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Wayne Carpendale als drängelnder Autofahrer Thomas Kling in der Serie Aufgestaut (© ZDF/Bernd Schuller)

Wayne Carpendale [Interview]

Was tun, wenn auf einmal eine Straße gesperrt ist, weil sich eine Aktivistengruppe festgeklebt hat? Von eben dieser Situation erzählt Aufgestaut. Sechs Folgen lang folgen wir einerseits den Männern und Frauen, die mit dieser Aktion die Bevölkerung und die Politik zu stärkeren Klimaschutz-Maßnahmen zwingen wollen, aber auch den Leuten, die nun nicht mehr mit dem Auto weiterkönnen. Wayne Carpendale spielt einen dieser Blockierten, die auf einmal weder vor noch zurück können. Anlässlich der Ausstrahlung auf ZDFneo haben wir uns mit dem Schauspieler über die Arbeit an der Serie und seine eigenen Ansichten zu den kontroversen Maßnahmen unterhalten.

Was hat dich an Aufgestaut gereizt? Warum wolltest du bei der Serie mitmachen?

Ich fand es spannend, auch fiktional an einer aktuellen Diskussion teilzunehmen. Normalerweise dauert die Realisation einer solchen Serie von der Idee bis zur Ausstrahlung mindestens ein Jahr. Wenn es um ein zeitgeschichtliches Ereignis geht, ist das egal. Aber um zu einer laufenden Debatte was Relevantes beizutragen, musst Du zeitlich ganz nah dran sein. Und das ist uns mit dieser Instant-Fiction-Serie, die in wenigen Monaten entstanden ist, absolut gelungen. Denn von den Klimaklebern lesen wir nach wie vor fast täglich in der Zeitung. Und das, was wir in der Serie erzählen, ist gerade heißdiskutierter Alltag auf Deutschlands Straßen.

Dann kommen wir auf deine Figur zu sprechen. Wen spielst du?

Ich spiele Thomas Kling. Der ist gerade mit dem Auto unterwegs zu seiner vierjährigen Tochter, der es nicht gut geht und die im Kindergarten auf ihn wartet. Er kommt dann aber nicht durch, weil eine Protestaktion von Klimaklebern ihm den Weg versperrt, woraufhin er komplett austickt. Auch von solchen Charakteren lesen wir zurzeit viele Geschichten in der Zeitung. Einige von Ihnen werden einfach nur laut, andere gewalttätig. Ich finde die Serie erzählt wahnsinnig gut, wie es den Klimaklebern um das große Ganze geht – sie wollen die Welt retten. Wenn du aber, weil sie dir den Weg versperren, dein Kind nicht abholen kannst, Gefahr läufst, deinen Job zu verlieren oder einen wichtigen Termin verpasst, dann ist das für dich als Individuum in dem Moment einfach existenzieller.

Und wie war es für dich, mal so richtig ausrasten zu dürfen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen?

Das war tatsächlich ein großer Spaß! Wir haben in München-Schwabing gedreht, wo ich auch selbst wohne. Ein Kumpel, mit dem ich jeden Tag trainiere, ist während des Drehs an mir vorbeigeradelt und wollte mich schon beruhigen. So ging es auch anderen, die nicht sofort erkannt haben, dass wir da filmen. Einige haben sich dann lauthals auf die Seite der Klimakleber geschlagen oder auf sie geschimpft. Das alles wirkte dadurch sehr real, zumal es noch ein richtig heißer Tag war. Mein Hemd war komplett durchgeschwitzt und wir waren alle am Limit. Das hat dann auch sehr geholfen, sich in die Situation hineinzuversetzen und nachzuempfinden, wie es jemandem geht, der da feststeckt. Ich bin allerdings froh, dass mein fünfjähriger Sohn mich nicht am Set besucht hat. Dem hätte ich nicht wirklich erklären können, warum ich so übelst fluche und ausraste.

Du hast schon erwähnt, dass die Leute, die mit ihren Autos feststecken, nachvollziehbare Anliegen haben. Gleichzeitig haben die Klimakleber ein Anliegen, gegen das man auch nicht wirklich etwas sagen kann. Wie bringt man beides unter einen Hut?

Jedenfalls nicht durch Straftaten – weder durch Beschädigung von Eigentum, Blockieren von Rettungsgassen, noch durch Selbstjustiz oder Körperverletzung. Ich war tatsächlich vor ein paar Monaten auch mal Zeuge von so einer Aktion, damals als Passant. Da habe ich beobachtet, wie schnell sich die Menschen drumherum auf eine Seite schlugen, was jede vernünftige Diskussion unmöglich machte. Das habe ich auch bei Interviews zu Aufgestaut gemerkt. Da wurde ich oft gleich zu Anfang gefragt, auf welcher Seite ich stehe. Ich glaube, wir finden nur zueinander und kommen nur weiter, wenn wir lernen, wieder einander zuzuhören, statt nur mit dem Finger aufeinander zu zeigen. Man kann die Welt nicht einfach in Gut und Böse unterteilen, dafür ist die meisten Themen viel zu komplex. Und das zeigt die Serie erstaunlich gut. Man lässt sich auf die Geschichte ein und versteht irgendwie alle Charaktere. Vor allem sieht man aber fassungslos dabei zu, wie alle aneinander vorbeireden. Und das gibt dem Zuschauer die Ruhe mal über alles nachzudenken und eigene Schlüsse zu ziehen.

Hat sie dir denn geholfen, Schlüsse zu ziehen?

Auf jeden Fall. Es tat gut, sich mal in die verschiedenen Persönlichkeiten, die bei so einer Aktion aufeinandertreffen, hineinzuversetzen. Wie fühlt sich ein Polizist, der weiß, dass das jetzt gar keinen Sinn macht, die Klimakleber hier mit Öl von der Straße zu holen, weil sie morgen wieder woanders kleben? Wie fühlt sich der Botenfahrer, der seinen Job verliert, wenn er seine Pakete nicht ausliefern kann? Wie fühlt sich der Klimakleber, der überzeugt davon ist, das Richtige für die Allgemeinheit zu tun? Man kann sich durch diese Serie auf die Menschen und ihre Gedanken einlassen, anstatt sie sofort in Schubladen zu stecken.

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Bis hierher und nicht weiter: In „Aufgestaut“ kleben sich einige auf der Straße fest und blockieren damit jeden Verkehr. (© ZDF/Bernd Schuller)

Die Serie versucht das Publikum auch abzuholen, indem immer mal wieder Humor eingebaut wird und unterhalten werden soll. Ist das der richtige Ansatz?

Das war kein Ansatz, sondern ist das Resultat, wenn es für alle Beteiligten um die Existenz geht. Guter Humor entsteht oft aus Tragik und ist eigentlich immer existenziell. Natürlich ist es erstmal komisch, wenn der Junge, der sich da an die Straße klebt, plötzlich dringend pieseln muss und seinen Opa, der zufällig vorbeiläuft, fragt, ob er ihm eine Plastikflasche holen kann. Oder wenn der Polizist sich einen Hexenschuss holt, als er versucht einen Klimakleber hochzuhieven. In der Serie ist das alles komisch, weil man beim Zuschauen die Leichtigkeit hat, über sowas zu lachen. In der realen Situation auf der Straße fehlt uns hingegen diese Leichtigkeit. Und genau das ist der Grund, warum wir nicht mehr miteinander reden. Jeder will Recht haben, für jeden geht es gefühlt um Leben und Tod. Dabei sind in der Serie nicht mal irgendwelche Klimaleugner dabei, die es ja auch noch gibt. Es sind sich alle, vom Porschefahrer über den Polizisten bis hin zu den Aktivisten, einig, dass was gemacht werden muss.

Wenn sich prinzipiell alle einig sind, warum geht es dann nicht voran? Was müsste man denn tun, damit die Leute sich da verständigen?

Ich hoffe, du erwartest da jetzt keine Patentlösung von mir. Wenn ich die hätte, wären wir jetzt nicht hier. Aber es geht nicht, ohne dass die Menschen wieder miteinander reden. Im Moment hören wir aber nur auf die, die am lautesten brüllen, auf die, mit den extremen Positionen. Mir fällt auf, dass es eine schweigende Mehrheit gibt, die sich der Diskussion entzieht. Und schweigende Mehrheiten sind ein großes Problem, in einer Demokratie. Allein in meinem Freundeskreis sagen immer mehr, dass sie sich für solche täglichen Nachrichten gar nicht mehr interessieren, weil die Fronten so festgefahren sind. Wir brauchen aber die Diskussion und müssen so viele wie möglich mitnehmen, denn die Lösung wird letztendlich globaler Natur, also gemeinsam sein müssen. Natürlich können wir nicht 30 Jahre lang diskutieren, die Zeit haben wir nicht. Aber wir müssen das alles wieder runterschrauben und lernen miteinander zu kommunizieren. Und wir brauchen wieder die Hoffnung und das Vertrauen, etwas bewegen zu können.

Was hilft dir denn, diese Hoffnung zu bewahren und nicht wie deine Freunde einfach abzuschalten?

Die Geschichte. Die Menschheit hat es immer wieder geschafft Probleme zu lösen, vor allem durch Entwicklung, meistens Technologie. Das heißt nicht, dass das immer für die Zukunft gilt. Einfach nur darauf zu warten, dass diese Lösung irgendwann da ist, ist auch nicht der Weg. Aber während sich einige wenige miteinander zoffen, müssen andere kluge Köpfe mit dem Willen was zu verändern in die Forschung gehen, in die Politik und in die Wirtschaft. Ich glaube einfach mehr an Entwicklung als an Verbote. Und dass wir das schon ein paar Mal geschafft haben in unserer Geschichte, gibt mir Hoffnung.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person
Wayne Carpendale wurde am 23. März 1977 in Frechen geboren. Schon während seiner Schulzeit entwickelte er Interesse an der Schauspielerei. Im Anschluss studierte er zunächst Betriebswirtschaftslehre, bevor er sich für die künstlerische Laufbahn entschied und 1999 am Lee Strasberg Theatre and Film Institute in New York Schauspielunterricht nahm. Bekannt wurde Carpendale durch seine Arbeit an mehreren Serien, darunter Unter uns (2000-2001) und Sturm der Liebe (2006-2008). Zusätzlich tritt er oft als Moderator auf.



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