Mein fremdes Land
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Mein fremdes Land

„Mein fremdes Land“ // Deutschland-Start: 23. Juni 2022 (Kino) // 23. Dezember 2022 (DVD)

Inhalt / Kritik

Woher kommt ein Mensch, der den Namen Manuel Sosnowski trägt? Die wenigsten würden auf diese Frage wohl mit Bolivien antworten. Und doch wäre diese Antwort richtig – gleichzeitig wieder nicht. So wurde er zwar dort geboren, kam im Alter von einem Jahr aber nach Deutschland, wo ihn eine Familie adoptierte. Einen Bezug zu seiner Heimat hatte er anschließend nicht mehr, es gab keinen Kontakt zu seiner gebürtigen Familie. Er spricht nicht einmal Spanisch. Nur sein Aussehen verrät, dass er andere Wurzeln hat, weswegen er sich trotz eines stabilen Umfelds in Deutschland immer ein wenig fremd fühlte. Erst 30 Jahre später kehrte er nach Bolivien zurück, der Dokumentarfilm Mein fremdes Land begleitet ihn dabei.

Die Suche nach den Wurzeln

Die Rückkehr gestaltet sich dabei etwas holprig. Nicht nur dass die Spuren ein wenig spärlich sind und schon einiges an Recherchen nötig ist. Auch die mangelnden Sprachkenntnisse von Manuel helfen nicht unbedingt bei seiner Mission, weshalb er bei allem auf einen Dolmetscher angewiesen ist. Mein fremdes Land befasst sich aber weniger mit der Suche an sich, der Film ist weniger für Leute, die sich auf einen Quasi-Krimi freuen. Vielmehr halten die Regisseure Johannes Preuss und Marius Brüning fest, wie Manuel sich seinen Wurzeln annähert und dabei auch viel über sich selbst nachdenkt. Wie sehr prägt ihn ein Heimatland, das er nicht kennt? Welche Verbindung hat er zu Verwandten, die er jetzt das erste Mal trifft?

Der Dokumentarfilm stellt damit die üblichen Fragen rund um das Thema Identität, gerade auch im Hinblick, wie viel angeboren ist und wie viel das Ergebnis unserer Erfahrungen. Klar ist nur, dass Manuel diese Verbindung zu den Menschen spürt. Ob dies instinktiv geschieht oder weil dies seiner Vorstellung von Familie entspricht, sei mal dahingestellt. Mein fremdes Land will sich nicht so sehr mit theoretischen Hypothesen und philosophischen Gedanken befassen. Stattdessen bleiben Preuss und Brüning immer ganz nah an ihrem Protagonisten, selbst in den intimen Momenten. Immer wieder sehen wir, wie Manuel den Tränen nah ist oder diesen sogar nachgibt. Auch bei den Familienmitgliedern kommt es zu emotionalen Momenten. Die Geschichte geht allen nahe, trotz der langen Trennung.

Mehr fürs Herz als für den Kopf

Das kann manchmal als Zuschauer bzw. Zuschauerin unangenehm sein, derart nah dran am Geschehen zu sein. Solche Filme riskieren immer ein wenig den Vorwurf des Voyeurismus, wenn intimste Gefühle der Unterhaltung anderer dienen und Außenstehende einen Einblick erhalten, der ihnen so gar nicht zusteht. Mein fremdes Land bekommt aber doch immer wieder die Kurve, ist zwar bewegend, ohne sich aufs Manipulative zu flüchten. Wenn Manuel etwa sagt, dass er wie seine Mutter Birnen pflanzen möchte, dann ist das ein leiser und doch effektiver Moment. Das Obst wird zu einem Symbol für eine Familie, die nach vielen Jahren doch noch zusammenwächst. Eine schöne kleine Idylle inmitten der kargen Landschaft.

Dabei verschweigt der Film nicht, dass das Schicksal der Familie kein besonders schönes ist. Wenn die Mutter das Kind früh weggeben musste, dann weil das Geld fehlte. Manuels Wurzeln sind in einer ärmlichen Gegend, in der die Perspektive für eine Zukunft fehlt. Mein fremdes Land verzichtet deshalb auch darauf, der Mutter den Vorwurf zu machen, dass sie sich nicht selbst um das Kind kümmerte. Sicher hätte man an der Stelle noch weiter einhaken können, so wie an vielen Stellen kritischere Fragen möglich gewesen wären. Dennoch ist der Dokumentarfilm, der bei den Hofer Filmtagen 2021 lief, schön anzusehen und etwas fürs Herz. Wer sich von einer persönlichen Familiengeschichte bewegen lassen möchte, ist hierbei daher an einer guten Adresse.

Credits

OT: „Mein fremdes Land“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Johannes Preuss, Marius Brüning
Drehbuch: Johannes Preuss, Marius Brüning
Musik: Chiara Strickland
Kamera: Johannes Preuss

Bilder

Trailer

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Mein fremdes Land
ohne wertung
„Mein fremdes Land“ ist ein schöner und bewegender Dokumentarfilm über einen Mann, der als Kind aus Bolivien nach Deutschland kam und nun seine Wurzeln entdecken möchte. Das ist immer ganz nah am Protagonisten, setzt insgesamt mehr auf Gefühl als auf eine Beschäftigung mit den inhaltlichen Fragen.
Leserwertung8 Bewertungen
6.9