Tödliche Entscheidung – Before the Devil Knows You’re Dead
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Tödliche Entscheidung – Before the Devil Knows You’re Dead

Inhalt / Kritik

Tödliche Entscheidung – Before the Devil Knows You’re Dead
„Tödliche Entscheidung – Before the Devil Knows You’re Dead“ // Deutschland-Start: 10. April 2008 (Kino) // 10. Oktober 2008 (DVD)

Für Andy Hanson (Philip Seymour Hoffman) steht fest: Er braucht Geld, möglichst viel, möglichst schnell. Er hat auch schon eine Idee, wie er das anstellen kann. Ein kleiner Juwelierladen, kaum geschützt, dafür gut versichert – der ideale Ort für einen Raubüberfall. Diesen soll wiederum sein ebenfalls finanziell klammer jüngerer Bruder Hank (Ethan Hawke) ausführen. Der ist zunächst gar nicht von der Idee begeistert, plötzlich kriminell zu werden, lässt sich aber letztendlich überreden. Ohne das Wissen von Andy holt er sich jedoch Hilfe bei Bobby (Brian F. O’Byrne), der am Ende den Laden ausrauben soll, während Hank im Wagen bleibt. Eine Entscheidung, die für mehrere tödliche Konsequenzen haben wird …

Ein beeindruckender Schlusspunkt

In den späteren Jahren seiner Karriere war der für Filme wie Die 12 Geschworenen und Mord im Orient-Express gerühmte Regisseur Sidney Lumet keine größere Nummer mehr. Gloria wurde von der Kritik verhöhnt. Find Me Guilty schnitt in der Hinsicht zwar recht ordentlich ab, war aber ein Fiasko an den Kinokassen, auch weil der eigene Verleih kein besonders großes Vertrauen hatte. Umso überraschender war, wie sehr sein finaler Film Tödliche Entscheidung – Before the Devil Knows You’re Dead 2007 gefeiert wurde. Zwar war auch diesem kein übermäßiger kommerzieller Erfolg vergönnt, was bei dem vergleichsweise geringen Budget von 18 Millionen Dollar nicht weiter tragisch war. Für Kritiker und Kritikerinnen war der Thriller aber eine Rückkehr zur alten Form.

Dabei kann man Tödliche Entscheidung kaum klassisch nennen. Schon die Einteilung ins Thrillergenre will irgendwie nicht so ganz passen. Die erste Eigenart die Auffällt: Die Geschichte wird nicht chronologisch erzählt, sondern springt ständig zwischen den Zeiten hin und her. Was bei anderen Filmschaffenden vielleicht der Höhepunkt gewesen wäre, kommt hier gleich zu Beginn, wenn das Publikum mitansehen muss, wie der Überfall auf einen Juwelier in einer Katastrophe endet. Wir haben die erste Leiche, noch bevor wir wissen, worum es überhaupt geht. Erst nach und nach teilt Lumet sein Wissen mit den Zuschauern und Zuschauerinnen, verrät, wer überfallen wurde, wer die Täter sind und wie der Plan zu dem Überfall entstanden ist.

Puzzleteile eines hässlichen Bildes

Damit einher gehen häufige Perspektivwechsel. Die beiden Hauptfiguren sind dabei natürlich schon die beiden Brüder, in den meisten Szenen ist einer von ihnen dabei, wenn nicht gar beide. Doch auch andere kommen zwischendurch zu Wort und liefern wertvolle Puzzleteile fürs Gesamtbild. Vermeintlich klare Verhältnisse erhalten bei Tödliche Entscheidung dadurch auf einmal eine neue Bedeutung. Geschichten entwickeln sich anders als erwartet. Vor allem bei den Figuren tut sich viel, wenn wir sie im Laufe der mehr als 110 Minuten näher kennenlernen. Ans Herz wachsen sie einem dabei nicht unbedingt. Sympathieträger sind in dem Film Mangelware. Vergessen wird man sie aber kaum.

Tatsächlich ist der Raubüberfall zwar der Katalysator für die Ereignisse, von denen der Film erzählt. Der Fokus liegt aber auf den Figuren, auf den Beziehungen untereinander. Die Familie als dysfunktional zu bezeichnen, wäre noch geschmeichelt. Vor allem bei Andy stimmt praktisch gar nichts. Er hasst seinen Vater, von dem er sich nie gewürdigt fühlte. Seinen Bruder beschimpft und unterdrückt er, wann immer er ihn sieht. Nicht einmal die Ehe ist glücklich. Nach und nach legt Tödliche Entscheidung die Schichten frei, zeigt die Wut und die Enttäuschung, die sich über die Jahre aufgebaut hat. Negative Gefühle, die in einer Ausnahmesituation, wie sie der Film beschreibt, nicht unbedingt weniger werden. Stattdessen kommt, mit dem Rücken zur Wand, alles raus. Je schwieriger die Lage, umso größer die Verzweiflung – und umso geringer die Hemmungen.

Das Spiel mit der Eskalation

Die Spannung bei Tödliche Entscheidung besteht deshalb weniger in dem Überfall, sondern in der Frage, welche Konsequenz das für die Figuren haben wird. Wie weit werden sie gehen? Wozu sind sie bereit? Trotz der ständigen Sprünge vor und zurück erhöht Lumet kontinuierlich die Intensität. Der Regisseur lässt die Geschichte eskalieren, mehr und mehr, zeigt, dass unter dem Abgrund ein noch tieferer Abgrund wartet. Das Publikum darf dabei in einer Mischung aus Faszination und Abscheu zusehen, wie sich die Menschen hier selbst und andere zugrunde richten – teils aus Notwendigkeit, teils wie sie es so wollen. Es entsteht eine Spirale, die immer weitere Kreise zieht, immer mehr Opfer erfordert. Ein fataler Automatismus, dessen Anfänge schon lange zurückliegen und der auf bösartige Weise alles zerstört, was in der Nähe ist.

Credits

OT: „Before the Devil Knows You’re Dead“
Land: USA
Jahr: 2007
Regie: Sidney Lumet
Drehbuch: Kelly Masterson
Musik: Carter Burwell
Kamera: Ron Fortunato
Besetzung: Philip Seymour Hoffman, Ethan Hawke, Marisa Tomei, Albert Finney, Aleksa Palladino, Michael Shannon, Amy Ryan

Bilder

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„Tödliche Entscheidung“ erzählt die Geschichte eines missglückten Raubüberfalls, erzählt aber vor allem von den Figuren, die auf die eine oder andere Weise hineingezogen werden. Das Ergebnis ist eine böse Mischung aus Familiendrama und abgründigem Thriller, dessen Spannung in der Frage besteht, wie die zunehmende Eskalation der Ereignisse enden wird.
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