Tagundnachtgleiche
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Tagundnachtgleiche

Inhalt / Kritik

Tagundnachtgleiche
„Tagundnachtgleiche“ // Deutschland-Start: 18. November 2021 (Kino) // 27. Mai 2022 (DVD)

Alexander (Thomas Niehaus) hat einen Schlag bei Frauen. Schlank, muskulös und trotzdem irgendwie verträumt wirkt er wie ein Rätsel auf zwei Beinen. Wie ein sanfter Wolf streift er durch die menschenleere Nacht, auf der Suche nach einem warmen Licht. Tagsüber schraubt er in seiner eigenen kleinen Werkstatt an Fahrrädern herum, seine karge Wohnung wird dominiert von einem Ledersessel und einem Schallplattenspieler. Mit Frauen hat er unverbindliche Affären, ohne zu wissen, wie sich Verliebtsein eigentlich anfühlt, und das mit immerhin 30 Jahren. Doch dann trifft er Paula (Aenne Schwarz) im Varieté „Tagundnachtgleiche“. Er verbringt die Nacht mit ihr, aber kurze Zeit später stirbt sie bei einem Autounfall. An Paulas Grab kommt Alexander mit deren älterer Schwester Marlene (Sarah Hostettler) zusammen, die sich ebenfalls von ihm angezogen fühlt Durch die Gespräche mit ihr lernt er eine andere, realistischere Version von Paula kennen. Trotzdem bleibt Alexander hoffnungslos in die Tote verknallt, die er für die einzig mögliche Liebe seines Lebens hält.

Eine Frau wie ein Engel

In ihrem Langfilmdebüt Regisseurin erzählt Lena Knauss eine Dreiecksgeschichte der besonderen Art: Ein Mann steht zwischen zwei Frauen, einer Toten und ihrer lebendigen Schwester. Dabei verwebt sie Traum und Wirklichkeit, tauscht die tatsächlichen Eigenschaften eines Menschen gegen die Fantasie seines Wesens ein. Im Zentrum steht eine Männerfigur, die eine Art verspätete Pubertät durchmacht – erst himmelhochjauchzend, dann zu Tode betrübt. Nah an der Realität ist das nicht, aber so romantisch, wie das Kino manchmal sein kann. Bald beginnt Alexander nämlich, die tatsächliche Geschichte in seinen Fantasien und Tagträumen umzuschreiben, etwa den Morgen, an dem Paula ihn brüsk abwies. In der fantasierten Alternativ-Variante der Story strahlt sie ihn an, das seitlich einfallende Licht lässt sie wie einen Engel erscheinen, wie die Fee, als die sie im Varieté aufgetreten war, Sternenstaub ins Publikum pustend.

Es sind vor allem diese Wunschbilder, die die starke Seite des Films ausmachen. Kamerafrau Eva Katharina Bühler findet für Alexanders Wunschträume unverbrauchte Bilder jenseits des Kitsches, romantisch und dennoch frisch, überhöht und trotzdem im Bereich des Möglichen. Es ist das Spiel mit dem Licht, die Freude an der Natur, die Liebe zum Detail und die Faszination von Wasser, die visuelle Kraft ausstrahlen. Eine große Strecke des Films gestaltet sich wie ein einziger Tagtraum. Das wirkt umso überzeugender, je weniger noch von den Figuren und den tatsächlichen Problemen verraten worden ist.

Übertriebene Symbolik

„Zwei Schwestern wie Tag und Nacht“ heißt eine Einblendung im Trailer. Zusammen mit dem Filmtitel setzt das Schlagwort den Zuschauer auf die Spur einer Konstruktion hinter der Geschichte. Das gedankliche Gerüst, das die Merkwürdigkeiten der Charakterzeichnung und die Unwahrscheinlichkeit persönlicher Entscheidungen verständlicher macht, hat etwas mit Symbolik zu tun. Die Nacht steht für Geheimnis, Abenteuer, Sprunghaftigkeit. Der Tag hat etwas mit Vernunft, Klarheit und Beständigkeit zu tun. Beide haben ihre Vor- und Nachteile. Nachtmenschen können abstürzen, niemals irgendwo Halt finden. Tagmenschen laufen Gefahr, langweilig zu werden. Ganz platt gesagt: Alexander und Paula haben zu viele nächtliche Anteile in sich, die in sich gefestigte Marlene sehnt sich nach der Nachtseite und könnte zugleich einem Chaoten wie Alexander ein Stück Verlässlichkeit bieten.

Je stärker das Konstrukt hinter den schönen Bildern hervortritt, desto problematischer wird der Film. Dann zeigt sich, dass das Dreiecksdrama einem übergeordneten Bogen folgt und nicht den inneren Antrieben der Charaktere. Alexander schwebt in den Lüften und muss irgendwann auf dem Boden der Tatsachen landen, ob er das will oder nicht. Ihm dabei zuzusehen, zieht sich in die Länge.

Credits

OT: „Tagundnachtgleiche“
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Lena Knauss
Drehbuch: Lena Knauss
Musik: Moritz Schmittat
Kamera: Katharina Bühler
Besetzung: Thomas Niehaus, Sarah Hostettler, Aenne Schwarz, Godehard Giese, Ines Marie Westernströer

Bilder

Trailer

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Tagundnachtgleiche
Fazit
„Tagundnachtgleiche“ ist ein Film mit hellen und dunklen Anteilen. Regisseurin Regie Lena Knauss ist stark im Visualisieren von Stimmungen, aber in puncto Glaubwürdigkeit hat ihre Dreiecksgeschichte Luft nach oben.
Leserwertung124 Bewertungen
4.3
6
von 10