Lost in Face
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Lost in Face

Inhalt / Kritik

„Lost in Face“ // Deutschland-Start: 30. September 2021 (Kino)

Die Corona-Pandemie hat den Menschen schmerzlich vor Augen geführt, wie wichtig Gesichter für unseren Alltag sind. Versteckt hinter Masken erkannten wir selbst langjährige Bekannte nicht mehr. Und selbst wenn wir wussten, vor wem wir standen, blieb das Gegenüber ein kleines Rätsel. Jeglicher Mimik beraubt ging ein wesentlicher Teil der zwischenmenschlichen Kommunikation verloren. Ein Lächeln war nicht mehr als ein solches zu erkennen, auch andere Formen der Verbindung waren nicht mehr möglich. Doch während dieser Zustand nur ein vorläufiger ist, die Pandemie irgendwann ein Ende haben wird, da lebt Carlotta in einer fortwährenden Welt der Gesichtslosigkeit. Prosopagnosie heißt die Krankheit, unter der die Frau seit ihrer Kindheit leidet. Eine Krankheit, die verhindert, dass sie Gesichter erkennen kann.

Eine Annäherung über Gespräche

Schon einmal hat Valentin Riedl Carlotta und ihren Zustand zum Thema gemacht, genauer im animierten Kurzfilm Carlotta’s Face von 2018. So ganz kann der Regisseur von der Animationstechnik nicht lassen, immer wieder baut er auch in Lost in Face solche Sequenzen ein. Die meiste Zeit über ist der Dokumentarfilm aber recht klassisch und zeigt die reale Carlotta. Das ist dann zwar weniger dazu geeignet, die Fremdheit anderer Menschen zu verdeutlichen, so wie sie die Protagonistin erlebt. Dafür darf sie im Gegenzug aus ihrer Sicht schildern, gerade auch in Gesprächen, was es für sie bedeutete so zu leben. Der Zugang zum Thema ist also ein anderer, aber nicht minder spannend.

Viele Situationen, die für uns ganz alltäglich sind, werden in ihrer Erzählung zu bizarren Begegnungen. Ein frühes Beispiel ist, wie sie als Schülerin nach der Pause die anderen ihrer Klasse nicht mehr wiederfand, schließlich sahen die alle für sie gleich aus. Besonders hart ist eine andere Passage von Lost in Face, in der Carlotta von der Schwierigkeit erzählte, Freundschaften zu schließen. Denn wie schließt man jemanden ins Herz, den man nicht wiedererkennt? Erst später lernte sie, andere Menschen durch sonstige Merkmale zu unterscheiden. Das konnte beispielsweise der Gang sein oder allgemein die Art und Weise, wie sich jemand bewegt. Auch das Gehör spielt eine größere Rolle: Neben der offensichtlichen Unterscheidung anhand der Stimme gibt es auch andere charakteristische Eigenschaften. Jeder mache seine eigenen Geräusche, so verrät sie an einer Stelle.

Die Geschichte eines Triumphs

Lost in Face ist deshalb auch kein Film, der voller Mitleid den Fokus auf die Entbehrungen und Schwierigkeiten legt. Riedl verschweigt diese zwar nicht und verdeutlicht, mit welchen Hindernissen Carlotta zu kämpfen hat. Aber der Dokumentarfilm zeigt eben auch, wie die Protagonistin mit der Zeit lernte, mit ihren besonderen Umständen zu leben. Wie sie trotz allem Freundschaften schloss, wie sie Selbstporträts anfertigte, ohne sich selbst zu sehen. Gerade dieser künstlerische Aspekt spielt im weiteren Verlauf eine größere Rolle. Nicht nur, dass die Gesichtsblinde immer wieder Bilder anfertigt. Diese werden sogar in einer eigenen Ausstellung gewürdigt.

Der Beitrag vom Filmfestival Max Ophüls Preis 2020 ist deshalb einerseits Porträt einer Krankheit, die den meisten unbekannt sein dürfte und auch zunächst kaum wirklich vorstellbar. Aber Lost in Face macht eben auch Mut und muntert dazu auf, sich von schwierigen Lebenssituationen nicht unterkriegen zu lassen. Denn Carlotta fand ihren eigenen Weg, sowohl zur Natur wie auch zu den Menschen. Das Publikum lernt hier eine Frau kennen, die sich mit allem arrangiert hat und auf ihre Weise glücklich ist. Und das ist etwas, das nicht nur während einer Ausnahmesituation wie der Pandemie inspirierend ist, sondern auch darüber hinaus rührt.

Credits

OT: „Lost in Face“
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Valentin Riedl
Musik: Antimo Sorgente
Kamera: Doro Goetz

Bilder

Trailer

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„Lost in Face“ stellt eine Frau vor, die keine Gesichter erkennen kann, und erzählt von ihrem Alltag und Werdegang. Durch Gespräche wird deutlich, wie selbst gewöhnliche Situationen zu einem Problem werden können. Gleichzeitig ist der Dokumentarfilm ein inspirierender Mutmacher, sich nicht unterkriegen zu lassen.
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9.3