Könige des Sommers (Kinostart: 6. Februar 2025) erzählt die Geschichte des 18-jährigen Totone (Clément Faveau), der sich nach dem Tod seines Vaters allein um seine 7-jährige Schwester kümmern muss. Das bedeutet viel Verantwortung für den Jugendlichen, dessen Leben bislang vor allem aus dem Feiern mit seinen Kumpels bestand. Er tut sich auch schwer damit, das mit dem Arbeiten klappt zuerst nicht so wirklich. Aber er hat einen Plan: Er will an einem Käsewettbewerb teilnehmen, bei dem es 30.000 Euro zu gewinnen gibt. Dumm nur, dass ihm dafür die notwendige Milch fehlt, von den Erfahrungen ganz zu schweigen. Wir haben uns beim Filmfest Hamburg 2024, wo die charmante Tragikomödie als Eröffnungsfilm lief, mit Regisseurin Louise Courvoisier und Hauptdarsteller Clément Faveau über die Arbeit an dem Film unterhalten.
Louise, könntest du uns etwas über die Entstehungsgeschichte von Könige des Sommers verraten? Wie bist du auf die Idee für den Film gekommen?
Louise Courvoisier: Ich komme selbst aus dem Jura-Gebirge und bin dort groß geworden. Danach bin ich nach Lyon auf die Filmhochschule gegangen, bevor ich zurück in den Jura bin. Mir war klar, dass ich für meinen ersten Film über etwas sprechen möchte, das ich gut kenne und das mir vertraut ist. Außerdem ist der Jura eine Gegend, die filmisch nicht oft dargestellt wird. Deswegen wollte ich mit meinem Debüt diese Gegend vorstellen.
Wie war es für dich, etwas über deine Heimat zu machen und dich noch einmal mit ihr auseinanderzusetzen?
Louise Courvoisier: Es stimmt zwar, dass der Film in der Gegend spielt, aus der ich komme. Gleichzeitig war es für mich wichtig, dass es darin nicht um mich und meine Geschichte gehen sollte. Es stand von vornherein fest, dass es eine fiktive Geschichte würde und die Figuren sich auch selbst einbringen sollen. Deswegen war das für mich weniger eine Auseinandersetzung mit meiner Heimat oder meiner Kindheit. Es ist übrigens auch so, dass nicht nur ich von dort komme. Auch die Darsteller und ein großer Teil des Filmteams stammt aus dem Jura. Es war mir wichtig, dass das alles zusammenkommt und wir gemeinsam diesen Film drehen.
Clément, wie bist du dann hinzugekommen und was hat dich daran interessiert, bei dem Film mitzumachen?
Clément Faveau: Mir hat die Geschichte gefallen und die Szenen, die wir gedreht haben, sind sehr nahe an meinem eigenen Leben. Es hat Spaß gemacht das zu spielen. Dabei hatte ich eigentlich gar keine Lust und habe Louise immer wieder abgesagt. Irgendwann hat sie mich dann doch noch überzeugt.
Louise Courvoisier: Die meisten haben erst Nein gesagt, ich habe am Anfang lauter Absagen bekommen. Die Darsteller, die du im Film siehst, kommen eigentlich gar nicht vom Film und konnten deshalb wenig damit anfangen. Die arbeiten tatsächlich im landwirtschaftlichen Bereich, was mir auch wichtig ist. Ich wollte mit Menschen arbeiten, die wirklich in diesem Leben verankert sind und nicht einfach nur einen Film drehen wollen.
Das heißt, du in der Landwirtschaft arbeitest?
Clément Faveau: Ja, ich bin Landwirt für Geflügel.
Und hattest du Erfahrungen mit Käse?
Clément Faveau: Nein, gar nicht. Das war für mich völlig neu.
Louise Courvoisier: Wir haben deshalb auch einen Coach, der ihn vorher angelernt hat und ihm gezeigt hat, was er tun muss. Wir haben tatsächlich einige Test-Comtés gemacht vor den Dreharbeiten.
Warum überhaupt Käse? Es hätte ja viele Alternativen in der Landwirtschaft gegeben.
Louise Courvoisier: Ich wollte nicht einfach nur einen Film über die Landjugend machen. Da gibt es schon genügend andere Filme, die deren Alltag zeigt. Ich brauchte noch eine Art Abenteuer, es sollte Spannung entstehen. Der Comté ist sehr präsent in der Gegend, aus der ich komme, eigentlich macht fast jeder Käse. Deswegen hatte sich das angeboten, das als Aufhänger für die fiktive Geschichte zu nehmen.
Es hat in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Filmen gegeben, die sich mit dem Landwirtschaft auseinandersetzen, gerade auch aus Frankreich. Die meisten davon sind sehr ernst und zeigen, wie schwierig es ist, in diesem Bereich zu arbeiten und noch davon leben zu können. In Könige des Sommers spielt das alles keine Rolle. Warum hast du dich entschieden, einen so freundlichen Film zu drehen, in dem diese Probleme kein Thema sind?
Louise Courvoisier: Das war tatsächlich ein Ausgangspunkt für mich, warum ich den Film machen wollte. Wenn du dir Filme über die Landwirtschaft anschaust, hast du entweder heitere, banale Komödien oder es sind erdrückende Dramen, die zeigen, wie unmöglich ein solches Leben ist. Genau das wollte ich nicht. Ich wollte einen sehr großzügigen Film. Natürlich gibt es auch bei uns Dramen, die Themen werden zum Teil angesprochen, es geschehen schreckliche Dinge. Aber ich wollte ein normales Leben zeigen. Etwas, das nicht nur schwarz oder weiß ist.
Für deinen Film musstest du dich ja selbst mit der Landwirtschaft beschäftigen. Was hast du für dich daraus mitgenommen?
Louise Courvoisier: Da ich aus diesem Umfeld komme, war mir prinzipiell alles daran vertraut und ich konnte mich entsprechend an allen Stellen einbringen. Etwas Neues hat mir die Arbeit an dem Film daher nicht gebracht. Es ist nicht einfach, einen ersten Film zu drehen. Da ist es besser, wenn du über etwas sprichst, das du gut kennst. Deswegen habe ich mir Sachen ausgesucht, die mir sehr vertraut sind, von denen ich aber wusste, dass das Publikum das nicht kennt. Wenn du etwa den Schönheitswettbewerb der Kühe nimmst: Das ist etwas, das ich gut kenne und einbringen kann, von dem ich aber wusste, dass du es im Kino sonst nie siehst.
Du hast bereits gemeint, dass dein Film weder heitere Komödie noch schweres Drama ist und sich damit von anderen Filmen über die Landwirtschaft unterscheidet. Hat es das leichter oder schwieriger für dich gemacht, andere davon zu überzeugen, gerade auch im Hinblick auf die Finanzierung?
Louise Courvoisier: Schwieriger. Es war nicht einfach, Geldgeber für den Film zu finden. Im französischen Kino gibt es die Vorstellung, dass du Empathie für die Figuren entwickeln können musst. Bei den Gesprächen zur Finanzierung kam deshalb immer wieder die Frage auf: Kann man sich genügend mit der Hauptfigur identifizieren? Totone ist schon etwas ruppig und damit keine so einfache Identifikationsfigur. Aber genau das war mir wichtig. Ebenso das mit der Trauer. Auf dem Land sind Verkehrsunfälle weiter verbreitet als in den Großstädten. Du bist dort auf ein Auto angewiesen, weil du kaum öffentliche Verkehrsmittel hast. Wenn dann noch Alkohol im Spiel ist, kann schnell etwas passieren. Dennoch wird da kaum drüber gesprochen, es gibt da eine gewisse Scham. Im Kino sind wir es gewohnt, dass Trauer frontal angegangen wird. Ich zeige aber eine Geschichte, bei der das eher hintenrum abläuft, bei der die Hauptfigur nicht an der Trauer zerbricht. Das hat es schwer gemacht, Geldgeber zu finden, weil sie mit der Figur nichts anfangen konnten. Und doch ist Empathie möglich. Du entwickelst Empathie gerade für die Schwächen und die Risse einer Figur.
Du hast von den Schwierigkeiten beim Casting gesprochen. Hatte dies Auswirkungen auf die Figuren? Hattest du eine feste Vorstellung, wie die Besetzung sein sollte, oder hat die Besetzung letztendlich die Figuren bestimmt?
Louise Courvoisier: Bei meinen Kurzfilmen hatte ich immer eine feste Vorstellung davon, wer die Figuren spielen wird. Hier war es zum ersten Mal anders. Ich habe beim Schreiben der Figuren an Menschen aus meinem Umfeld gedacht. Leute, die ich kannte, die jetzt aber nicht mehr das Alter gehabt hätten, um diese Rollen spielen zu können. Ich habe beim Casting also nach Leuten gesucht, die das verkörperten, was ich im Kopf habe. Speziell Totone war sehr schwierig, da habe ich sehr lange gesucht. Ich brauchte jemanden, der nervös ist und viel Energie mitbringt. Deswegen hat das lange gedauert. Als ich aber alle besetzt hatte, passte das wunderbar. Ein klein wenig habe ich die Dialoge aber schon umgeschrieben und angepasst, weil ich wollte, dass sie sich alle bei den Dreharbeiten wohl fühlen. Wenn jemand Probleme hatte, haben wir geschaut, wie wir das ändern können. Im Großen und Ganzen stand das aber vorher fest.
Clément, du hattest gemeint, dass du nicht aus dem Film kommst und eigentlich kein Interesse daran hattest. Wie war es am Ende für dich, diesen Film zu machen und vor der Kamera zu stehen?
Clément Faveau: Ich hatte keine Angst vor der Kamera, weil wir vorher lange geprobt haben. Da war immer die Devise: Wir tun so, als wäre keine Kamera da. Das hat gut funktioniert, ich habe die Kamera gar nicht wirklich wahrgenommen beim Dreh.
Louise Courvoisier: Man muss aber auch dazu sagen, dass Clément derjenige ist, der sich am besten reindenken konnte. Er hat gespürt, wie er sich zu bewegen und zu positionieren hat, damit das mit der Kamera funktioniert, sogar besser als viele professionelle Schauspieler.
Und würdest du noch einen zweiten Film drehen wollen?
Clément Faveau: Das kann ich noch nicht wirklich beantworten. Das käme auf die Geschichte an. Geplant ist es erst einmal nicht.
Louise, du hast von den verschiedenen Schwierigkeiten gesprochen, sei es beim Casting oder der Finanzierung. Gab es je einen Moment, an dem du überlegst hast, es einfach bleiben zu lassen und etwas anderes zu versuchen?
Louise Courvoisier: Nein, das war für mich keine Option. Es gibt natürlich Regisseure und Regisseurinnen, die immer an mehreren Stoffen arbeiten und dann das umsetzen, was gerade funktioniert. Bei mir war das anders, ich war komplett auf diese eine Idee fokussiert. Da gab es nichts anderes. Wenn dieser Film nicht geklappt hätte, hätte es für mich keine Alternative gegeben, die ich stattdessen gemacht hätte. Ich hatte schon zwischendurch die Sorge, es nicht zu schaffen. Aber ich hatte zum Glück eine Produzentin, die absolut an das Projekt geglaubt hat und mir immer das Gefühl gegeben hat, dass wir alle Probleme lösen können und es schaffen werden.
Vielen Dank für das Gespräch!
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