The Sadness
Szenenbild aus dem Horrorfilm "The Sadness" von Regisseur Rob Jabbaz (© capelight pictures)

Rob Jabbaz [Interview]

Rob Jabbaz ist ein kanadischer Animateur, Drehbuchautor und Regisseur. Bereits früh zog Jabbaz nach Taiwan um, wo er bis heute lebt und arbeitet. Die Mehrheit seiner zahlreichen Animationsfilme, Musikvideos und Werbespots sind dort entstanden. Neben diesen Tätigkeitsfeldern lernte Jabbaz auch, wie man Effekte im Film einsetzt und bearbeitet, was man in vielen seiner Arbeiten sehen kann. Besonders dieser letzte Aspekt seiner Laufbahn sollte ihm von Nutzen sein bei seinem Spielfilmdebüt The Sadness, welches bereits auf zahlreichen internationalen Festivals gelaufen zu ist, wie zuletzt noch auf dem Fantasy Filmfest. Auf dem Fantasia Film Festival war Jabbaz’ Film für den prestigeträchtigen Publikumspreis nominiert und gewann letztlich dem New Flesh Award für das beste Regiedebüt.

Zum Kinostart am 3. Februar 2022 durften wir uns  mit Rob Jabbaz über die unterschiedlichen Reaktionen auf The Sadness, über den Begriff „Zombie“ und über die Parallelen des Films zur Pandemie.

 

Was waren bis jetzt die Reaktionen auf The Sadness oder was hast du bis jetzt von diesen mitbekommen?

Generell sind die Reaktionen, die ich mitbekomme durchweg positiv. Besonders freut es die Menschen, dass ein solcher Film noch gemacht werden kann im Kontext der Filmindustrie und der Pandemie. Darüber hinaus gibt es aber auch jene, die vom Hype um The Sadness angezogen werden und einen „extremen“ Film wie Human Centipede II oder A Serbian Film erwarten. Diese Menschen verlassen dann den Kinosaal mit einer gewissen Enttäuschung. Doch die Mehrheit der Zuschauer mag The Sadness. Sie schätzen, wie konsequent und, wenn man das so sagen kann, ehrlich der Film ist, und dass er sich nicht an moralische Konventionen oder Trends hält, welche die Filmindustrie bisweilen fest im Griff haben.

Wie kommt es eigentlich, dass ein Kanadier einen Horrorfilm in Taiwan dreht?

Das ist eine gute Frage, doch eine gute Antwort habe ich leider nicht wirklich. Ich war wohl zur richtigen Zeit am richtigen Ort und traf einen Produzenten, der einen Horrorfilm mit mir machen wollte, und bereit war, mir das Geld dafür zu geben. In Taiwan lebe ich aber schon sehr lange, genauer gesagt seit 2009. Ich kam hierher, um zu leben und um zu arbeiten. Und eines Tages fand ich mich am Set eines Horrorfilms wieder, der von vielen jetzt schon als einer der besten des Jahres angesehen wird.

Ich habe gelesen, dass du den Begriff „Zombie“ nicht gerne verwendest, wenn es um die Kreaturen in The Sadness geht. Welchen Begriff bevorzugst du und warum?

Der Begriff „Zombie“ ist einfach nicht korrekt im Kontext von The Sadness. Er impliziert, dass eine solche Kreatur nicht mehr nachdenkt und rein auf die motorischen Funktionen des Körpers beschränkt ist. Von daher ergibt es für mich wenig Sinn, diesen Begriff auf die Infizierten in The Sadness anzuwenden. Nichtsdestotrotz haben viele Kritiker den Begriff Zombiefilm in Zusammenhang mit The Sadness verwendet, was sicherlich einfacher zu vermarkten ist. Einige Journalisten fingen an, diesen Begriff zu benutzen und ich habe meinen Frieden damit geschlossen.

Auch um meine eigene Neugier zu befriedigen, würde ich gerne einmal wissen, warum der Film The Sadness heißt?

Zum einen hat dies mit dem Ende zu tun, doch zum anderen auch mit diesem Gefühl der Melancholie, was den gesamten Film durchzieht. Es ist einfach traurig zu sehen, wie eine ganze Nation zusammenbricht und wie Menschen immer aggressiver und destruktiver werden. Mit Sicherheit hat dies auch mit meiner Sicht auf Gewalt zu tun. In der Wirklichkeit ist Gewalt meist banal, während die im Film glorifiziert wird oder zu dessen Unterhaltungswert beiträgt.

Du hast oft gesagt, dass The Sadness inspiriert wurde von der Pandemie und deren Verlauf. Gab es eigentlich einen Moment beim Schreiben oder während des Drehs, an dem dich die Realität eingeholt hat oder auf einmal etwas tatsächlich passierte, was du dir vorher nur ausgedacht hattest?

Die eigentliche Hysterie um die Pandemie begann sechs Monate nach Ende der Dreharbeiten, als auf einmal viele Menschen nicht mehr befreundet waren, weil sie gegensätzlicher Meinung zum Thema Impfung sind oder es zu diesem Thema zu teils sogar körperlichen Auseinandersetzungen kam. Vorher ging es ja eher um Ursachenforschung, also um die Quelle der Pandemie und des Virus. Meiner Meinung nach ist das ein Grund, warum The Sadness bei vielen Zuschauern so gut ankommt. Der Film gibt ihnen die Möglichkeit, ihr eigenes COVID-Trauma und ihre Kämpfe mit Freunden über Sinn und Zweck der Impfung auf diese fiktive Geschichte zu projizieren. Das Drehbuch zu The Sadness schrieb ich Anfang 2020, im April und Mai, als die Pandemie noch nicht so weit fortgeschritten war und niemand ahnen konnte, dass neben den zahlreichen Toten auch noch die Spaltung der Gesellschaft kommen könnte. Die Tatsache, dass der Film nun diese Reaktionen hervorruft und das Trauma der letzten Monate vieler Menschen widerspiegelt, ist reiner Zufall.

Interessant, dass du das so sagst. Besonders Szenen wie die, in der sich Kat, gespielt von Regina Lei, vor ihrem Verfolger zu retten versucht, der auf ihr Flehen nicht eingeht oder gar auf ihre Versuche, ihn zu beruhigen, hatten diesen Effekt. In gewisser Weise erinnert mich so etwas an die anstrengenden Konversationen mit Trollen in den sozialen Medien, die auf vernünftige Argumente nicht mehr eingehen und nur noch Hass und Häme verbreiten.

Als ich diese Szene schrieb, wollte ich den Charakter in einem Konflikt zeigen mit jemandem, der denkt, ihm stehe ihre Zuneigung zu, aus welchem Grund auch immer. Es ging mir darum, eine Situation zu zeigen, die vielleicht viele Frauen sehr gut kennen, wenn sich gegenüber Männern erwehren müssen, die meinen, ihnen stehe diese besondere Form der Zuneigung zu. Im Kontext der Pandemie und allem, was sie mit sich bringt, entstehen dann natürlich Deutungen, wie du sie gerade beschrieben hast, was ich sehr gut verstehen kann.

Kannst du was zu den Effekten in The Sadness sagen und wie diese entstanden sind?

Bei The Sadness habe ich mit IFS Artmaker, einem Special Effects-Studio hier in Taipeh, zusammengearbeitet. Anfangs ließ ich ihnen sehr viel Freiraum, doch es stellte sich schnell heraus, dass sie am besten mit festen Vorgaben seitens des Regisseurs arbeiten, weshalb ich ihnen Skizzen vorlegte, wie ich mir die einzelnen Sequenzen und Szenen vorgestellt habe. Diese Zeichnungen enthielten auch Informationen, beispielsweise über die Kameraeinstellungen, sodass wir besprechen konnten, wie man eine Einstellung am besten filmt, wo man schneidet und wie man einen bestimmten Effekt am besten einbaut. Letztlich lief es auf eine Kombination aus praktischen und computergenerierten Effekten hinaus. In The Sadness ist es wesentlich mehr von letzteren als viele Zuschauer vielleicht meinen, doch es gelang uns, diese gut zu verstecken.

Die Gewaltdarstellung sollte das Extreme der Situation, in der sich die Charaktere befinden, widerspiegeln, weshalb ich sehr früh mit dem Studio festlegte, dass ich eine übertriebene, teils auch unrealistische Darstellung haben wollte. Viele Szenen in The Sadness waren sehr auf den Effekt ausgelegt, sodass es nur logisch erschien, in dieser Hinsicht etwas weiter zu gehen und sich nicht auf eine realistische Darstellungsweise festzulegen.

In diesem Zusammenhang würde ich dich auch fragen, wie es zu dem Design für die Infizierten kam?

In vielen Filmen, nicht nur denen des Horrorgenres, gibt es dieses Bild des grinsenden Bösewichts. Das beste Beispiel ist wahrscheinlich der Joker aus Batman, der lacht, während er jemandem zusieht, wie er leidet. Eine Inspiration für mich war auch Crossed, ein Comic von Garth Ennis und Jacen Burrows, der diese Idee des lächelnden Bösewichts auf die Spitze treibt. Auch wenn es um die Gewaltdarstellung geht, ist Crossed definitiv eine Inspirationsquelle gewesen.

Für die Infizierten recherchierte ich auch, was verschiedene Viren mit dem Körper machen. Hierbei fand ich heraus, dass die Tollwut einen Menschen dazu bringt, sehr viel zu schwitzen und man seine Ausscheidungen nicht mehr kontrollieren kann, bis diese zu einer Art Schleim werden. Wenn in The Sadness sich jemand infiziert, fangen die Augen der Person an zu tränen, bis die Augen irgendwann geschwollen sind und aus ihnen gelber Schleim fließt. Es sieht aus, als würden sie die ganze Zeit über weinen. Für die Maskenbildner hieß das, wir mussten die Augen der Schauspieler entsprechend schminken und ihnen ein Aussehen geben, als würde ihr gesamter Metabolismus in sich zusammenfallen und völlig durchdrehen.

Übrigens gibt es ja immer diese Idee, dass einem Regisseur im Nachhinein einfällt, was eigentlich noch in den Film gemusst hätte oder dass man etwas vergessen hat. Im Falle von The Sadness sind dies Szenen, welche eine Horde Infizierter zeigen und wie sie auf ihre Opfer zustürmen, aber gefilmt mit einer Infrarotkamera. Die Infizierten hätten in grellem Neon-Pink gestrahlt, eben weil, ihr Metabolismus so verrückt spielt und nochmals unterstreicht, wie weit sie sich von den normalen Menschen entfernt haben.

In den letzten Jahren haben wir mit Train to Busan, dessen Fortsetzung Peninsula sowie Get the Hell Out einige sehr gelungene Horror- und Thrillerproduktionen aus Asien gesehen. Glaubst du, dass die asiatische Filmindustrie ein besseres Händchen hat, wenn es um derlei Produktionen geht als Hollywood?

Da bin ich mir nicht sicher und ich glaube noch nicht einmal, dass man allgemein von einer asiatischen Filmindustrie sprechen kann, weil jedes Land diesbezüglich ganz andere Richtlinien hat und sich beispielsweise die koreanische sehr von der chinesischen Filmindustrie unterscheidet. Wenn es etwas gibt, was diese Kulturen eint, dann ist es, dass sie sich, im Gegensatz zu Hollywood oder der europäischen Filmindustrie, nicht diese verdammte Selbstzensur auferlegen oder diese zumindest noch nicht so verbreitet ist.

Die Produktion eines Hollywood-Filmes oder dessen kommerzieller Erfolg kann maßgeblich bestimmt werden von einer wütenden Twitter-Horde, wohingegen man beispielsweise in einem chinesischen Film bestimmte Dinge nicht sagen oder ansprechen darf, da die Produktionsfirma sonst Ärger mit der staatlichen Zensur bekommt. Die einen fürchten sich vor Repressalien, die teilweise sogar in Gefängnisstrafen enden können und die anderen haben zwar auf dem Papier Meinungs- sowie Pressefreiheit, fürchten sich aber davor, dass ein negativer Kommentar eines Fans ihren Profit mindern könnte.

Es ist eine bizarre Entwicklung, die gerade im Westen abläuft. Ich erinnere mich noch daran, wie ich und meine Freunde Zensur mit den US-Sittenwächtern in Verbindung brachten, meist alten Menschen, die an antiquierten Idealen festhielten. Heutzutage sind es vor allem junge Menschen, die auf Twitter, Facebook oder anderen sozialen Medien wüten und es schaffen, dass ein Film zensiert wird oder es gar nicht erst in die Kinos schafft. Die Tatsache, dass eine Form der Zensur für solche Menschen anscheinend cool und probat geworden ist, überrascht mich immer wieder. Hoffentlich ändert sich das auch wieder.

Vielen Dank für das nette Gespräch.



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