America
© Laila Films
America
„America“ // Deutschland-Start: 7. März 2024 (Kino)

Inhalt / Kritik

Unter einem neuen Namen lebt Eli (Michael Moshonov) in den Vereinigten Staaten und arbeitet als Schwimmtrainer für Kinder und Jugendliche. Seine Vergangenheit in seiner Heimat Israel hat er schon so gut wie vergessen, als er durch einen Anruf wieder mit ihr konfrontiert wird. Sein Vater ist nach langer Krankheit verstorben und er muss nun zurück nach Tel Aviv, um den Verkauf des Familienhauses zu regeln. Dort angekommen begegnet er seinem alten Freund Yotam (Ofri Biterman), der seiner Freundin Iris (Oshrat Ingedashet) in deren Blumenladen etwas hilft. Die beiden haben als Kinder zusammen schwimmen gelernt und um das Wiedersehen zu feiern, gehen sie an einem Bach schwimmen. Dort kommt es zu einem folgenschweren Unfall, der alles verändert und Eli zwingt, doch in Israel zu bleiben.

Monate später ist Eli immer noch im Haus seiner Eltern und hat einen Job als Schwimmtrainer in einer nahen Badeanstalt angenommen. Um den Garten des Hauses wieder aufblühen zu lassen, engagiert er Iris, die das Angebot annimmt. Während sie sich im Haus des Freundes aufhält, kommt sie Elis Vergangenheit auf die Spur und will mehr über ihr wissen. Letztlich kann sie die Zuneigung zu ihm nicht mehr verbergen.

Ferne Träume

Während sein Spielfilmdebüt The Cakemaker auf Filmfestivals in den USA lief, kam Regisseur und Drehbuchautor Ofir Raul Graizer auf die Idee zu seinem neuen Film America. In seiner Kindheit und Jugend in Israel war Amerika immer ein „ferner Traum“, wie er in Interviews zu dem Film beschreibt, also unerreichbar, verheißungsvoll und schön. Wie schon in seinem ersten Spielfilm geht es um Menschen, die sich ein neues Leben geschaffen haben oder davon träumen, ein solches zu führen, ohne jeglichen Bezug zu ihrer Vergangenheit. Amerika wird zu einem Ort, in dem dies möglich ist, jedoch werden die Figuren von dem eingeholt, was sie eigentlich vergessen oder verdrängen würden.

Das Loslassen und das Wachsen sind zentrale Themen in America. Thomas, der Protagonist in The Cakemaker, eignet sich über das Backen einen Zugang zur Welt, speziell der seines verstorbenen Liebhabers an und hält an so an den Erinnerungen an ihn fest. Im Falle Elis ist es der Wunsch des Loslassen von der Vergangenheit, das sorgenfreie Treiben-Lassen, wie er es seinen Schülern beibringt, die das Wasser als Schutzraum wahrnehmen und diese Umgebung vertrauen sollen. Ebenso ergeht es Iris, die der Floristik und dem Anlegen von Gärten so etwas wie ein neues Leben aufbauen will. Jedoch ist auch dieses Entkommen nur temporär, denn die Konfrontation mit der eigenen Geschichte, vor allem der problematischen Beziehung zu den Eltern erwartet sie auch. Es bleiben ferne Träume der Figuren, kleine Momente des Treiben-Lassens, bis abermals eine Begegnung, ein Blick oder gar ein Bild eine unerwartete Konfrontation, überraschende Gefühle auslöst, was zu einer weiteren Flucht führt, emotional wie auch geografisch. Ofir Raul Graizers erzählerischer Ansatz deutet dies an, verlässt sich auf Bilder und seine Darsteller, sodass viel dem Zuschauer selbst überlassen ist. Der Zuschauer nähert sich, wie auch der Filmemacher selbst, mit einigem Abstand diesen Charakteren, ohne dabei jedoch den Bezug zu ihnen zu verlieren.

Die Vergangenheit überlisten

Wie schon bei seinem vorherigen Film spielt das Taktile und das Erleben eine besondere Rolle in America. War es bei The Cakemaker noch das Backen, sind es hier das Schwimmen und die Beschäftigung mit Blumen und Pflanzen. Graizer und Kameramann Omri Aloni zeigen sehr detailreich die Hingabe der Figuren zu diesen Dingen, insbesondere Iris’ Leidenschaft für Floristik. Das Anbauen, die Pflege und das ästhetisch ansprechende Arrangement werden zu zentralen Themen, was besonders im dritten Akt des Films deutlich wird. Es zeigt sich hier eine Möglichkeit des Neubeginns, der sich arrangiert mit dem Vergangenen und ein neues, gemeinsames Leben aufbaut. In manchen Szenen mag dies arg sentimental daherkommen, doch insgesamt überzeugt die Umsetzung, vor allem in ästhetischer Hinsicht. Dies gelingt auch dank des hervorragenden Ensembles.

Credits

OT: „America“
Land: Israel, Deutschland, Tschechische Republik
Jahr: 2022
Regie: Ofir Raul Graizer
Drehbuch: Ofir Raul Graizer
Musik: Dominique Charpentier
Kamera: Omri Aloni
Besetzung: Oshrat Ingedashet, Michael Moshonov, Ofri Biterman

Bilder

Trailer

Interview

Ihr möchtet mehr über den Film erfahren? Wir haben uns mit Regisseur Ofir Raul Graizer unterhalten. Im Interview zu America sprechen wir über die Idee für den Film, Erinnerungen und Essen.

Ofir Raul Graizer [Interview]

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America
fazit
„America“ ist ein Drama über Fluchtversuche vor der Vergangenheit und die Möglichkeit, sich mit dieser zu arrangieren. Ofir Raul Graizer gelingt ein sensibler und ästhetisch sehr ansprechender Film, der seinem Debüt in nichts nachsteht.
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