Shabu
© Tangerine Tree

Shabu

Shabu
„Shabu“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

In Rotterdam gehört der Sozialbaukomplex De Peperklip zu einem schwierigen und deswegen kontroversen Pflaster der Stadt, in dem vor allem viele sozial schwache Familien sowie Migranten hausen. Verbrechen und Arbeitslosigkeit gehören an der Tagesordnung für die Bewohner, wie auch für die Familie des 14-jährhigen Shabus, kurz für Sharonio, für den bereits seit vielen Jahren feststeht, dass er eines Tages dem Peperklip entkommen möchte. Neben seinen vielen Interessen spielt in erster Linie die Musik, R&B, Hip-Hop, Rap, Soul und Reggae, eine große Rolle in seinem Leben. In den Sommerferien freut er sich darauf, weiter an seiner Musik zu arbeiten, einfach nur zu faulenzen und mit seinem besten Freund einige Abenteuer zu erleben.

Doch dann macht er sich selbst einen Strich durch die Rechnung: Als er mit dem Wagen seiner Großmutter, die Verwandte in ihrer Heimat Suriname besucht, einen Unfall baut, hat vor allem seine Mutter genug von der Tagträumerei ihres Sohnes, der gefälligst selbst für den Schaden aufkommen soll. Als wäre dies nicht schon Strafe genug, dass er anstatt ins Freibad oder ins Musikstudio zu dürfen, nun Eis verkaufen oder im Supermarkt aushelfen soll , spricht nun auch seine Großmutter nicht mehr mit ihm, ignoriert seine WhatsApp-Nachrichten und behandelt ihn wie Luft, wenn sie wieder einmal den Rest der Familie in den Niederlanden anruft. Für Shabu steht fest, dass er schnell einen Plan haben muss, damit er nicht nur die 1200 Euro für den Schaden aufbringen kann, sondern zugleich seiner ganzen Familie beweisen kann, dass er mehr drauf hat, als man ihm zutraut.

Jedoch ist die Arbeit im Supermarkt langweilig und das Ausliefern von Wassereis bei starker Hitze ist erschöpfend, und bringt nur sehr wenig Geld ein, was Shabu über alles stört. Zusammen mit seinem besten Freund beschließt er, eine Party im Viertel zu veranstalten, für die er Eintritt kassieren will. Mit Hochdruck telefoniert er Bekannten hinterher, besorgt einen DJ wie auch Verpflegung für die Gäste, doch sein Unternehmergeist stößt nicht bei allen auf Gegenliebe.

Die Gunst der Stunde

Als 2020 der damals 14-jährige Sharonio Abisoina von seiner Mutter, nachdem er das Auto seiner Großmutter zerstört hatte, zu Hausarrest verdonnert wurde, sah Regisseurin Shamira Raphaëla eine Gelegenheit, die sie unbedingt nutzen wollte. Ihre Dokumentation über den berüchtigten De Peperklip-Bezirk in Rotterdam wurde durch den Teenager, der von seiner Familie und seinen Freunden nur Shabu genannt wird, zu einem völlig anderen Film, da Raphaëla von der Energie und der Kreativität des Jugendlichen fasziniert war, der scheinbar keine Sekunde ruhig sitzen wollte. Mit Shabu entstand dann ein Film, der auf der Berlinale 2022 läuft und welcher einen ungewohnten Blick auf ein Thema eröffnet, was meist von einem niederschmetternden sozialen Realismus geprägt ist.

Dass Shabus echte Mutter, die ebenfalls im Film mitspielt, froh war, ihren Sprössling für einige Zeit in die Obhut von jemand anderen zu geben, kann man irgendwie nachvollziehen, wenn man die ersten Minuten mit dem quirligen Protagonisten dieses Spielfilm-Dokumentarfilm-Hybriden verbracht hat. Ständig scheint er in Bewegung, trommelt auf allen Oberflächen, die er findet, singt, tanzt und rennt, meist in Begleitung seiner Freunde, durch den hermetisch wirkenden De Peperklip, von einer Wohnung in die andere. Motiviert von großen Plänen, irgendwann in Privatjets mit den dazu passenden Outfits zu reisen, ist Shabu ein großer Träumer in einem Umfeld, in dem sich viele das Träumen schon längst verboten haben. So ist der jugendliche Protagonist zwar ausgesprochen anstrengend, doch schnell wird auch deutlich, wie sehr er sich von seiner Umgebung dadurch abhebt und Raphaëlas Film von dessen Energie und Tatendrang angesteckt zu sein scheint.

Ein anderer Blick

Neben Shabu ist De Peperklip, dessen gefängnisartige Struktur, dessen kalter Beton wie auch dessen schieres Ausmaß eine Art zweite Hauptfigur in Shabu, oder vielmehr definieren so etwas wie den Bösewicht. Raphaëlas Film ist, wie die Regisseurin in Interviews betont, keinesfalls eine Form des Eskapismus, der sich vor der Wirklichkeit dieses Lebens versteckt oder diese gar ausblendet. In einigen Szenen kommentieren Shabu und seine Freunde das Ableben von Mitbewohnern, die einer Schießerei zum Opfer fielen oder gar in einem der Aufzüge des Komplexes verblutet sind. Es sind diese sporadischen Schockmomente, die den Zuschauer, wie auch Shabu selbst, dahin zurückbringen, wo er lebt und unter welchen Umständen, doch sie sind kein Grund für ihn, mit dem aufzuhören, was er vorhat und von dem er träumt, ganz im Gegenteil. Die Farben, vor allem aber die Musik, stehen in Shabu immer im Kontrast zu diesem allgegenwärtigen Grau, wie auch die Einstellung der Hauptfigur, sich einfach nicht unterkriegen zu lassen.

In diesem Zusammenhang sind neben den Darstellern in erster Linie zwei Aspekte zu nennen. Zum einen wären dies die Bilder von den Kameraleuten Jurgen Lisse, Jefrim Rothuizen, Gregg Telussa und Rogier Timmermans, welche die Ambivalenz des Ortes einfangen und die kreative Energie Shabus verdeutlichen, doch auf der anderen Seite auch die Musik Michael Varekamps, welche den großen Lebenshunger der Figuren betonen.

Credits

OT: „Shabu“
Land: Niederlande
Jahr: 2021
Regie: Shamira Raphaëla
Drehbuch: Shamira Raphaëla
Musik: Michael Varekamp
Kamera: Jurgen Lisse, Jefrim Rothuizen, Gregg Telussa, Rogier Timmermans
Besetzung: Sharonio Abisoina, Haditscha Abisoina

Bilder

Trailer

Filmfeste

International Film Festival Rotterdam 2022
Berlinale 2022

Kaufen / Streamen

Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.




(Anzeige)

Shabu
fazit
"Shabu" ist ein Hybrid aus Dokumentation und Spielfilm. Shamira Raphaëla zeigt die kreative Energie eines jungen Menschen, der davon träumt, sich von der niederschmetternden Realität seines Umfeldes zu lösen, was dank eines tollen Ensembles bestens funktioniert und zu unterhalten weiß.
Leserwertung2 Bewertungen
10