
Aufgrund seines Talents als Zeichner hat sich Mr. Neville (Anthony Higgins) ein hohes Ansehen innerhalb der britischen Aristokratie erarbeitet. Von Virginia Hilbert (Janet Suzman), der Gattin eines vermögende Geschäftsmannes, erhält er den Auftrag, zwölf Zeichnungen ihres Anwesens anzufertigen, wofür er als Gegenleistung neben Kost, Logis sowie einem hohen Honorar zudem sexuelle Gefälligkeiten von Mrs Hilbert erwarten darf. Besonders dieses letzte Detail eines Vertrages ist für Neville Grund genug, schon am nächsten Tag mit seiner Arbeit auf dem Anwesen der Hilberts zu beginnen. Während seiner Arbeitszeiten dürfen die Bediensteten und Bewohner des Anwesens den Zeichner nicht stören und schon gar nicht seine Ansicht in irgendeiner Weise stören, was für sehr viel Unmut im Haushalt sowie den vermögenden Gästen der Hilberts sorgt.
Neville ist davon ungerührt, freut er sich doch auf die Stunden am Tage, an denen ihm die Herrin des Hauses gefügig zu sein hat. Jedoch scheinen nicht alle seine Vorgaben zu befolgen, denn schon am zweiten Tag seines Aufenthaltes haben sich Veränderungen in seine Motive eingeschlichen, von einem Bettlaken, das nun mit einem Hemd getauscht wurde, oder eine Leiter, die auf einmal an einer Wand steht. Der Zeichner denkt sich nichts weiter und berücksichtigt die Neuerungen bei seinen Zeichnungen, als dann aber der Herr des Hauses tot aufgefunden wird, erhalten seine Bilder eine ungeahnte Brisanz.
Wissen und Sehen
Bevor Peter Greenaway zu einem der bedeutendsten Filmemacher Großbritanniens wurde, wollte er Maler werden und zog sich dafür mit seiner Familie drei Wochen ins walisische Hay-on-Wye zurück, wo er ein Haus direkt an der Grenze zu England von vielen verschiedenen Ansichten zeichnete. In einem Artikel der britischen Zeitung The Guardian erklärt Greenaway, dass er, ähnlich dem Zeichner in seinem Film, seine Arbeit immerzu unterbrechen musste, sodass schließlich die Prämisse für Der Kontrakt des Zeichners da war. Die Handlung verlegt er in das England des 17. Jahrhundert, einem Zeitalter der großen Anwesen und der Blüte des Imperialismus. Mit Der Kontrakt des Zeichners schuf Greenaway einen seiner bekanntesten Filme, eine Geschichte über den Wert von Kunst und Besitz sowie den Unterschied von Sehen und Erkennen.
Der Beginn von Der Kontrakt des Zeichners ist eine vergnügliche Sicht auf das Denken der Aristokraten und zugleich eine amüsante Zurschaustellung ihres moralischen Verfalls. Bei feinstem Essen und teuren Getränken wird, in sündhaft teuren Kleider und bei gepuderten Perücken, über allerlei Anzügliches und Derbes berichtet, was in direktem Kontrast zu der zur Schau gestellten Pracht steht. Die Anekdote einer Adelsdame über ihre Körperflüssigkeiten und Ausscheidungen steht gleich neben der Geschichte eines Mannes, die vor Schadenfreude und Niedertracht getränkt ist. Schon William Shakespeare hat in seinen Werken immer aufgedeckt, was sich hinter der schönen Fassade des Reichtums verbirgt, doch in Greenaway braucht es keine Wachen oder Narren wie bei den Werken des britischen Dramatiker, denn hier sind sich die adeligen Damen und Herren ihrer Verkommenheit wohl bewusst und tragen dies vor sich her.
Der Günstling Neville hat es sich in dieser Gesellschaft gemütlich gemacht und ihre Verhaltensweisen übernommen, was man an seiner arroganten Haltung sowie seiner Vorliebe für sexuelle Demütigungen und Machtspiele sieht. Das Sittengemälde, sofern man Der Kontrakt des Zeichners so nennen möchte, ist aber nicht nur zum Ansehen, denn bei reiner Betrachtung sieht man zwar, aber erkennt wenig. Die Schönheit, die Pracht und selbst die offensichtliche Derbheit dieser Welt ist eine Kulisse für etwas Tiefliegendes, Dunkles und Rohes oder eben eine Pointe, die keiner wirklich sehen kann, bis es dann zu spät ist. Ironischerweise entgehen ausgerechnet dem Auge des Zeichners die Details, die auf etwas hindeuten, was über das Motiv hinausgeht.
Kunst ohne Substanz
Der Kontrakt des Zeichners ist nichts weniger als eine Studie des genauen Sehens. Dies kann man im Sinne eines Murder Mystery sehen oder als Satire über eine Gesellschaft, in der das Äußere den dunklen Kern einer Person verbirgt. Der Granatapfel, eine Frucht, die am Ende eine besondere Rolle spielt, ist Luxusgut und Falle zugleich, doch fatal ist nur, wenn jemand nicht erkennt, dass er in eine solche Falle getappt ist. Anthony Higgins als Zeichner Neville ist einer, der die Grenzen seiner Welt schon lange nicht mehr sieht, zu sehr haben Anerkennung, Geld und Lustbefriedigung seinen Blick verstellt. Seine Kunst hat keine Substanz und er habe keinerlei Vorstellungsvermögen, heißt es an einer Stelle im Film, was nur einer von vielen clever versteckten Hinweisen in Der Kontrakt des Zeichners ist. Vielleicht ist es aber auch zu leicht, sich in dieser Welt zu verlieren, besonders wegen der Schönheit der Bilder, die Greenaway einfängt und die mehr als einmal als Verbeugung vor der Kunst des 17. Jahrhunderts zu verstehen sind.
OT: „The Draughtman’s Conract“
Land: UK
Jahr: 1982
Regie: Peter Greenaway
Drehbuch: Peter Greenaway
Musik: Michael Nyman
Kamera: Curtis Clark
Besetzung: Anthony Higgins, Janet Suzman, Anne-Louise Lambert, Hugh Fraser, Neil Cunningham
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