Black Medusa

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Inhalt / Kritik

Black Medusa
„Black Medusa“ // Deutschland-Start: 31. Januar 2022 (MUBI)

Es eine Nacht wie eigentlich jede andere in Tunis. In den Klubs feiern die jungen Menschen, die Bars sind bevölkert von Singles und Pärchen gleichermaßen, wie auch die Restaurants. Mitten unter ihnen ist Nada (Nour Hajri), eine junge Frau, die stumm ist und auf eine entsprechende Voice-App auf ihrem Handy zurückgreift, um mit ihrem Gegenüber zu kommunizieren. In einer Bar kommt ein schon sichtlich betrunkener Mann auf sie zu, spricht sie an und wenige Stunden später sind die beiden auf dem Weg in sein Apartment. Als er in seiner Wohnung auf dem Bett zusammenbricht, nutzt Nada den Moment, indem sie diesen vergewaltigt. Am Ende geht sie wieder in ihre eigene Wohnung und, nach einigen Stunden Schlaf, zurück an ihre Arbeit als Online-Redakteurin, wo sie ihre Freundin Noura (Rym Hayouni) trifft, die ihren einzigen sozialen Kontakt darstellt. Ihre Freundin hat eine Ahnung von den nächtlichen Touren Nadas und noch ein anderes Geheimnis hat.

Ein gewaltsamer Drang

Auch wenn Black Medusa der erste Spielfilm ist für das Regie-Duo Youssef Chebbi und Ismaël, hatten die beiden bereits bei dem 2012 produzierten Dokumentarfilm Babylon die Gelegenheit miteinander zu arbeiten, damals aber noch gemeinsam mit einem dritten Regisseur. Über die Jahre haben die beiden den Kontakt zueinander gehalten, wie sie in Interviews anlässlich der Premiere des Films auf dem Internationalen Filmfestival Rotterdam beschreiben, doch im Sommer 2019, während eines Treffens in Tunis, beschlossen die beiden, endlich wieder gemeinsam zu arbeiten. Schnell war die Idee zu Black Medusa nicht nur geboren, in nur wenigen Wochen entstand das Skript, und in etwas mehr als anderthalb Jahren konnte der Film dann schon einem Publikum auf einem Filmfestival gezeigt werden.

Laut Aussage der Regisseure war ihr „gewaltsamer Drang“, einen Film zu machen, zu vergleichen mit dem der Protagonistin ihres Filmes, die ebenfalls von etwas angezogen ist, was sie scheinbar immer weniger kontrollieren kann. Zunächst aber einmal ist da das Bild der Stadt, welches Black Medusa zeigt, dessen Vision von Tunis einem Ort ähnelt, der auch auf der Welt des Film Noir kommen könnte. Die starken Schwarz-Weiß-Kontraste im Zusammenspiel mit dem Licht der einzelnen Einstellungen changieren zwischen Orten der Einsamkeit und des Verfalls bis hin zu jenen Orten der Verführung und des Geheimnisses, was korrespondiert mit der Sphinx-ähnlichen Ausstrahlung ihrer Hauptdarstellerin Nour Hajri. Fans von Werken wie Ana Lily Amirpours Werk A Girl Walks Home Alone at Night werden mit dieser stilisierten Sicht auf Figur und Ort wahrscheinlich noch mehr anfangen können, scheinen die Regisseure doch zwischen einer realistischen Perspektive und jener der Jägerin bei Nacht zu wechseln, was durchaus optisch wie auch erzählerisch sehr reizvoll ist.

Sprache und Sehen

Jedoch gibt es noch andere Aspekte, die Black Medusa auszeichnen. Die Bilderwelt, die mit wiederkehrenden Leitmotiven wie dem Messer oder dem Blick der Protagonistin arbeitet, reflektiert eine Welt, in der es um das Gesehen-Werden geht, um das Etablieren einer Fassade, die spätestens hinter verschlossenen Türen in sich zusammenfällt. Nada bietet sich als ein Ventil für diese Geschichten an, als eine Art Projektionsfläche, ist sie doch schon alleine vom Namen her ein „Niemand“ oder ein „Nichts“. Durch ihr zurückhaltendes Spiel, welches mit der minimalistischen, aber wirkungsvollen Ästhetik kombiniert wird, erreicht Nour Hajri ebenfalls eine große Wirkung, lässt ihrer Figur das Geheimnis um ihre Motive und ihre Taten, was Black Medusa um so überraschender für den Zuschauer macht.

Andererseits spiegelt sich in Black Medusa auch eine Art Befreiungsphantasie wider, welche gerade im nordafrikanischen Raum im Nachhall zum Arabischen Frühling eine interessante Perspektive ist. Direkt impliziert wird diese Lesart nicht, doch gerade die Idee einer vermeintlich verlorenen Stimme sowie der brutalen Methode, mit denen sich Nada ihrer nächtlichen Bekanntschaften entledigt, sprechen eine mehr als deutliche Sprache in diesem Zusammenhang.

Credits

OT: „Ma tasmaa ken errih“­
Land: Tunesien
Jahr: 2021
Regie: Youssef Chebbi, Ismaël
Drehbuch: Youssef Chebbi, Ismaël
Musik: Omar Aloulou
Kamera: Imed Alissaoui
Besetzung: Nour Hajri, Rym Harrazi, Ayman Mejri, Ayman Ben Hmida, Sarah Alina Grosz, Mahdi Hajri

Trailer

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„Black Medusa“ ist ein geheimnisvoller, düsterer Mix aus Drama und Thriller. Youssef Chebbi und Ismaël gelingt ein vor allem auf ästhetischer Ebene ein äußerst überzeugender Film, dessen Bilder noch lange nachwirken, wobei auch die Leistung von Hauptdarstellerin Nour Hajri zu erwähnen ist.
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