Für Aurora Rodríguez Carballeira (Najwa Nimri) steht fest, dass ihre Tochter Hildegart (Alba Planas) zu Großem bestimmt ist. Zu diesem Zweck hat sie sie erzogen und daheim unterrichtet, ihr ganzes Leben ist darauf ausgerichtet. Einfach ist das aber nicht. Als Aurora bei einer Zeitungsredaktion in Madrid darauf pocht, dass diese einen Beitrag der erst 16-jährigen Hildegart veröffentlicht, ist das Misstrauen groß. Ist es möglich, dass die Teenagerin in so jungen Jahren schon so viel zum Thema weibliche Sexualität zu sagen hat? Später wird der sozialistische Aktivist Abel Velilla (Patrick Criado) zu einer wichtigen Inspiration der Jugendlichen, Hildegart engagiert sich zunehmend selbst aktivistisch, kommt aber auch privat Abel näher – zum Missfallen ihrer Mutter …
Erinnerung an eine junge Aktivistin
Zuletzt gab es auf den Streamingdiensten eine Reihe von Produktionen, welche historische Persönlichkeiten porträtieren und einem, heutigen Publikum näherbringen. Netflix etwa stellte in Joy die Menschen vor, die im Bereich der künstlichen Befruchtung Pionierarbeit geleistet haben. Die RTL+ Serie Ich bin Dagobert erinnerte an den Kaufhauserpresser, der über Wochen die Medien bestimmte. Auch Libre befasste sich mit einem realen Verbrecher, die Geschichte des charmanten Bankräubers Bruno Sulak wurde exklusiv aus Amazon Prime Video veröffentlicht. Ebenfalls dort ist mit Die rote Jungfrau ein weiteres historisches Biopic ins Programm aufgenommen worden. Dieses Mal reisen wir knapp hundert Jahre in die Vergangenheit und lernen eine Aktivistin kennen, die in den frühen 1930ern für Furore sorgte.
So war Hildegart Rodríguez bereits als Teenagerin politisch aktiv, verfasste eine ganze Reihe von Schriften, in denen sie sich mit Sexualität auseinandersetzte. Dass sie damit einige vor den Kopf gestoßen hat, ist klar. Eine freie sexuelle Entfaltung von Frauen, das war damals nicht vorgesehen. Wenn dies auch noch von einer Jugendlichen gefordert wird, hat das endgültig Skandalpotenzial. Bei Die rote Jungfrau werden diese Aktivitäten auch durchaus angesprochen. Sie rücken aber stärker in den Hintergrund. Wo solche historischen Biopics meistens betonen, wie bahnbrechen das Werk von jemandem war, da interessiert man sich hier mehr für das private Leben der Protagonistin. Wer mit diesem vertraut ist, weiß natürlich, warum man diese Entscheidung getroffen hat, denn es war mindestens ebenso bemerkenswert wie die politische Laufbahn der Spanierin.
Grotesk und tragisch
Wer bislang nichts von Hildegart wusste, sollte das vor dem Film auch nicht tun. Die Art und Weise, wie sich das weiterentwickelte, lässt einen immer wieder daran zweifeln, dass das hier wirklich die Wahrheit ist. So grotesk ist das Ganze. Und so tragisch auch. So beschreibt Die rote Jungfrau eine Jugendliche, die von ihrer Mutter dazu auserkoren wurde, die spanische Gesellschaft und insbesondere die Frauen zu befreien. Umso bitterer ist, dass sie selbst nie in den Genuss einer Freiheit kam. Alles wurde ihr von Aurora vorgeschrieben: ihre Gedanken, ihre Einstellungen. Sie durfte sich nicht einmal aussuchen, wen sie liebt, weil das mit den Plänen der Mama kollidierte. Im Grunde gleicht das Drama daher denen, in denen der Nachwuchs auf Höchstleistung getrimmt wird, ohne diesem ein Mitspracherecht einzuräumen. Meistens geht es dann um schulische Errungenschaften, Sport oder Kunst. Hier ist es eben Politik.
Das ist sehenswert und spannend, zeigt auf, wie sich Menschen in etwas verrennen können und gute Absichten zu Fanatismus werden. Was dem Drama jedoch weniger gelingt: die Figuren wirklich spürbar zu machen. Während die Mutter nur durch ihren Wahn und ihre Bevormundung charakterisiert wird, weiß man bei der Tochter bis zum Schluss nicht, wer sie als Individuum war. Das ist natürlich auch die Folge der repressiven Aurora. Es führt aber dazu, dass einen Die rote Jungfrau nur bedingt emotional abholt, da man bis zum Schluss kaum glaubt, dass das real ist. Wer sich aber auf diesen Wahnsinn einlassen kann, erfährt hier von einer Geschichte, die nicht ohne Grund mehrfach verfilmt wurde.
OT: „La virgen roja“
IT: „The Red Virgin“
Land: Spanien
Jahr: 2024
Regie: Paula Ortiz
Drehbuch: Eduard Sola, Clara Roquet
Musik: Juanma Latorre, Guille Galván
Kamera: Pedro J. Márquez
Besetzung: Najwa Nimri, Alba Planas, Aixa Villagrán, Patrick Criado, Pepe Viyuela
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