Belfast
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Belfast

Inhalt / Kritik

Belfast
„Belfast“ // Deutschland-Start: 24. Februar 2022 (Kino) // 12. Mai 2022 (DVD/Blu-ray)

In den späten sechziger Jahren lebt Buddy (Jude Hill) ein für einen Neunjährigen scheinbar normales Leben in der nordirischen Hauptstadt Belfast. Er interessiert sich für Modellautos, kämpft bewaffnet mit Holzschwert und Mülleimerdeckel gegen die anderen Kinder in seinem Viertel und verliebt sich in der Schule das erste mal in ein Mädchen. Als die Straße, in der Buddy mit seiner Familie wohnt, Schauplatz eines Angriffs gewalttätiger Protestanten wird, beginnt Buddys heile Welt zu bröckeln. Neben dem brodelnden Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten wird die Geldnot von Buddys Eltern (Caitriona Balfe und Jamie Dornan) immer größer. Während seine Eltern einen Umzug in Erwägung ziehen, kommt es für den Neunjährigen nicht in Frage, seine geliebte Heimat zu verlassen.

Persönliche Erinnerungen an eine prägende Zeit

Über dreißig Jahre hielten die Troubles, die bewaffneten Konflikte zwischen Katholiken und Protestanten in Nordirland an. Erst 1998 konnte mit dem Karfreitagsabkommen ein Friedensabkommen geschlossen werden, das nicht zuletzt aufgrund der Umsetzung des Brexits in den letzten Jahren erneut stark ins Wanken geraten ist. Mitten in die Diskussionen über Nordirlands Sonderstatus im Vereinigten Königreich und die Beziehung zur Republik Irland steigt nun Kenneth Branaghs aktueller Film ein. Die Verbindung von Branagh zu den Troubles ist keine, die auf den ersten Blick Sinn ergibt. Regie führte Branagh bisher vor allem bei Shakespeare-Adaptionen wie Hamlet (1996), Viel Lärm um Nichts (1993), Henry V. (1989) oder Hollywood-Produktionen wie Thor, Mord im Orient-Express und unlängst Artemis Fowl. Dennoch ist Belfast sicherlich Branaghs persönlichster Film. Obwohl der Schauspieler und Regisseur vor allem durch sein Wirken in London und Hollywood bekannt wurde, ist er zumindest die ersten neun Jahre seines Lebens in Belfast aufgewachsen. Die Geschichte des neunjährigen Buddy, der sich mit dem Wegzug aus seiner geliebten Heimat konfrontiert sieht, dürfte daher zum größten Teil eine autobiographische sein.

Bilder und Stadt bleiben blass

Nicht nur diese Eigenschaft teilt sich der Film mit dem ebenfalls autobiographischen Netflix-Hit Roma. Ebenso wie Alfonso Cuarons Drama handelt es sich auch Belfast um einen Schwarzweißfilm. Anders als bei Roma schafft es Kameramann Haris Zambarloukos in Belfast nicht, aus den Grautönen magische Bilder zu kreieren. Über weite Strecken wirkt die Bildsprache in Belfast leider unnötig blass. Dass der Film ursprünglich in Farbe gedreht wurde, wird nicht verheimlicht. Neben der Eingangsszene erstrahlt Belfast immer dann in satten Farben, wenn Buddy sich von der Theaterbühne oder der Kinoleinwand verzaubern lässt. Für die Erkenntnis, dass es sich bei diesen Szenen um Schlüsselszenen hält, hätte es die Farbspielerei nicht benötigt. Auch das Szenenbild in Belfast ist stark limitiert. Fast schon bühnenbildartig beschränkt sich das Bühnenbild auf die Wohnstraße von Buddy und seiner Familie. Abgesehen von Aufnahmen von Skyline und Wahrzeichen, die zwischen Szenen überleiten, gibt es keine Möglichkeit, die titelgebende nordirische Hauptstadt durch die Augen der Protagonisten zu erkunden. Was das Arbeiterviertel, in dem sich die Handlung abspielt, von einem im benachbarten Bangor oder dem etwas weiter entfernten Derry unterscheidet, wird nicht deutlich. Angesichts der starken emotionalen Bindung der Hauptcharaktere an die Stadt ist das schon verwunderlich.

Ein starker Newcomer und jede Menge Stars

Durchweg überzeugend ist dagegen das starbesetzte Schauspielensemble, das selbstbewusst vom jungen Newcomer Jude Hill angeführt wird. Hill gelingt es dabei die Rolle des geistreichen, wissbegierigen und charmanten Buddy mit Leben zu füllen wie kaum ein anderer Kinderdarsteller. Die Erzählungen seiner Großeltern, die erste Liebe und die ersten Berührungspunkte mit Leinwand und Bühne erleben die Zuschauer auf bemerkenswerte Art durch die Augen des erst elf Jahre alten Schauspielers. Insbesondere die Harmonie zwischen Jude Hill und Schauspiel-Schwergewicht Judi Dench, die Buddys Großmutter darstellt, ist beeindruckend. Als weiteres schauspielerisches Highlight stellt sich Buddys Mutter, gespielt von Caitriona Balfe, heraus. Balfe füllt insbesondere die Streitszenen mit Jamie Dornan, der ihren Ehemann und Buddys Vater spielt, mit einer unglaublichen emotionalen Breite.

Branaghs Drehbuch ist größtenteils unterhaltsam und abwechslungsreich, gerade die Szenen, in denen Buddy voll und ganz Kind sein darf, überzeugen hierbei besonders. Die Vielzahl an Konflikten garantiert berührende Unterhaltung, auch wenn Buddy in Auseinandersetzungen weniger wie ein Neunjähriger, sondern eher wie die idealisierte Version eines Neunjährigen aus der Sicht eines Erwachsenen wirkt. Etwas mehr Zeit für das Aufdröseln dieser Auseinandersetzungen hätte Belfast durchaus gut getan und für eine insgesamt rundere Story gesorgt.

Schon bevor der Film in die Kinos kommt, sorgt Belfast für Schlagzeilen. Nach einer vielbeachteten Premiere beim Telluride Film Festival in den USA gewann der Film in Toronto den Publikumspreis – eine Ehre, die in den letzten Jahren Oscargewinnern wie Nomadland, Jojo Rabbit und La La Land zuteil wurde. Die schauspielerischen Leistungen und der Unterhaltungswert sind bei Kenneth Branaghs Hommage an seine Kindheit ebenfalls gegeben, ob Szenenbild, Drehbuch und Kamera dabei mithalten können, ist dagegen streitbar.

Credits

OT: „Belfast“
Land: UK
Jahr: 2021
Regie: Kenneth Branagh
Drehbuch:  Kenneth Branagh
Musik: Van Morrison
Kamera: Haris Zambarloukos
Besetzung: Jude Hill, Caitriona Balfe, Jamie Dornan, Ciarán Hinds, Colin Morgan, Judi Dench

Bilder

Trailer

Filmpreise

Preis Jahr Kategorie Ergebnis
Golden Globes 2022 Bester Film (Drama) Nominierung
Beste Regie Kenneth Branagh Nominierung
Bestes Drehbuch Kenneth Branagh Sieg
Bester Nebendarsteller Jamie Dornan Nominierung
Bester Nebendarsteller Ciarán Hinds Nominierung
Beste Nebendarstellerin Caitriona Balfe Nominierung
Bestes Lied Van Morrison Nominierung

Filmfeste

Telluride Film Festival 2021
Toronto International Film Festival 2021
Filmfest Hamburg 2021

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Belfast
Fazit
„Belfast“ markiert einen Wechsel im Filmreportoire von Kenneth Branagh. Nach Shakespeare-Adaptionen und Hollywood-Verfilmungen wagt sich das britische Allroundtalent in „Belfast“ an die teilweise autobiographische Coming-of-Age Geschichte des neunjährigen Buddy. Dabei überzeugen neben dem Newcomer Jude Hill das namhaft besetzte Schauspielensemble, während das Szenenbild und die Kamerabilder zu wünschen übrig lassen.
Leserwertung28 Bewertungen
6.8