Der schwarze Engel
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Inhalt / Kritik

„Der schwarze Engel“ // Deutschland-Start: 27. Juni 2019 (DVD/Blu-ray)

Auch wenn seine Eltern alles dafür tun, dass ihr 17-jähriger Sohn Carlitos (Lorenzo Ferro) ein aufrechtes, ehrliches Leben führt, ihm ist das reichlich egal. Er will Aufregung, er will Spaß. Immer wieder bricht er bei anderen Leuten ein, nimmt sich dort, was er will. Doch dann trifft er in der Schule auf Ramón (Chino Darín), der selbst aus einem kriminellen Haushalt stammt. Mit seiner Hilfe und unter der Anleitung von Ramons Vater José (Daniel Fanego) werden die Raubzüge immer größer und professioneller. Aber auch brutaler: Es dauert nicht lange, bis sie ihre ersten Menschenopfer fordern.

11 Morde, 17 Raubüberfälle, dazu noch ein paar andere Vergehen – das ist doch eine stolze Bilanz für einen Verbrecher. Vor allem für einen, der gerade einmal zwanzig Jahre alt war, als er geschnappt wurde. Wie viele weitere Gräueltaten er sonst noch begangen hätte, man mag es sich gar nicht vorstellen. Doch es war nicht nur die Brutalität, die den argentinischen Serienmörder Carlos Robledo Puch berühmt machte, sondern auch sein engelhaftes Gesicht, was ihm den Spitznamen Der schwarze Engel einbrachte, wie der Film auch auf Deutsch heißt.

Ganz nah dran an der Fassade

Regisseur und Co-Autor Luis Ortega hat dann auch ein sichtliches Interesse daran, diesen Aspekt besonders hervorzuheben. Immer wieder liegt der Fokus auf dem Gesicht des Jugendlichen, auf seinen blonden Engelslocken, die ihn so unscheinbar und unschuldig erscheinen lassen. Der Kontrast zwischen der Erscheinung von Carlitos und seinen Taten, größer könnte er wohl kaum sein. Das ist natürlich spannend, manchmal auch etwas verstörend, vergleichbar zum Serienmörder-Biopic-Kollegen My Friend Dahmer, wo hinter der braven Fassade die Abgründe lauerten.

Letztere sind für Ortega hingegen nur zweitrangig, Der schwarze Engel gewährt nur selten einen Blick unter die Oberfläche. Seine Motivation für seine Taten wird nie wirklich angesprochen, Geld zumindest scheint ihn kaum bewegt zu haben. Das war mehr der Nebeneffekt seiner Raubzüge, nicht das Ziel. Und auch die zunehmende Eskalation erklärt der Film nicht. Das Krimidrama, das bei den Filmfestspielen von Cannes 2018 debütierte, gefällt sich mehr mit Anspielungen, mit sehnsüchtigen Blicken – von Anfang an ist da eine homoerotische Spannung zwischen Carlitos und Ramón, der aber nie nachgegangen wird. Die auch nicht thematisiert wird.

Viel zu sehen, wenig zu erfahren

Ortega nahm sich nicht nur bei diesem Punkt diverse Freiheiten heraus, eine direkte Wiedergabe der Mordserie aus den frühen 70ern ist das hier nicht. Er verzichtet auch auf die bei Biopics üblichen Texttafeln, die dem Publikum verraten, wie es weiterging. Wer zuvor noch nichts von Carlos Robledo Puch gehört hatte, wüsste nicht einmal, dass Der schwarze Engel auf einer wahren Geschichte basiert. Wobei Geschichte vielleicht auch das falsche Wort ist, so wahnsinnig viel hat der Film gar nicht zu erzählen. Nicht genug zumindest, um die gesamten 114 Minuten zu füllen: Abgesehen von der steigenden Brutalität gibt es kaum eine Entwicklung, stattdessen ein ständiger Wechsel von sexualisierten Raubzügen.

Aber: Der Film ist schick. Sehr schick sogar. Der Beitrag der Fantasy Filmfest Nights 2019 ist eine stylische Rückkehr in die frühen 70er, baut dabei starke Kontraste zwischen farbenfrohem Camp und rauer Brutalität ein. Das mag dann vielleicht nicht reichen, um die gesamte Laufzeit über zu fesseln. Auch der leere Blick von Hauptdarsteller Lorenzo Ferro nutzt sich irgendwann ein bisschen ab. Zumindest aber ist Der schwarze Engel eine Abkehr der üblichen True-Life-Krimis, die sich gegenseitig überbieten bei dem Versuch, möglichst düster zu sein. Der argentinische Film ist da eher ein Rausch, eine Party sogar, bei der am Ende irgendwie alle tot sind.

Credits

OT: „El Ángel“
IT: „The Angel“
Land: Argentinien, Spanien
Jahr: 2018
Regie: Luis Ortega
Drehbuch: Luis Ortega, Sergio Olguín, Rodolfo Palacios
Musik: Moondog
Kamera: Julián Apezteguia
Besetzung: Lorenzo Ferro, Chino Darín, Mercedes Morán, Daniel Fanego, Luis Gnecco, Cecilia Roth

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„Der schwarze Engel“ basiert auf dem Leben des argentinischen Serienmörders Carlos Robledo Puch, dessen engelhaftes Aussehen in einem starken Kontrast zu seinen brutalen Taten stand. Der Film konzentriert sich dann auch auf diese Oberflächlichkeiten, geizt ein wenig mit Informationen und Abwechslung, gefällt sich aber in seinem farbenfrohen, sexualisierten Stilbewusstsein.
6
von 10