Im Winter ein Jahr
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Im Winter ein Jahr

Inhalt / Kritik

Im Winter ein Jahr
„Im Winter ein Jahr“ // Deutschland-Start: 13. November 2008 (Kino) // 28. Mai 2009 (DVD)

Ein Jahr ist es mittlerweile her, dass der 19-jährige Alexander Richter (Cyril Sjöström) auf tragische Weise gestorben ist. Und noch immer trägt die Familie schwer an diesem Unglück. Seine Mutter Eliane (Corinna Harfouch) beschließt deshalb, sich an den Maler Max Hollander (Josef Bierbichler) zu wenden. Der soll, basierend auf Aufnahmen des Verstorbenen, ein Porträt von ihm und seiner älteren Schwester Lilli (Karoline Herfurth) malen. Diese sträubt sich zunächst gegen das Vorhaben, findet die Idee sogar geschmacklos, lässt sich dann aber doch darauf ein, sich mit Max zu treffen und ihm auch Modell zu stehen. Dabei sind es vor allem die Gespräche mit dem älteren Künstler, die ihr helfen, sich einiger Sachen in ihrem Leben zu bewusst zu werden …

Hohe Erwartungen, starkes Ensemble

Die Erwartungen waren groß an Im Winter ein Jahr: Nachdem Caroline Link (Der Junge muss an die frische Luft, Als Hitler das rosa Kaninchen stahl) mit ihrem Film Nirgendwo in Afrika zu einem Aushängeschild des deutschen Kinos wurde und sogar einen Oscar für den besten fremdsprachigen Film in Empfang nehmen durfte, durfte man gespannt sein, wie es mit der Filmemacherin weitergehen würde. Doch es sollte ganze sieben Jahre dauern, bis sich die Regisseurin und Drehbuchautorin zurückmelden würde. Das Drama um eine Familie, die sich mit einen schmerzhaften Verlust auseinandersetzen muss, feierte dabei auf dem Toronto International Film Festival 2008 Weltpremiere – keine Selbstverständlichkeit für einen deutschen Films. Doch die Resonanz war eher gemischt, heute erinnern sich nur wenige an das Werk.

Dabei hat die Adaption eines Romans von Scott Campbell durchaus einiges zu bieten. Da wäre beispielsweise das starke Ensemble, das Link versammeln konnte. Dieses erfüllt seine Aufgabe grundsätzlich auch gut. In Erinnerung bleiben beispielsweise die gemeinsamen Szenen mit Lilli und Max, die sich jeweils ihrer Schmerzen und Grenzen bewusst werden müssen. Im Winter ein Jahr erzählt da ganz klassisch von zwei Figuren, bei denen einiges im Argen liegt und die sich gegenseitig dazu inspirieren, sich endlich diesen dunklen Stellen zu widmen. Welche das sind und was genau alles nicht stimmt, das verrät der Film dabei erst im weiteren Verlauf. Zumindest anfangs hat das Drama eine leichte Mystery-Stimmung, gerade im Hinblick auf die Frage, wie und weshalb der junge Mann vor einem Jahr gestorben ist – eine Folge der mangelnden Kommunikation.

Wohin des Wegs?

Zum Teil ist das schauspielerische Talent aber auch vergeudet. Gerade Corinna Harfouch und Hanns Zischler als entfremdetes Ehepaar kommen schon sehr kurz. Wo es zu Beginn noch danach aussieht, als wäre Eliane eine zentrale Figur und würde ihr Verhältnis zum verstorbenen Sohn ein wichtiger Punkt, verschwindet sie im Anschluss zunehmend. Dann und wann taucht sie noch auf, um anderen Vorwürfe zu machen. Das war es aber auch schon: Erst zum Ende hin entdeckt Im Winter ein Jahr diese Figur wieder und bespricht die Tragik, die mit dieser einhergeht. Effektiv, wenn auch nicht ohne Kitsch, ist eine Szene, welche den Unterschied der beiden Frauen deutlich macht, die zwischen Vergangenheit und Zukunft gefangen sind, zwischen Abschluss und Aufbruch.

Überhaupt ist Im Winter ein Jahr ein Film der Gegensätze, wenn auch nicht unbedingt auf eine positive Weise. So schwankt das Drama beispielsweise zwischen unterkühlter Distanz und Haudrauf-Emotionalität. In der einen Szene werden Sachen nicht wirklich ausformuliert, verlieren sich Stränge und Gedanken im Nichts. In der nächsten wird das Thema dann so minutiös ausformuliert, als würde Link ihrem eigenen Publikum nicht zutrauen, selbst auf Gedanken zu kommen. Auf diese Weise gibt es hier mal zu viel, dann zu wenig, da fehlt einfach die notwendige Balance, vielleicht auch die schlüssige Idee, worum es überhaupt gehen soll. Die Mischung aus Selbstfindung und Trauerarbeit ist selbst von einer Orientierungslosigkeit geprägt.

Viel fürs Auge

Zwischendurch bringt diese Suche aber einige sehenswerte Momente mit sich. Das betrifft sowohl den Inhalt, wenn mit der Zeit die Brüche in den Figuren deutlicher werden und all das sichtbar wird, was sie in sich verstecken und begraben wollten. Lilli muss sich mit ihrer Beziehung zur Familie beschäftigen, Max mit der Vergangenheit. Es betrifft aber auch die Bilder: Kamerafrau Bella Halben (Zwischen uns die Mauer) beschert dem Publikum zahlreiche stimmungsvolle Aufnahmen rund um die in sich erstarrte Familie, die krampfhaft an etwas festzuhalten versucht und sich dabei gegenseitig verloren hat. Davon bleibt dann schon einiges zurück, auch über den Abspann hinaus. Es war nur nicht genug, um den hohen Erwartungen gerecht zu werden, die man seinerzeit an die Filmemacherin hatte.

Credits

OT: „Im Winter ein Jahr“
Land: Deutschland
Jahr: 2008
Regie: Caroline Link
Drehbuch: Caroline Link
Vorlage: Scott Campbell
Musik: Niki Reiser
Kamera: Bella Halben
Besetzung: Karoline Herfurth, Corinna Harfouch, Josef Bierbichler, Hanns Zischler, Misel Maticevic

Bilder

Trailer

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„Im Winter ein Jahr“ handelt von einem geplanten Porträtbild und einer Familie, die mit dem Tod des Sohnes nicht umgehen kann. Das Drama schwankt dabei zwischen Selbstsuche und Trauerarbeit, legt dabei nach und nach das frei, was die Figuren in sich begraben haben. Das hat eine Reihe sehenswerter Szenen zur Folge, ist aber insgesamt etwas orientierungslos. Zudem schwankt die Romanadaption zwischen Zurückhaltung und Kitsch.
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