, dass der moderne Mann mit einem Bein in der Vergangenheit steckt. Einerseits ist er sich bewusst, dass er alte Ansichten und Verhaltensweisen ablegen muss; andererseits ist es schwer vorstellbar, sich dem männlichen Wettbewerbsgebaren zu entziehen und das Spiel nicht mitzuspielen. Männer sollen Empathie zeigen und sensibel sein, bewundern aber häufig jene Geschlechtsgenossen, die es mit harten Mitteln zu Erfolg bringen.

Bestandsaufnahme zum Thema Männlichkeit

Selbst als männlicher Zuschauer denkt man sich da manchmal, nun macht mal halblang, kocht das Ganze nicht so hoch und überhaupt sind das doch alles ziemliche Luxusprobleme. Oder etwa nicht? Wenn tatsächlich Sätze fallen wie „Wir können dem Biest in uns nicht erlauben, herauszubrechen“, dann möchte man die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Waren wir nicht schon mal weiter? Natürlich kommt auch Leistungsdruck in der Sexualität zur Sprache und sogar das Thema Penisgröße wird ebenfalls kurz abgehakt. So weit, so klischeebeladen also. Was Männer bewegt, ist und bleibt anscheinend äußerst vorhersehbar. Aber vielleicht ist diese Sichtweise auch etwas unfair, schließlich soll die Diskussionsrunde ja ein offenes und möglichst vorurteilsfreies Reden ermöglichen. Da darf eben alles zum Thema werden, was als relevant empfunden wird.

El Círculo liefert eine Bestandsaufnahme zum Thema Männlichkeit im 21. Jahrhundert. Am deutlichsten wird dabei nur, wie undeutlich vieles noch ist. Den Teilnehmern des Männerzirkels mag das Reden sicherlich geholfen haben, für die Zuschauer wirft der Film aber fast nur Fragen auf. Jede davon wäre es wert, im Einzelnen ausführlich diskutiert zu werden. Gegen Ende des Films hält einer der Männer fest, dass die Gruppenmitglieder durch das Reden zwar ihre Probleme nicht lösen, aber wenigstens auch keine neuen schaffen. Das kann natürlich nicht die Antwort darauf sein, was Männlichkeit heute bedeutet und zeigt nur, dass tatsächlich noch großer Rede- und Handlungsbedarf besteht. Man darf an Männer hoffentlich höhere Ansprüche stellen, als einfach keine Probleme zu machen… Doch als dann vor dem Abspann einige Texttafeln mit Gewaltstatistiken eingeblendet werden, denen zufolge kurz gesagt Männer auch heute noch überwiegend Täter und Frauen überwiegend Opfer sind, lässt einen das schlucken. Vielleicht würde man sich von einigen Männern doch erst einmal nur wünschen, sie würden einfach mal keine Probleme mehr machen? Fest steht: es gibt noch viel zu besprechen – sowohl unter Männern als auch im gesamtgesellschaftlichen Dialog.

Credits

OT: „El Círculo“
Land: Spanien
Jahr: 2021
Regie: Iván Roiz, Álvaro Priante
Drehbuch: Iván Roiz, Álvaro Priante
Musik: Olivier Arson
Kamera: Rober Montero

Bilder

Trailer

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A Circle of Men
Fazit
„El Círculo“ zeigt Männer in der Gruppentherapie. Das ist ab und zu erfrischend entwaffnend, manchmal klischeebeladen, wirkt aber offen und ehrlich. Vor allem zeigt sich dabei aber anhand zahlreicher offener Fragen die Unsicherheit, von der das im Wandel begriffene Männlichkeitsbild geprägt ist.
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