Gewalten
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Gewalten

„Gewalten“ // Deutschland-Start: 11. Mai 2023 (Kino)

Inhalt / Kritik

Wann immer es Daniel (Malte Oskar Frank) zu Hause nicht mehr aushält mit seinem sterbenden Vater (Robert Kuchenbuch) und dem brutalen Bruder Michael (Eric Cordes), fährt er hinaus mit seinem Fahrrad. Das Wald ist das Ziel, ein Ort der Stille, in dem er der Brutalität des Lebens entkommen kann. Dort trifft der 14-Jährige auch den mehr als doppelt so alten Marcel (Paul Wollin), als dieser gerade einen Hund begräbt. Schon früher hat der Mann in dem abgelegenen Dorf gelebt, bevor er wegging. Nun ist er zurück, was nicht allen recht ist, zu groß ist das Misstrauen, was es mit dem Einsiedler auf sich hat. Doch für Daniel bedeutet diese Begegnung, dass er jemanden hat, mit dem er Zeit verbringen kann – selbst wenn niemand etwas davon erfahren darf …

Die Stille des Waldes

Gewalten ist einer dieser Filme, bei denen man schon nach 15 Minuten sagen kann, ob es sich für einen lohnt dranzubleiben oder nicht. Dabei passiert gar nicht so viel in dieser Phase. So sehen wir, wie Marcel durch den Wald stapft, beobachtet durch das Publikum, beobachtet auch durch Daniel, der ihn inmitten der Einsamkeit erspäht. Als Marcel merkt, dass da noch jemand ist, blicken sie sich an, irritiert, verwundert – und ohne Sprache. Tatsächlich wird es noch länger als 15 Minuten dauern, bis es zu einem ersten Dialog kommt. Sehr viel gesprächiger wird das deutsche Drama im Anschluss aber nicht. Über weite Strecken ist es sogar die Stille, die den Film prägt. Eine Stille, die dennoch viel zu sagen hat.

Es ist kein schöner Ort, den der österreichische Regisseur und Drehbuchautor Constantin Hatz da aufzeigt. Dieser ist auch seltsam unkonkret. Auch wenn der Film nah an der Natur ist, wirkt er immer wieder auf seine Weise entrückt. Gewalten ist das Porträt einer Gesellschaft und zugleich Ausflug in einen Märchenwald, in dem alles möglich scheint. Nur eben keine Zwischenmenschlichkeit. Versuche einer solchen gibt es. Es gibt sie zwischen Daniel und Marcel. Es gibt sie auch zwischen ihm und Karim (Mohammed Haj Younis), der neu in Daniels Klasse ist und mit dem dieser Freundschaft schließt. Eine Freundschaft jedoch, von der niemand wissen darf, in diesem brutalen und rassistischen Umfeld ist es Gesetz, dass alle, die anders sind, zu Außenseitern verdammt sind.

Suche inmitten in der Brutalität

Tatsächlich sind die Beschimpfungen der Ausländer eine der wenigen Stellen, in denen es mal wirklich konkret wird. Ansonsten bleibt vieles eher ein bisschen diffus und unausgesprochen, auch weil offensichtlich niemand in der Lage ist, über Gefühle zu sprechen. Es kann aber auch die Atmosphäre der Gewalt sein, die alle verstummen lässt. Wer sich nicht heraustraut, kann leichter verschwinden. Filme über Menschen, die in einem brutalen Umfeld aufwachsen, gibt es natürlich nicht zu knapp. Meistens wird dann erzählt, wie jemand den Absprung schafft oder bei dem Versuch sich alle Beine und sonstigen Körperteile bricht. Auch in der Hinsicht ist Gewalten etwas eigenwillig, denn Hatz hält vieles in der Schwebe.

Das wird manche frustrieren, die das Ganze lieber etwas konkreter hätten. Andere werden an der ruhigen Erzählweise scheitern, umso mehr, da der Film knapp zweieinhalb Stunden lang ist. Das muss man sich erst einmal trauen, mit so wenig Dialog und Handlung. Sofern man sich darauf einlassen kann, ist das Ergebnis aber sehr sehenswert. Das Drama, das 2022 auf der Berlinale Premiere feierte, ist das bedrückende Porträt einer Gegend, in der alles Menschliche verlorengeht, sei es durch Vernachlässigung, Desinteresse oder aktive Unterdrückung. Einen Ausweg zeichnet Gewalten dabei ebenso wenig nach wie eine Erklärung, wie das so weit kommen konnte. Wir werden an diesem düsteren Ort ausgesetzt, allein gelassen und irren anschließend ewig umher, ohne zu erfahren, ob es sich überhaupt noch lohnt weiterzusuchen.

Credits

OT: „Gewalten“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Constantin Hatz
Drehbuch: Constantin Hatz
Kamera: Rafael Starman
Besetzung: Malte Oskar Frank, Robert Kuchenbuch, Paul Wollin, Eric Cordes, Ben Felipe, Susanne Bredehöft, Beatrix Strobel, Mohamed Haj Younis

Bilder

Trailer

Filmfeste

Berlinale 2022

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Gewalten
fazit
„Gewalten“ ist ein bedrückendes Drama, das in einem abgelegenen Dorf und dem sich daran anschließenden Wald spielt. Viel Handlung ist da nicht, gesprochen wird noch weniger. Und doch ist die Stille, mal bleiern, mal befreiend, fesselnd, ist Ausdruck von Menschen, die so isoliert sind, dass die einzige Verbindung die Brutalität ist, mit der sie sich (nicht) begegnen.
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