Step by Step
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Step by Step

„Step by Step“ // Deutschland-Start: 2. Februar 2023 (Kino)

Inhalt / Kritik

Eine Straßenschlucht in Berlin. Wir schreiben den Dezember 2020. Das Leben vieler Menschen ist von großen Unsicherheiten geprägt: Da ist die Pandemie, der Klimawandel und eine Angst vor Nahrungsmittelknappheit. Zweifel an ihrer Situation regen sich in Felix und Valentina: „Wir haben realisiert, wie abhängig wir vom Staat und von der Industrie sind. Und wir wollten das einfach nicht mehr“, erläutert Felix zu Beginn der Dokumentation. Als die beiden Nachwuchs erwarten, beschließen die sie Berlin hinter sich zu lassen, um irgendwo neu anzufangen: „Irgendwo in der Natur leben. Ein einfacheres Leben“, erzählt Valentina in einer kurzen Animation. Es ist ihr Traum von einem nachhaltigeren Leben außerhalb der Großstadt, einem Ort, um ihrer Familie ein schönes Leben bieten zu können, der die werdenden Eltern antreibt.

Nach zwei erfolgreichen Travel-Dokumentationen – Pedal the World: Mit dem Fahrrad um die Welt und Expedition Happiness – nimmt uns Regisseur Felix Starck nun auf eine dritte Reise mit. Diesmal geht es um seine Lebensplanung: eine Familie gründen und parallel eine Farm auf Mallorca hochziehen.

Die Ästhetik und DIY

Der Anfang von Step by Step wandert auf einem schmalen Grat zwischen Gänsehautmoment und verklärter Motivationsvideo-Ästhetik. Das „Familie am Strand bei Sonnenuntergang“-Motiv könnte auch in einer Werbung für eine Familienversicherung auftauchen. Als emotionale Botschaft mag die Szene funktionieren, da es eine persönliche Erinnerung ist. Als Einleitung für die Zuschauer in ihre Reise – „[…] über eine junge Familie, die versucht aus dem Hamsterrad auszusteigen, […] –, wird zwar etwas Spannung aufgebaut, wie die frischgebackenen Eltern diese neue Situation gemeistert haben, stellt zunächst aber auch eine gewisse Distanz her, da der Stil noch oberflächlich wirkt. Wie eine geschlossene Klammer, ein Struktur verleihender Rahmen, findet sich eine ähnliche Botschaft auch am Ende des Films, die mit einer sehr ähnlichen Ästhetik aufwartet, hierbei aber etwas weniger platt erscheint.

An dieser Stelle seien kurz die deutschen Untertitel in der englischen Version erwähnt. Hier haben sich noch ein paar wenige Fehler eingeschlichen, die nicht unbedingt auffallen, wie etwa mal ein „nicht“ zu viel. Außerdem könnten manche Stellen etwas ungenau wirken. So wird „meaningful“, also „sinnvoll“ zu Deutsch, mit „nachhaltig“ übersetzt, doch würde ein „sinnvolles Leben“ in diesem Zusammenhang mehr als „nur“ im Zeichen der Nachhaltigkeit zu leben bedeuten.

Hin und wieder sonnt sich der Film etwas zu sehr in Floskeln, was in Kombination mit der Hintergrundmusik schnell platt wirkt. „Der Mensch ist kein Einzelgänger“, wird beispielsweise als Pointe gezogen, als einige Leute ihnen bei der Arbeit auf ihrem neuen Hof helfen. Statt in diesem Augenblick einen Vergleich oder einen Gegensatz zum Leben in der Großstadt zu finden, wo diese Schlussfolgerung auch möglich gewesen wäre, etwa wenn Freunde und Familie bei einem Umzug helfen, verbleibt die Doku hier leider „nur“ beim Charme des Augenblicks. Dabei werden aber auch sympathische und atmosphärische Bilder produziert. Überhaupt finden sich die mitunter besten Landschaftsbilder des Films zum Ende hin, wenn die Familie auf die zweite Farm umgezogen ist. Gerade im Hinblick auf die beachtliche Arbeit, die in das Projekt geflossen sein muss, welches man nun eine ganze Zeit verfolgen konnte, erhalten die Gedankenanregungen zum Thema Nahrung und zum Leben an dieser Stelle eine extra Portion Gewicht.

Eine Stärke des Films ist zum einen der ihm innewohnenden Grundgedanken, die Menschen durch die vorgelebte Do-it-Yourself-Mentalität zu inspirieren und Aufmerksamkeit für das Thema Nahrung zu schaffen. Zum anderen die Szenen, die man sieht, während die Credits hochrollen. Hier finden sich sehr lustige und authentische Szenen, dass man sich viel mehr davon im Film selbst gewünscht hätte. So wird man mit einem Schmunzeln aus dem Film entlassen. Zwar finden sich Outtakes zumeist am Ende, hier aber wäre es doch gerade ein interessanter Part im Sinne einer authentischen, dokumentarischen Auseinandersetzung mit dem Thema gewesen. So weist der Hauptteil des Films leider ein paar Längen auf.

Step by Step ist, wenn man so will, gleichzeitig eine Fortführung der Lebensreise des Regisseurs, die für Fans seiner bisherigen Dokumentationen interessant sein wird, für jene, die mehr über Gartenbau lernen möchten, wäre ein kürzeres DIY-Video auf YouTube wahrscheinlich zeitökonomischer.

Wo steht der Hof nochmal?

Neben dem Aufbau der Farm selbst wäre eine genauere Dokumentation der Hinreise eine schöne Ergänzung gewesen. Das wird leider mit ein paar kurzen Szenen schnell abgehandelt. Hier hätte man eventuell mehr Spannung aufbauen können, sich vielleicht auf dem langen Weg zur Farm filmen können, die Landschaft betrachten und Prognosen abgeben können, wie es wohl sein wird, dort anzukommen, dort zu leben, etc. Das hätte das „Wir ziehen um“-Gefühl stärker ausformuliert.

Ein Aspekt, der außerdem etwas kurz kommt, ist die Location. Theoretisch hätte die Farm die meiste Zeit auch in einem Vorort in Deutschland stehen können. Ab und an blitzt es mal durch, dass wir uns auf Mallorca befinden, gerade zum Ende hin, aber hier wäre es spannend gewesen, mehr darüber zu erfahren, wie Felix und Valentina sich dort einleben, vielleicht die Insel kennen lernen: Gibt es noch Punkte, die sie sich anders vorgestellt haben? Welche Unterschiede gibt es für sie zum Stadtleben? Gibt es vielleicht etwas, das sie aus Berlin vermissen? Wie wirkt sich das neue Klima aus? In etwa so wie in Der Marsianer – Rettet Mark Watney, in dem sich Matt Damon auch mit dem Anpflanzen beschäftigt, aber die neue Umgebung eine größere Rolle beziehungsweise Bedeutung einnimmt. Zumindest wird damit Raum für Interviewfragen geschaffen.

Credits

OT: „Step by Step“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Felix Starck
Musik: Anna Kühlein
Kamera: Camilo Paredes Linares

Bilder

Trailer

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Step by Step
fazit
„Step by Step“ folgt Felix und Valentina, zwei werdenden Eltern, die Berlin verlassen, um auf Mallorca einen Hof aufzubauen und dort ihr eigenes Essen anzupflanzen. Dabei gelingen der Dokumentation gute Aufnahmen von dem Arbeitsprozess – Aussaat, erste Pflanzen, Ernte –, und zeigt Schwierigkeiten und Erfolge ihrer Reise zu einem autarken Leben. Streckenweise wirkt der Film allerdings etwas platt und langatmig. Die Botschaft hinter dem Film kann aber durchaus inspirieren. Mit lustigen Szenen in den Credits entlässt der Film einen schließlich noch mit einem Schmunzeln.
Leserwertung244 Bewertungen
3.1