
Eigentlich wollten der 16-jährige Jan (Philip Günsch) und sein gleichaltriger Freund Lukas (Marven Gabriel Suarez-Brinkert) nur ein bisschen Zeit miteinander verbringen, ungestört und ohne das Wissen der anderen. Dabei werden sie jedoch Zeugen, wie ein gefesselter Mann (Lucas Gregorowicz) von einer Rockerbande ermordet werden soll, dieser aber den Spieß umdreht und seine Angreifer tötet. Und auch sie selbst schweben nun in Gefahr, müssen schnell weg, da dem Unbekannten ihre Anwesenheit nicht verborgen geblieben ist. Kurze Zeit später übernimmt Kommissarin Helen Severing (Nicolette Krebitz) gemeinsam mit ihrer Kollegin Corinna Will (Lana Cooper) den Fall dieser seltsamen Morde, ohne zu ahnen, dass ihr eigener Neffe Jan ein Augenzeuge ist …
Remake einer norwegischen Thriller-Serie
Eigentlich sollte man meinen, dass es irgendwann auch mal gut ist mit den Krimis und Thrillern im deutschen Fernsehen, wenn Tag für Tag neue Titel ausgestrahlt werden. Aber das Publikum kann offensichtlich nicht genug bekommen, weshalb die Redaktionen unentwegt auf der Suche nach Nachschub sind. Normalerweise verlässt man sich dabei auf die Kreativität der fleißigen Autoren und Autorinnen. Bei Die Augenzeugen machte man es sich etwas einfacher: Die ARD-Produktion nahm sich die norwegische Serie Øyevitne – Eywitness zum Vorbild und adaptierte deren Geschichte. Der Inhalt ist ja ohnehin ganz universell, das funktioniert in beliebigen Settings, auch wenn man sich da immer fragen darf: Warum nicht einfach das Original veröffentlichen, anstatt es nachzuerzählen?
Zumal der Inhalt jetzt auch nicht überragend ist. Das Szenario, dass die Hauptfigur ein Verbrechen beobachtet hat und dadurch selbst in Gefahr schwebt, ist sicher nicht neu. Vielmehr ist das eine im Thrillergenre immer wieder gern verwendete Situation. Aber das muss ja nicht verkehrt sein, solange das Ergebnis spannend ist. Phasenweise ist es das auch. Die Augenzeugen lebt dabei maßgeblich von Hauptdarsteller Lucas Gregorowicz, der als melancholischer Kommissar in Polizeiruf 110 lange auf der Seite des Gesetzes zu sehen war und hier beweisen darf, dass er auch den Seitenwechsel beherrscht. Als eiskalter Killer mit überraschender Identität und einem Talent für geschickte Manipulationen ist er zweifelsfrei der Höhepunkt der Serie.
Stimmungsvoll, aber überfrachtet
Grundsätzlich ist auch der Auftritt von Nicolette Krebitz und Newcomer Philip Günsch (Wir für immer) als durch ein Trauma zusammengeschweißtes Tante-Neffe-Duo sehenswert. Daraus hätte man gut ein Drama machen können, das sich nur mit der Vorgeschichte befasst. Zum Thriller passt das aber nur bedingt. Vor allem ist es ärgerlich, dass da mal wieder ein Zufall dazu führt, dass die ermittelnde Hauptperson persönlich in den Fall involviert ist. Gebraucht hätte es das nicht. Gleiches gilt für den völlig überflüssigen Nebenstrang um eine Erpressung, mit der die Geschichte in Die Augenzeugen in die Länge gezogen wird. Vermutlich hätte der Stoff locker in einen handelsüblichen Film gepasst. Stattdessen gibt es hier dann vier Folgen à 45 Minuten. Das ist zwar nicht viel, aber doch mehr, als es gebraucht hätte.
Dafür gibt es einige stimmungsvolle Settings, im Hinblick auf die Atmosphäre gibt es da nicht viel zu kritisieren. Wer gern rätselt, ist hier hingegen fehl am Platz. Zwar wird das eine oder andere erst später verraten, manche Identität und Motivation nicht sofort enthüllt. Vieles ist aber so früh klar, dass es hier dann eben nicht darum geht, Antworten zu finden. Das Publikum hat sogar einen deutlichen Wissensvorsprung. Spannung erzeugt die Serie vielmehr durch die Frage, ob jemand den Killer aufhalten kann und welche Opfer es bis dahin geben wird. Das absolute Highlight ist Die Augenzeugen aufgrund der überfrachteten Geschichte nicht. Im Kontext der deutschen Fernsehtitel aus diesem Segment kann sich das hier aber durchaus sehen lassen. Man muss dann doch nicht alles neu erfinden.
OT: „Die Augenzeugen“
Land: Deutschland, Österreich
Jahr: 2025
Regie: Anna-Katharina Maier
Drehbuch: Jens-Frederik, Otto Anil Kizilbuga, Michael Vershinin
Musik: Jaro Messerschmidt, Nik Reich
Kamera: Holger Jungnickel
Besetzung: Nicolette Krebitz, Lucas Gregorowicz, Philip Günsch, Marven Gabriel Suarez-Brinkert, Lana Cooper, Michael Kranz, Shenja Lacher, Michele Cuciuffo, Ercan Durmaz, Christoph von Friedl
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