Bād Mā Rā Chāhad Bord Der Wind wird uns tragen

Der Wind wird uns tragen

Inhalt / Kritik

Bād Mā Rā Chāhad Bord Der Wind wird uns tragen
„Der Wind wird uns tragen“ // Deutschland-Start: 30. März 2000 (Kino)

In das entlegene Dorf Siah Dareh verschlägt es eine Gruppe von vier Männern, die eigens von Teheran angereist sind, um einer seltenen Trauerzeremonie beizuwohnen. Um unter den Dorfbewohnern nicht aufzufallen, geben sie sich als Ingenieure aus, welche die Gegend auskundschaften, was besonders Behzad (Behzad Dorani) ausnutzt, um erste Bekanntschaften mit den Bewohnern zu knüpfen. Während seine Freunde irgendwann den ganzen Tag in der kleinen Pension verbringen und Behzad mit diversen Besorgungen für die Mahlzeiten betrauen, will dieser mehr über die alte Frau herausfinden, die im Sterben liegt. Jedoch sind die Informationen, die er erhält widersprüchlich und verwirrend, sodass nicht klar ist, ob die Frau sich auf dem Weg der Besserung befindet oder nicht.

Erschwert wird der Aufenthalt in Siah Dareh noch durch die Lage, die es nicht erlaubt, dass Behzad Anrufe auf seinem Handy entgegennimmt. Schließlich werden die Forderungen seiner Verleger, der Zeitung und schließlich auch seiner Familie immer lauter, das Projekt fallenzulassen, wovon Behzad aber nichts hören will. Stattdessen bemerkt er, wie er sich immer mehr dem Leben der Menschen anpasst, welches wesentlich langsamer ist als jenes in der Stadt er zu einem kleinen, aber nicht unwesentlichen Teil ihrer Gemeinschaft wird.

Warten auf irgendetwas

Da es für Regisseur Abbas Kiarostami immer schwieriger wurde, die Finanzierung für seine Projekte alleine in seiner iranischen Heimat zu gewährleisten, wich er auch für Der Wind wird uns tragen auf einen ausländischen Investor aus, sodass dieser Teil der Produktion gewährleistet war. Auch in dieser beweist er seine Liebe für die Landschaft und Kultur seiner Heimat, was sich nicht nur in den zahlreichen Naturaufnahmen widerspiegelt, sondern sich schon im Titel zeigt, der auf ein Gedicht des von Kiarostami sehr geschätzten Dichter Farough Farrochzad andeutet, dessen Verse der Hauptcharakter immer wieder zitiert. Der Wind wird uns tragen ist ein poetischer Film über unterschiedliche Lebenswege und den Sinn eines Lebens, mit bisweilen Anspielungen auf das Absurde in unserer Welt.

Auch wenn Kiarostami bekannt für seine poetischen Werke ist, gilt in den Augen vieler Kritiker Der Wind wird uns tragen als einer seiner wohl schönsten Filme. Dabei nutzt der Regisseur abermals sehr wenige Mittel, um seine Geschichte zu erzählen, die sich in nur wenigen Sätzen zusammenfassen lässt und gewisse Spuren an die Dramen des Absurden Theaters, beispielsweise von Samuel Beckett erinnert. Ähnlich den Figuren des irischen Dramatikers wirkt auch Behzad irgendwie aus der Zeit gefallen, ein scharfer Kontrast zu der Umgebung, deren Teil er aber sein will aufgrund des Vorhabens eben jene Trauerzeremonie zu fotografieren, was aber partout nicht gelingen will. Ironischerweise ist es immer wieder das Leben, das ihm einen Strich durch die Rechnung macht, scheint die alte Dame von einem Tag auf den anderen wieder guter Dinge zu sein, zu essen und sogar das Bett zu verlassen, wenn man den Äußerungen des Schuljungen Glauben schenken will. Über das Warten kommt Behzad aber mehr und mehr zu einer Wahrnehmung des Lebens um ihn herum, was ihn abermals ironischerweise in dem Ort und bei den Menschen ankommen lässt.

Entschleunigung

Darüber hinaus nutzt der Regisseur das Prinzip der Wiederholung in seiner Inszenierung. Während jeder Tag im Dorf für Behrzad vor allem mit dem Suchen nach Utensilien für das Frühstück und Informationen verläuft, wird sein Erfolg bei diesen Unternehmungen immer wieder verhindert, durch die nach einer Weile durchaus lästigen Anrufe, die ihn zwingen, sich ins Auto zu setzen und auf den nahen Hügel zu fahren. Anfangs noch Verbindungen zu seinem eigentlichen Leben in Teheran, werden auch Behrzad die Telefonate lästig, nicht nur wegen der enervierenden, sich wiederholenden Prozedur, diese entgegenzunehmen. Kiarostami zeigt seinem Zuschauer einen Prozess der Entschleunigung, den dieser, wie auch der Hauptcharakter durchmacht, denn, wie schon in Der Geschmack der Kirsche, gilt die Aufmerksamkeit mehr den Dingen, vor denen wir die Augen verschließen und die wir erst wieder wahrnehmen müssen.

Die schönen Bilder von Kameramann Mahmoud Kalari sind, besonders in Verbindung mit der Filmmusik Mohammad Reza Delpaks, nicht einfach nur Dekor, sondern werden zum Sinnbild für die Veränderung, die in dem Protagonisten vorgeht, der anfangs noch eine durch beschwerliche Aufstiege und verwirrende Gassen bestimmte Landschaft sah, welche aber mit der Zeit ihre wahre Pracht entfaltet.

Credits

OT: „Bād Mā Rā Chāhad Bord“
Land: Iran, Frankreich
Jahr: 1999
Regie: Abbas Kiarostami
Drehbuch: Abbas Kiarostami
Musik: Mohammad Reza Delpak
Kamera: Mahmoud Kalari
Besetzung: Behzad Dorani, Noghre Asadi, Roushan Karam Elmi, Bahman Ghobadi

Trailer

Filmfeste

Venedig 1999
Toronto International Film Festival 1999
International Film Festival Rotterdam 2000

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„Der Wind wird uns tragen“ ist ein schöner, visuell überzeugender Film Abbas Kiarostami über den Sinn des Lebens und wie sehr ein Leben von dem bestimmt ist, wovor wir die Augen verschlossen haben. In seinen Bildern zeigt uns Kiarostami, wie ein Mensch sehen lernt und so zum Leben zurückfindet.
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