Ernestos Island
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Ernesto’s Island

„Ernesto’s Island“ // Deutschland-Start: 18. Mai 2023 (Kino)

Inhalt / Kritik

Eigentlich hat Matthias (Max Riemelt) keine Zeit dafür. Schließlich ist er beschäftigt, bei der Werbeagentur, in der er angestellt ist, ist jede Menge zu tun. Ein wichtiges Projekt steht an. Wie soll er da nach Kuba fliegen, um die Asche seiner kürzlich verstorbenen Mutter zu verstreuen? Doch ihr letzter Wunsch nagt an ihm. Und dann ist da ja noch Sascha (Oliver Bröcker), sein Freund aus Kindheitstagen, der plötzlich vor ihm steht, sich unangekündigt bei ihm einnistet und ihm zuredet. Am Ende tritt Matthias doch noch die Reise an und lernt das Land seines Vaters kennen, ein Musiker aus Havanna, in den seine Mutter verliebt war. Gleichzeitig bedeutet dies für ihn, sich auch wieder mit seiner eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen …

Der Tod als Grund der Auseinandersetzung

Das Konzept ist bei Filmschaffenden bekannt und beliebt: Ein Mensch stirbt, was dessen Umfeld – darunter die Hauptfigur – dazu bringt, sich in der alten Heimat zu versammeln. Dabei wird nicht nur der Toten gedacht. Es führt auch dazu, sich mit der eigenen Geschichte zu beschäftigt. Solche Szenarien sind immer mit sehr viel Introspektion verbunden, wie es kürzlich auch die Serie Am Ende – Die Macht der Kränkung vorführte. Grundsätzlich geht Ernesto’s Island in eine ganz ähnliche Richtung. Auch hier ist es der Tod eines Menschen, der zum Aufhänger einer Reise in die Vergangenheit wird. Der große Unterschied: Wo diese Reise normalerweise mit einer in die Heimat einhergeht, muss hier der Protagonist in ein fernes Land reisen, das ihm gleichzeitig nah und doch sehr fremd ist.

Damit verbunden ist auch eine Verschiebung des Genres. Wo die Filme mit solchen Szenarien meist reine Dramen sind, handelt es sich bei Ernesto’s Island um ein Roadmovie. So kommt Matthias nicht direkt an seinem Zielort an, sondern reist durch Kuba und lernt dabei Land und Leute kennen. Dabei hält sich Regisseur und Co-Autor Ronald Vietz an das Drehbuch solcher Roadmovies. Da geht es nicht um den Endpunkt. Der Weg ist das Ziel. Während das bei vielen Genrevertretern bedeutet, dass die Hauptfigur und eine andere Figur sich näher kommen, gibt es hier keine ständige Begleitung. Vielmehr trifft der Deutsche unterwegs die unterschiedlichsten Leute, darunter auch Verwandte, die er zuvor nicht kannte und die weit von dem entfernt sind, was er von seiner eigenen Heimat kennt.

Zwischen Culture Clash und Rückschau

Solche Begegnungen mit fremden Kulturen wird gerne mal im Kontext von Culture-Clash-Komödien genutzt. Hier fehlt das, der Ton bleibt bis zum Schluss ernst. Tatsächlich ist das von Vietz und Ira Wedel verfasste Drehbuch sehr nachdenklich. Da geht es nicht nur um unterschiedliche Lebensentwürfe, sondern auch einen Kontrast von den Erwartungen, mit denen der Deutsche anreist, und dem, was er tatsächlich vorfindet. Ein Vergleich zu Vamos a la Playa drängt sich da geradezu auf. Schließlich geht es in beiden Filmen um Deutsche, die nach Kuba reisen und erkennen müssen, dass vieles nicht so ist wie gedacht. Wobei im Fall von Ernesto’s Island der Konfliktfaktor deutlich höher ausfällt. Da sind schon erstaunlich viele Szenen, in denen sich Matthias streitet und auch vorhalten lassen muss, dass er das Land nicht versteht.

Das Besondere an dem Drama, welches auf dem Festival des deutschen Films 2022 Premiere feierte, ist die doppelte Auseinandersetzung. Da ist einerseits die besagte kulturelle Begegnung. Aber da ist auch die Begegnung mit der Vergangenheit, wenn sich Matthias viel an seine Kindheit erinnert. Die regelmäßig eingebauten körnigen Familienvideos tragen ungemein zur Atmosphäre bei und lassen, zusammen mit den Voiceovers, die Grenzen zwischen gestern und heute verschwinden. Dabei spielt auch die besondere Beziehung zwischen Kuba und der DDR eine Rolle. Tatsächlich ist die Insel, auf der die Asche verstreut werden soll, eine, die Kuba der DDR schenkte. Zwar geht Ernesto’s Island nicht so wahnsinnig auf diese Aspekte ein, bleibt lieber am Protagonisten dran. Diese ständigen Wechsel sind zudem nicht immer zielführend, zwischenzeitlich fragt man sich, worum es überhaupt noch gehen soll. Aber es ist eine lohnenswerte Reise, die dem Touristenblick einen ins Innere gegenüberstellt.

Credits

OT: „Ernesto’s Island“
Land: Deutschland, Kuba
Jahr: 2022
Regie: Ronald Vietz
Drehbuch: Ronald Vietz, Ira Wedel
Musik: Niklas Paschburg
Kamera: Daniel Obradovic, Benjamin Raeder
Besetzung: Max Riemelt, Oliver Bröcker, Sarah Schubert, Emiko Gejic

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Ernesto’s Island
fazit
„Ernesto’s Island“ begleitet einen deutschen Werbeprofi nach Kuba, um dort die Asche seiner Mutter zu verstreuen. Das Drama ist dabei gleichermaßen kulturelle Begegnung wie auch eine Gegenüberstellung von Vergangenheit und Gegenwart. Zwischendurch ist diese Mischung aus Drama und Roadmovie zwar etwas ziellos, in der Summe aber durchaus sehenswert.
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