
In Rheinstadt wagt man einen Pilotversuch, der weltweit neugierig verfolgt wird. Anstatt weiterhin Straffällige in Gefängnisse zu stecken, sollen sie im Rahmen des Projekt TRUST in einem freien Vollzug wieder in die Gesellschaft integriert werden. Unter den Teilnehmenden des Projekts befinden sich etwa Mark Blum (Johannes Kienast), der wegen Fahrerflucht inhaftiert war, der Sexualstraftäter Jens Föhl (Ulrich Brandhoff) oder der 20-jährige Nader Massad (Youness Abbaz), der immer wieder Schwierigkeiten mit dem Gesetz hatte. Zunächst läuft das Projekt gut, die Stadt steht hinter dem Ansatz. Doch mit der Zeit kommt es zu immer mehr Schwierigkeiten. Die Angehörigen der Opfer, aber auch andere Teile der Bevölkerung protestieren gegen die Freilassung, weshalb die leitende Wissenschaftlerin Petra Schach (Maria Hofstätter) und Bürgermeister Amir Kaan (Steven Sowah) zunehmend mit dem Rücken zur Wand stehen …
Die Suche nach besseren Alternativen
Seit es menschliche Gesellschaften gibt, waren sie Teil davon: Leute, die sich nicht an die Regeln dieser Gesellschaften halten. Das ist natürlich ein Problem, wenn das Miteinander irgendwie funktionieren soll. Für dieses Problem gab es im Laufe der Zeit immer wieder Lösungsansätze. Einer davon: Gefängnisse. Die Kriminellen werden einfach weggesperrt, je größer das Verbrechen, umso länger die Haftzeit. Das Prinzip ist einfach und doch aus mehreren Gründen umstritten, auch weil es verschiedene Motivationen dahinter gibt. Soll die Haft Bestrafung sein? Eine Chance für einen Neuanfang? Schutz für den Rest der Menschheit? Dieser Streit ist einer der zentralen Punkte bei der ARD-Dramaserie A Better Place wenn nach einer Alternative für Gefängnisse gesucht wird. Denn während das Projekt versucht, Bedingungen zu verbessern und die beteiligten Menschen voranzubringen, verletzt dies das Gerechtigkeitsempfinden der anderen.
Überhaupt ist die Serie darum bemüht, möglichst viele Perspektiven einzufangen und damit aufzuzeigen: Es gibt keine einfache Antwort. Das fängt schon bei der Wahl der Kriminellen an. Ist jemand, der eine Frau überfahren und geflohen ist, vergleichbar mit jemandem, der aus rassistischen Gründen einen Jungen erschlagen hat? Wie sieht es mit Sexualstraftätern aus, die sich haben chemisch kastrieren lassen? Hinzu kommen sehr unterschiedliche Einstellungen zur eigenen Schuld, wenn manche aufrichtig bereuen, andere aber der Ansicht sind, nichts falsch gemacht zu haben. A Better Place zeigt auf, wie schwierig es ist, alle in einem System unterzubringen, das allen gerecht werden soll. Da gibt es immer jemanden oder etwas, das nicht passt. Dennoch, so der Appell, der zum Schluss mitgeteilt wird, ist es besser, die Neuerung zu versuchen und nach besseren System Ausschau zu halten, selbst wenn dabei einiges danebengeht und Wege in eine Sackgasse führen.
Zwischen nachdenklich und plakativ
Die Absicht dahinter ist gut. Leider lässt die Ausführung aber die Nuancen vermissen, die anfangs noch gezeigt werden. Das betrifft nicht nur das Finale, das teilweise richtig plump ist. Auch sonst wird es streckenweise arg plakativ. Wenn beispielsweise die Bevölkerung irgendwann Amok läuft oder die Presse zu hetzen beginnt, wird das recht eintönig. Hinzu kommt, dass A Better Place sehr vorhersehbar ist. Man weiß bei den meisten, wie sie sich verhalten werden, was die Wendepunkte sind, wo es zu Krisen kommen wird. Für eine Serie, die so sehr betonen will, wie unberechenbar das menschliche Verhalten ist, ist das Ergebnis zu formelhaft. Immerhin, es bekommen irgendwie alle ihr Fett weg. Wenn das Projekt unweigerlich scheitert, dann haben sie alle ihren Anteil daran. Da werden Projektleitung und Politik, die nicht ausreichend mit der Bevölkerung kommunizieren, ebenso kritisiert wie eine bigotte Gesellschaft und populistische Medien.
Die besten Momente sind aber ohnehin nicht, wenn die Serie sich an einem Gesellschaftsporträt versucht, sondern wenn sie nah bei den einzelnen Menschen und ihren Geschichten bleibt. Die emotionalsten Stränge sind dabei sicherlich der um Mark Blum, der nach seiner Fahrerflucht auch von der eigenen Familie entfremdet ist, sowie Nesrin Gül (Alev Irmak), die daran zerbricht, dass der Mörder ihres Kindes frei ist. Das erinnert an das sehr gute französische Drama All eure Gesichter, das speziell von der Aufarbeitung von Schuld handelte. An dessen Klasse kommt die europäische Coproduktion hier nicht ran, bei der es mehr Hysterie als Tiefgang gibt. Ansätze, über die man im Anschluss weiter nachdenken kann, sind in A Better Place jedoch einige vorhanden.
OT: „A Better Place“
Land: Deutschland, Österreich, Frankreich
Jahr: 2024
Regie: Anne Zohra Berrached, Konstantin Bock
Drehbuch: Alexander Lindh, Karin Kaçi
Musik: Martin Glos, Jasmin Reuter, Christian Ziegler
Kamera: Matthias Fleischer
Besetzung: Maria Hofstätter, Steven Sowah, Katharina Schüttler, Johannes Kienast, Sandra Borgmann, Richard Sammel, Alev Irmak, Ulrich Brandhoff, Youness Abbaz, Aysima Ergün, Cynthia Micas
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