Abschied von der Nacht L’adieu à la nuit arte TV Fernsehen
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Abschied von der Nacht

Abschied von der Nacht L’adieu à la nuit arte TV Fernsehen
„Abschied von der Nacht“ // Deutschland-Start: 16. Februar 2022 (arte)

Inhalt / Kritik

Groß ist die Freude bei Muriel (Catherine Deneuve), als ihr Enkel Alex (Kacey Mottet Klein) bei ihr auftaucht. Schließlich bekommt sie diesen seit dem Tod seiner Mutter nur noch selten zu sehen. Leider wird es auch diesmal nur vorübergehend sein: Der junge Mann hat sich entschlossen, nach Kanada zu gehen, gemeinsam mit seiner neuen Freundin Lila (Oulaya Amamra). Ein bisschen irritiert ist Muriel schon von dieser Beziehung, ebenso davon, dass Alex zum Islam übergetreten ist. Aber sie genießt es, die beiden um sich zu haben, zumal sie auch auf dem Pferdehof, den sie betreibt, tatkräftig anpacken. Dabei ahnt sie nicht, dass die zwei zu dem Zeitpunkt längst entschieden haben, nach Syrien zu reisen und sich dem Islamischen Staat anzuschließen …

Der Terrorismus im eigenen Haus

In den letzten Jahren hat es eine Reihe von Filmen gegeben, in denen junge Menschen zu Islamisten werden, siehe etwa Der Himmel wird warten, Made in France oder Für meinen Glauben. Die Geschichten unterscheiden sich natürlich immer etwas, haben doch eines gemeinsam: den Schrecken davor, dass mitten unter uns Terroristen sind, die nicht dem Klischeebild des vollbärtigen brauen Ausländers entsprechen. Leute, von denen wir nie ahnen würden, dass sie Furchtbares im Kopf haben. Schlimmer noch, es sind die eigenen Kinder, die auf einmal den Wunsch haben, gegen die westliche Welt Krieg zu führen. Bei Abschied von der Nacht ist das ähnlich. Zwar ist es hier der Enkel, der sein bisheriges Leben hinter sich lassen will, um möglichst viele Ungläubige zu töten. Aber das Prinzip ist dasselbe wie bei den anderen Titeln.

Wobei das französische Drama relativ lange wartet, bis es mal das Thema offen anspricht. Das Publikum darf zwar früh erfahren, dass Alex und Lila vorhaben, nach Syrien zu gehen und sich dem bewaffneten Kampf anzuschließen. Hauptfigur Muriel weiß davon aber nichts. Einige Sachen kommen ihr zwar seltsam vor, aber das war es auch schon. Das Ergebnis ist etwas zwiespältig. Auf der einen Seite verdeutlicht Regisseur André Téchiné (Mit siebzehn, Ich küsse nicht) mit Abschied von der Nacht auf diese Weise, wie ahnungslos die Großmutter ist – und damit die allgemeine Bevölkerung. Es ist durchaus möglich, dass Terroristen Teil des eigenen Lebens sind, ohne dass man etwas davon mitbekommt. Der Film zeigt zwei Welten auf, die völlig konträr sind und doch parallel existieren.

Die Suche nach dem Grund

Aber es bedeutet eben auch, dass es keine wirkliche Auseinandersetzung gibt. Alex will aus nachvollziehbaren Gründen nicht mit seiner Großmutter über seine Pläne reden. Wenn es in Abschied von der Nacht zu Diskussionen kommt, dann nur innerhalb der Islamisten-Interessensgruppe, bei der es naturgemäß nicht viel Widerspruch gibt. Wer sich den Film anschauen will, um mehr über die Motivation hinter solchen Taten zu erfahren, der wird nur zum Teil glücklich. Während Téchiné und seine Co-Autorin Léa Mysius (Ava – Plötzlich erwachsen) über Alex einiges zu sagen haben, der nach dem Tod seiner Mutter den Halt verlor, kommen die anderen etwas kurz. Vor allem über Lila hätte man doch gern mehr erfahren. Wir wissen zwar, dass sie ganz offensichtlich im Internet lebt. Dass sie die Sonnenfinsternis zu Beginn des Films lediglich im Fernsehen verfolgt hat, hat da auch Symbolkraft.

Das war es aber auch schon. Abschied von der Nacht bleibt da tendenziell an der Oberfläche. Sehenswert ist das Drama, welches auf der Berlinale 2019 Premiere feierte, aber durchaus, dafür sorgt das Ensemble. Vor allem der Auftritt der Schauspiellegende Catherine Deneuve ist Gold wert, wenn ihre Figur in einer Mischung aus Wärme und Entschlossenheit für ihren Enkel kämpft, dabei aber selbst nicht wirklich versteht, was da vor sich geht. Eine endgültige Antwort bekommt sie dabei ebenso wenig wie das Publikum. Téchiné war nie ein Regisseur fürs einfache Wohlfühlkino, bei seinem Spätwerk ist er das noch immer nicht. Vielmehr ist der Film ein erster Schritt, eine Art Startpunkt, von dem aus man ein Gespräch suchen kann. Ob dieses aber zu einem Ergebnis führt, das weiß hier niemand.

Credits

OT: „L’adieu à la nuit“
IT: „Farewell to the Night“
Land: Frankreich
Jahr: 2019
Regie: André Téchiné
Drehbuch: André Téchiné, Léa Mysius
Musik: Alexis Rault
Kamera: Julien Hirsch
Besetzung: Catherine Deneuve, Kacey Mottet Klein, Oulaya Amamra, Stéphane Bak, Mohamed Djouhri, Kamel Labroudi

Bilder

Trailer

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Berlinale 2019

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Abschied von der Nacht
Fazit
„Abschied von der Nacht“ begleitet eine Großmutter, deren Enkel zum Islamisten geworden ist. Eine wirkliche Auseinandersetzung mit den Motiven findet dabei größtenteils nicht statt. Sehenswert ist das französische Drama dennoch, als gut gespielter Anfang einer Debatte, die innerhalb des Filmes keinen Abschluss findet und finden soll.
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