
Dietrich Bonhoeffer (Jonas Dassler) will etwas von der Welt sehen, als er in die USA geht und dort sein Theologiestudium verfolgt. Teilweise ist er entsetzt von dem, was er dort erlebt, gerade der allgegenwärtige Rassismus gegenüber Schwarzen geht ihm nahe. Er findet aber auch zahlreiche Inspirationen. Als er in den 1930ern in seine Heimat in Deutschland zurückkehrt, erkennt er diese kaum wieder. Die Nationalsozialisten gewinnen an Macht und verbreiten ihre hasserfüllten Weltansichten. Bonhoeffer ist dabei gerade auch von den Kirchen enttäuscht, die in der Situation passiv und mutlos bleiben, nichts gegen das Regime unternimmt. Er selbst will nicht tatenlos zusehen, macht sich in der Öffentlichkeit für die Verfolgten stark, was ihn zur Zielscheibe werden lässt, und agiert auch im Geheimen in einer Widerstandsgruppe …
Fragwürdiges Porträt des Widerstandskämpfers
Bonhoeffer ist einer dieser Filme, bei denen viel um das Drumherum gesprochen wird, weniger um den Inhalt. Das fängt schon damit an, dass eine irisch-belgische Coproduktion die Geschichte eines deutschen Widerständlers erzählt. Für diese wurden dann zwar eine Reihe bekannter deutscher Schauspieler ausgesucht, die in dem Film aber auf Englisch sprechen, die meisten mit deutschem Akzent. Dann kann man sich das mit der Besetzung auch sparen. Vor allem aber die Marketingversuche, das Werk an die rechtsnationalen Christen in den USA zu verkaufen, führt die Ansichten Bonhoeffers ad absurdum, sowohl Experten wie auch die Familie verurteilten den Film. Versuche, von denen sich das deutsche Ensemble selbst distanzierte. Wenn der von Grund auf pazifistische Geistliche mit einer Schusswaffe gezeigt wird, fühlt man sich endgültig wie im falschen Film.
Hinzu kommt, dass Regisseur und Drehbuchautor Todd Komarnicki in mehrfacher Hinsicht die Geschichte umgeschrieben hat. Dabei ist er natürlich nicht der Einzige. Bei Biopics wird in der Regel viel hinzuerfunden, anderes verdichtet, um eine wahrheitsgetreue Darstellung des jeweiligen Lebens geht es da nicht. Bolero etwa interessierte sich kürzlich nicht dafür, das Überlieferte zusammenzufassen, sondern interpretiere und versuchte aufzuzeigen, wie ein kreativer Prozess stattfindet. Insofern lässt es sich prinzipiell verschmerzen, wenn Bonhoeffer sich einige Freiheiten herausnimmt. Nur sollten diese auch etwas bringen, eine Bereicherung darstellen. Hier wird es hingegen eher albern, manches ist fragwürdig. Da ist nichts dabei, das irgendwie interessant wäre, weder im Hinblick auf die Handlung noch die Charakterisierung.
Viel Pathos, kein Tiefgang
Dabei ist Bonhoeffer eine spannende Figur. Da gibt es nicht nur den Widerstand an sich, über den man sprechen kann. Seine diversen theologischen Überzeugungen, die konträr zur Kirche verlaufen konnten. Er wird zudem früh als Pazifist etabliert, der sich selbst dann nicht wehrt, wenn er angegriffen wird. Wenn er später im Untergrund kämpft, hätte man ausgiebig darüber diskutieren können, inwieweit Gewalt eine Notwendigkeit darstellt. Das ist gerade auch in der aktuellen Situation eine potenziell wichtige Debatte. Komarnicki hat aber überhaupt keine Lust auf Diskussionen und inhaltliche Auseinandersetzungen. Wo es beim parallel gestarteten Die Schattenjäger tatsächliche Ambivalenz gibt, man im Anschluss nicht genau sagen kann, ob die Menschen, die Kriegsverbrecher jagen, das Richtige tun, da wird hier eindeutig glorifiziert.
Das ist nachvollziehbar, Bonhoeffer war ein Mensch, der sich für die Schwächsten einsetzte und für seine Überzeugungen mit dem Leben bezahlt hat. Als Vorbild funktioniert das. Nur ist das Ergebnis langweilig, teilweise auch anstrengend. Da gibt es Pathos ohne Ende, aufdringliche Musik, die bleischwer auf allem liegt. Vor allem aber die grauenvollen Dialoge sorgen dafür, dass Bonhoeffer letztendlich unter seinen Möglichkeiten bleibt. Da sind immer wieder Momente dabei, bei denen man sich fragt, ob Komarnicki jemals mit realen Menschen gesprochen hat. Das Ensemble spielt tapfer dagegen an, allen voran Jonas Dassler (Aus meiner Haut). Letztendlich ist aber auch er machtlos gegen das schwache Drehbuch, das dem Film noch mehr schadet als die fragwürdige Vermarktung.
OT: „Bonhoeffer: Pastor. Spy. Assassin.“
Land: Irland, Belgien
Jahr: 2024
Regie: Todd Komarnicki
Drehbuch: Todd Komarnicki
Musik: Antonio Pinto, Gabriel Ferreira
Kamera: John Mathieson
Besetzung: Jonas Dassler, August Diehl, David Jonsson, Flula Borg, Moritz Bleibtreu, Nadine Heidenreich, Patrick Mölleken, Clarke Peters
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)