Endlich Witwer Forever Young TV Fernsehen ZDF Mediathek
© ZDF/Hardy Spitz

Endlich Witwer: Forever Young

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„Endlich Witwer – Forever Young“ // Deutschland-Start: 11. April 2022 (ZDF)

Inhalt / Kritik

Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an, sang Udo Jürgens. Und meinte damit: frei von Arbeit und Geldverdienen noch einmal neu durchstarten. Georg Weiser (Joachim Król), der Held des ZDF-Films Endlich Witwer, lässt sich schon mit 60 von dieser Sehnsucht packen. Am Ende des ersten Teils seiner Geschichte steigt er in ein Wohnmobil, das mindestens 40 Jahre auf dem Buckel hat. Wohin es ihn zieht, zeigt die lose Fortsetzung mit dem Zusatz Forever Young: nach Marokko. Es ist eine Reise, die er schon mit Anfang 20, als junger Revoluzzer, machen wollte. Auf dem Weg nach Süden schaut Weiser jetzt aber erstmal bei Petra (Martina Gedeck) und Jürgen (Peter Lohmeyer) vorbei. Die beiden waren einst Kampfgenossen, sozusagen „Kleinstadtspontis“, wie Weiser sie nennt. Bei der ganz großen Aktion jedoch ließ er sie im Stich, bog lieber in ein spießbürgerliches Dasein als Kunstrasenfabrikant ab. Auf offene Arme darf er deshalb nicht hoffen, als er mit dem Althippie-Gefährt auf den Aussteigerhof der einst besten Freunde rollt.

Altersmilde Tonlage

Um es gleich vorweg zu sagen: Endlich Witwer – Forever Young ist ein ganz anderer Film als der erste Teil. Die Tonlage ist heiterer, der Charakter der Hauptfigur milder, die Thematik deutlich verschoben, weg von der Trauerarbeit, hin zur Frage „was wäre gewesen, wenn“. Neue Figuren kommen hinzu und mit ihnen starke Darsteller. Daher kann man die „Fortsetzung“ problemlos als ganz eigenes Werk betrachten, das keinerlei Vorkenntnisse beansprucht. Den ersten Teil gesehen zu haben, schadet aber auch nicht. Denn das Stammpersonal ist gleich geblieben: neben dem erneut sehenswerten Joachim Król in der Titelrolle stehen Sohn Gerd (Tristan Seith) und Tochter Susanne (Friederike Kempter) diesmal nicht nur für tragikomische Familienzerwürfnisse, sondern bekommen selbstständige Handlungsstränge mit ganz eigenem Humor. Kurzum: Man darf ihnen dabei zusehen, wie sie sich weiterentwickeln. Da ist es nicht verkehrt, sie aus dem ersten Teil zu kennen.

Sehr zu seinem Vorteil trägt der zweite Teil ebenso wie der erste eine ganz eigene Handschrift, nur eben eine andere. Für Drehbuch und Regie zeichnet diesmal Anca Miruna Lăzărescu verantwortlich, der die Produktionsfirma offenbar ebenso viel Freiheit gelassen hat wie im ersten Teil Pia Strietmann (Regie) und Martin Rauhaus (Drehbuch). Die aus Rumänien stammende Filmemacherin (Jahrgang 1979) ist zwar viel zu jung, um die wilde Nach-68er-Zeit selbst erlebt zu haben. Aber sie hat schon einmal davon erzählt, nämlich in ihrem Debüt Die Reise mit Vater, das von der Biografie ihrer Familie inspiriert ist. Ohne in Nostalgie zu schwelgen, trifft die Regisseurin einen Ton, der für ältere Semester den Sound von damals wieder aufleben lässt. Und das liegt nicht nur an der Tonspur, die von den Rolling Stones über Santana bis Kansas (Dust in the Wind) ein Mixtape der eigenen Jugend erklingen lässt.

Lagerfeuer im Tesla

Schön ist dabei die leise Ironie, die der Film über die gescheiterte Rebellion legt. Und noch schöner gelingt die Konfrontation mit der heutigen Zeit, die in Gestalt von E-Autos, Fitnessarmbändern und glatter neuer Businesswelt daher kommt. Tesla trifft Hippie-Mobil. Und während Weisers alte Flamme Petra höchst zaghaft die lang verschütteten Gefühle auslotet, kommt die jüngere Generation gleich zur Sache. Beim schnellen Sex im Auto stellt sie den bordeigenen Bildschirm an: Es knistert ein virtuelles Lagerfeuer. Dabei basiert die Wohlfühlkomödie keineswegs auf einer Aneinanderreihung von Gags. Die Kombination aus schlagfertigen Dialogen und Bildwitz ist aus einem Guss. Im leichten Plauderton verhandelt sie Themen, über die man auch nach 90 Minuten guter Unterhaltung noch nachdenken kann, wenn man möchte. Lassen sich Fehler der Vergangenheit korrigieren? Mag man mit 60 noch einmal neu anfangen? Wie fühlt es sich an, die Träume der Jugend nicht weiter verfolgt zu haben?

Die Bäume sind gefärbt, als Weiser beim Bauernhof von Petra und Jürgen ankommt. Manche empfinden diese Jahreszeit als die schönste von allen, auch wenn nach ihr der Winter kommt. Ohne dass der Film die Analogie zum Herbst des Lebens aufs Auge drücken würde, lässt er sie in seiner Visualität immer mitschwingen. Fehlt etwas, was im Frühling nicht gepflanzt wurde? Oder darf man mit der Ernte zufrieden sein? Sich sogar Vorräte anlegen?

Credits

OT: „Endlich Witwer – Forever Young“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Anca Miruna Lăzărescu
Drehbuch: Anca Miruna Lăzărescu
Musik: Martina Eisenreich
Kamera: Jan-Marcello Kahl
Besetzung: Joachim Król, Martina Gedeck, Peter Lohmeyer, Tristan Seith, Susanne Bormann, Friederike Kempter, Felix von Manteuffel

Bilder

Interview

Was verbindet ihn mit den 68ern? Und wie kam es zu der Figur Georg Weiser? Diese und weitere Fragen haben wir Hauptdarsteller Joachim Król in unserem Interview zu Endlich Witwer: Forever Young gestellt.

Joachim Król [Interview]

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Endlich Witwer: Forever Young
Fazit
Die lose Fortsetzung der Komödie „Endlich Witwer“ mit dem Titelzusatz „Forever Young“ schlägt einen neuen Ton an. Statt schwarzem Humor dominiert unterhaltsames Wohlfühlkino. Dennoch steht der zweite Teil dem ersten in nichts nach, sondern übertrifft ihn sogar.
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