
Bislang war es Victor Barelle (Vincent Lindon) gewohnt, dass alles bei ihm glattläuft. Das ändert sich aber eines Tages, als er mit Entsetzen feststellen muss, dass seine Frau ihn verlassen hat, aus heiterem Himmel. Während er noch versucht, mit dieser neuen Situation umzugehen, wartet bereits der nächste Schicksalsschlag auf ihn: Er wird in der Kanzlei gefeuert, wo er als Anwalt arbeitet. Völlig aus der Bahn geworfen, beginnt er, nach Halt zu suchen. Dummerweise sind aber alle anderen mit ihren eigenen Leben mehr als genug selbst beschäftigt. Der Einzige, der Zeit für ihn hat, ist Michou (Patrick Timsit), dem er in einer Bar begegnet. Der kann ebenso gut trinken wie zuhören, ist aber reichlich schräg – und sehr aufdringlich …
Eine Krise als Gesellschaftskritik
Im Laufe ihrer mehrere Jahrzehnte umspannenden Karriere hat die französische Regisseurin und Autorin Coline Serreau an den unterschiedlichsten Filmen gearbeitet. Sehr bekannt war beispielswese ihre Komödie Drei Männer und ein Baby aus dem Jahr 1985, die zwei Jahre später ein prominent besetztes US-Remake erhielt. In eine ganz andere Richtung ging 1996 Der grüne Planet über eine Außerirdische, die zur Erde reist und dort einen ziemlichen Kulturschock erlebt. Dabei benutzte sie Science-Fiction-Elemente, um eine humorvolle Gesellschaftskritik zu kreieren. Deutlich näher am Alltag war das vier Jahre zuvor veröffentlichte Die Krise. Wobei die beiden Filme auf den zweiten Blick doch einiges gemeinsam haben.
So gibt es auch hier einiges an gesellschaftlichen Themen. Anstatt diese aber mithilfe einer Außerirdischen aufzugreifen, steht im Mittelpunkt ein Mann, der selbst Teil der Gesellschaft war – bis er urplötzlich aus dieser geworfen wurde. Normalerweise sind das Ende einer Ehe und Arbeitslosigkeit Stoffe für ein Drama. Serreau macht in Die Krise aber auch daraus eine Komödie. Der Humor besteht dabei oft in den überzeichneten Figuren. Vor allem Michou, der nicht ganz aus dieser Welt zu kommen scheint, ist immer wieder für komische Situationen gut. Aber auch die anderen Leute sorgen für Erheiterung, wenn sie selbst durchs Leben stolpern und vieles nicht so klappt wie gedacht.
Mal albern, mal satirisch
Wobei diese Begegnungen eben nicht nur der Erheiterung dienen, sondern auch einer Auseinandersetzung mit diversen wichtigen Themen. Unter anderem spricht Die Krise, das 1993 einen César für das beste Original-Drehbuch erhielt, über Rassismus, die moderne Medizin, Ernährung und das Alter. Einen roten Faden sucht man bei dieser Vielfalt natürlich vergeblich. Zuweilen hat man fast schon den Eindruck, dass es sich hierbei um einen Episodenfilm handelt, weniger um eine fortlaufende Geschichte. Spaß macht das aber auch in der Form, wenn uns Serreau mitnimmt auf eine Reise durch die (damals) aktuelle Gesellschaft und sich dabei über diverse Entwicklungen und die Menschen lustig macht. Manches davon ist eher albern, anderes satirisch. Nicht jeder Gag ist dann auch wirklich witzig, insgesamt stimmt der Unterhaltungsfaktor aber.
Und natürlich soll das Publikum auch ein bisschen nachdenken dürfen. Wenn der Protagonist auf einmal vor dem Nichts steht und durch das Leben stolpert, fängt er an, sich selbst und seinen bisherigen Verlauf zu hinterfragen. Die Krise ist also schon eine Art Läuterungsfilm, bei dem die Hauptfigur im Stil von Ebenezer Scrooge zu einem besseren Menschen wird. So muss er erkennen, dass seine Egozentrik, die ihm viel Erfolg einbrachte, auch einen Anteil an seinem Unglück hat. Denn wenn alle nur an sich denken, so eine Schlussfolgerung des Films, dann klappt das einfach nicht. Originell ist das zwar nicht, es funktioniert aber mehr als 30 Jahre später noch immer sehr gut. Auch wenn Victor einen kleinen Wandel durchmacht, sehr viel schlauer sind die Menschen seit dieser Zeit nicht geworden.
OT: „La Crise“
Land: Frankreich, Italien
Jahr: 1992
Regie: Coline Serreau
Drehbuch: Coline Serreau
Musik: Sonia Wieder-Atherton
Kamera: Robert Alazraki
Besetzung: Vincent Lindon, Patrick Timsit, Zabou, Catherine Wilkening, Maria Pacôme, Yves Robert, Michèle Laroque
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