Luftkrieg
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Luftkrieg – Die Naturgeschichte der Zerstörung

Luftkrieg
„Luftkrieg – Die Naturgeschichte der Zerstörung“ // Deutschland-Start: 16. März 2023 (Kino)

Inhalt / Kritik

Die Idee, dass sich ein Krieg lediglich auf den Schlachtfeldern oder zwischen zwei Fronten abspielt, ist schon lange Geschichte. In den letzten Jahren haben die Bilder aus Ländern wie Syrien oder der Ukraine bewiesen, dass es einen Krieg ohne zivile Opfer niemals geben wird und immer auch Unschuldige unter den Kriegstoten sind. Schockiert sehen wir zu oder hören in den Nachrichten von Attacken auf Krankenhäuser, Schulen oder Kindergärten sowie die schnell verbreiteten Rechtfertigungen oder Ausreden der Verantwortlichen, die alles daran setzen, an der Legitimation ihres Handelns keinen Zweifel zu lassen.

In einem vielbeachteten Reihe von Vorlesungen, die später unter dem Titel Luftkrieg und Literatur veröffentlicht wurden, setzte sich Autor und Literaturwissenschaftler W.G. Seebald mit der Frage auseinander, ob die deutsche Kultur angemessen auf das Flächenbombardement während des Zweiten Weltkrieges reagiert habe. Die in erster Linie literaturwissenschaftliche Argumentation, die eine gesellschaftliche Diskussion über Seebalds Thesen nach sich zog, verwies nicht zuletzt auf die Strategien, mit denen derartige Bombardements von beiden Kriegsparteien gerechtfertigt wurden und ging letztlich der Frage nach, ob es überhaupt möglich sei, einen Krieg ohne zivile Opfer zu führen oder ob diese gar immer mit eingerechnet würden.

Schon einmal, in seiner Dokumentation Austerlitz (2016), hatte sich der ukrainische Regisseur Sergei Loznitsa (Donbass, Die Sanfte) auf ein Werk Seebalds bezogen. In Luftkrieg – Die Naturgeschichte der Zerstörung setzt er diese Auseinandersetzung mit den Thesen des Autors fort, wobei der Dokumentation schon bei ihrer Premiere bei den Filmfestspielen in Cannes eine tragische Relevanz zu den in der Einleitung beschriebenen Ereignissen attestiert wurde. Ohne einen Kommentar oder Zwischentitel, dafür unterlegt mit einem entsprechenden Sounddesign sowie der Musik Christian Verbeeks zeigen die 112 Minuten der Dokumentation Archivaufnahmen aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges, in erster Linie die Bombenangriffe auf deutsche Städte und die Folgen für die Zivilbevölkerung. Hinzu kommen Radiomitschnitte oder andere Aufnahmen, die Angehörige des Militärs oder Politiker bei der Rechtfertigung der Angriffe zeigen.

Impressionen eines Krieges

Der Absicht Seebalds folgend geht es auch Loznitsa mitnichten um eine Ästhetisierung des Krieges oder der damit zusammenhängenden Leiden, sondern vielmehr um das Finden nach einer Antwort. Chronologisch springt Luftkrieg zwar immer wieder, doch das Stilmittel des Kontrasts bleibt im Zentrum der Dokumentation, wenn beispielsweise die Normalität des Alltags, einer Einkaufstour auf Unter den Linden in Berlin oder eines Volksfestes, unterbrochen wird von den ersten Blicken in die Wolken, auf die schon bald die Perspektive aus den Bombern folgt, welche die ersten Bomben abwerfen.

Immer mehr wird das Geschehen zu einer Kakophonie des Schreiens, des Heulens und des Donners, bis man dann mit den  Folgen konfrontiert wird, der Zerstörung und dem omnipräsenten Tod. Ein weiterer Kontrast, so man bei diesem Begriff bleiben will, zieht ein, wenn die Generäle oder Politiker das Leid als Mittel zum Zweck nehmen, das Bombardement der eigenen Armee zu verteidigen, was den Krieg als einen fatalen und zunehmend zynischen Teufelskreis darstellt, bei dem zivile Opfer billigend in Kauf genommen werden. Loznitsas Film zeigt jedoch nur und wertet nicht, stellt jedoch wiederholt die Frage, ob eine Vermeidung solchen Leids überhaupt in den Überlegungen der Kriegsparteien war oder ob nicht gar die Technologie, deren Fabrikation Luftkrieg ebenfalls minutiös verfolgt, und deren Verwendung die Basis für die schrecklichen Bilder stellen, die man in der Dokumentation immer wieder sieht.

Credits

OT: „The Natural History of Destruction“
Land: Deutschland, Litauen, Niederlande
Jahr: 2022
Regie: Sergei Loznitsa
Musik: Christian Verbeek

Bilder

Trailer

Interview

Wer mehr über den Film erfahren möchte: Wir hatten die Gelegenheit, ein Interview mit Regisseur Sergei Loznista zu führen und mit ihm über Luftkrieg zu sprechen.

Sergei Loznitsa [Interview]

Filmfeste

Cannes 2022

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Luftkrieg – Die Naturgeschichte der Zerstörung
fazit
„Luftkrieg – Die Naturgeschichte der Zerstörung“ ist weniger ein Geschichtsfilm, sondern vielmehr ein philosophischer Film über die Legitimation des Leids als Folge des Krieges. Indem Sergei Loznitsa auf Chronologie wie auch einen Kommentar in seiner Dokumentation verzichtet, eröffnet er Möglichkeiten zum Nachdenken über die Prinzipien des Krieges, dessen Teufelskreis und welche Rolle Technologie dabei spielt.
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