
Schriftstellerin Nicole (Sandra Codreanu), das Webcam-Girl Ruby (Souhella Yacoub) und die Schauspielerin Élise (Noémie Merleant) teilen sich eine Wohnung in Marseille, wo sie über ihr Leben quatschen, sich den einen oder anderen Drink genehmigen und ansonsten die Aussicht von ihrem Balkon genießen. Vor allem die auf die Wohnung gegenüber, wo der heiße Fotograf Magnani (Lucas Bravo) eingezogen ist. Als es zu einem kleinen Malheur bei seinem Auto kommt, lädt der attraktive Fremde die drei zu sich nach Hause ein, wo sie ganz in Ruhe die Sache besprechen wollen. Die Vorfreude auf einen aufregenden Abend ist groß bei den Freundinnen. Noch größer ist aber das Entsetzen, als sie am nächsten Morgen aufwachen und feststellen müssen, dass der Beau tot ist. Aber wie kam es dazu? Und wichtiger noch: Wie werden sie die Leiche wieder los?
Komödie über eine brutale Eskalation
Als Schauspielerin ist Noémie Merlant natürlich ein Star, unter anderem war die Französin in Filmen wie Porträt einer jungen Frau in Flammen und Tár zu sehen. Weniger bekannt ist, dass sie seit einiger Zeit auch weitergehende Ambitionen hat und selbst an Drehbüchern arbeitet und Regie führt. Nach einigen Kurzfilmen gab sie mit Mi iubita, mon amour ihr Langfilmdebüt, das jedoch weniger Aufmerksamkeit erhielt. Hierzulande war das Liebesdrama um einen Junggesellinnenabschied und eine ungewöhnliche Begegnung lediglich auf einem Festival zu sehen, eine offizielle Veröffentlichung fand nie statt. Besser ergeht es da Balconettes, das nach mehreren Festivalteilnahmen nun auch richtig im Kino zu sehen ist. Und das, obwohl die Resonanz auf das zweite Langwerk recht gemischt ist.
Das liegt auch daran, dass dieses nicht ganz leicht einzuordnen ist. Premiere feierte es 2024 in der Sektion „Séances de Minuit“ in Cannes, wo Genrefilme präsentiert werden. Unter anderem war in dem Jahr auch der Psychothriller The Surfer dort zu sehen. Balconettes wird auch immer wieder als Horrorfilm bezeichnet. Ob das nun gerechtfertigt ist oder nicht, darüber lässt sich streiten, da dies nicht der Fokus des Films ist – trotz einer blutigen Leiche und bizarrer Alpträume. Vielmehr ist das hier eine Komödie, wenn die drei Protagonistinnen nach einer turbulenten Nacht in eine Odyssee starten, auf der die verrücktesten Sachen geschehen. Dabei setzt das Drehbuch auf einen schwarzen Humor in Verbindung mit Absurdität und Überzeichnungen. Das Publikum soll darüber lachen, wie hier alles aus dem Ruder gerät und der Versuch, die Kontrolle wieder zu erlangen, eher zum Gegenteil führt.
Reales Thema im Blick
Dabei geht es aber nicht allein darum, die Frauen außer Rand und Band zu zeigen. Im weiteren Verlauf wird wichtig, dass Merlant, die in Zusammenarbeit mit Céline Sciamma das Drehbuch geschrieben hat, durchaus die reale Welt im Blick hat. Vielmehr nimmt sie sich eines wichtigen gesellschaftlichen Themas an, das in den letzten Jahren in vielen Filmen bereits angesprochen wurde. Meistens geschieht dies aber in Form eines Dramas, alternativ auch eines Thrillers. Balconettes macht daraus eine ebenso groteske wie schmutzige Komödie, die das Lachen im Abgrund sucht. Ob das nun angemessen ist oder nicht, ist Ansichtssache. Die eine oder andere Stelle könnte man schon als geschmacklos empfinden.
Sofern man sich auf diesen etwas speziellen Humor einlassen kann, ist das hier aber durchaus amüsant. Zudem ist Balconettes ein Film, den man im Anschluss so schnell nicht wieder vergisst, da er doch eine ganz eigene Atmosphäre hat, die gern ins Surreale geht. Auch visuell hat das Team Interessantes geschaffen, wenn der Film die bedrückende Schwüle veranschaulicht. Mangelnde Spielfreude kann man dem Ensemble sowieso nicht vorwerfen, man nimmt dem Trio schon ab, dass es bei dieser Polonaise in den Abgrund seinen Spaß hatte. Und auch wenn sich dieser nicht zwangsläufig auf das Publikum überträgt, ist es doch irgendwie interessant, was Merlant da auf die Beine gestellt hat.
OT: „Les Femmes au balcon“
Land: Frankreich
Jahr: 2024
Regie: Noémie Merlant
Drehbuch: Noémie Merlant, Céline Sciamma
Musik: Uèle Lamore
Kamera: Evgenia Alexandrova
Besetzung: Noémie Merlant, Souheila Yacoub, Sanda Codreanu, Lucas Bravo, Nadège Beausson-Diagne, Christophe Montenez
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