The Tokyo Night Sky Is Always the Densest Shade of Blue

The Tokyo Night Sky Is Always the Densest Shade of Blue

„Yozora wa itsudemo saikô mitsudo no aoiro da“, Japan, 2017
Regie: Yûya Ishii; Drehbuch: Yûya Ishii; Vorlage: Tahi Saihate
Darsteller: Shizuka Ishibashi, Sosuke Ikematsu

The Tokyo Night Sky Is Always the Densest Shade of BlueDas Leben von Shinji (Sosuke Ikematsu) war nie besonders einfach gewesen, schon als Jugendlicher war er auf einem Auge praktisch blind. Jetzt ist er erwachsen, verdient sein Geld auf einer Baustelle, an der die Stadien für die Olympischen Sommerspiele 2020 errichtet werden. Eines Abends läuft er in einer Bar Mika (Shizuka Ishibashi) über den Weg. Die hat selbst so ihre Päckchen zu tragen und ist ständig auf Konfrontationskurs. Trotzdem findet Shinji schnell Gefallen an der jungen Frau, der er immer wieder begegnet – an den unerwartetsten Orten.

Im Anime- und Mangabereich findet man ja immer mal wieder ausgefallene und vor allem mächtig lange Titel. Aber auch Realfilme scheuen nicht davor zurück, auf diese Weise auf ihre Besonderheit aufmerksam machen zu wollen. Beispiel: The Tokyo Night Sky Is Always the Densest Shade of Blue, das 2017 auf der Berlinale seine Weltpremiere feierte und anschließend auf weiteren Festivals wie Nippon Connection zu sehen war. Und dort war der Film gut aufgehoben, schließlich ist das neueste Werk von Regisseur Yûya Ishii ein typischer Festivalfilm – etwas selbstverliebt und gewollt wunderlich.

Die Poesie des Nicht-Alltags
Teilweise ergibt sich das auch aus der Vorlage. Hier ist es mal kein Roman, der verfilmt wurde, auch kein Manga oder anderes Werk der Popunterhaltung. Stattdessen stand eine Gedichtsammlung von Tahi Saihate Pate. Und das merkt man The Tokyo Night Sky Is Always the Densest Shade of Blue auch deutlich an. Immer wieder werden poetische Zeilen vorgetragen, selbst die Dialoge wirken oft nicht wie aus dieser Welt. Eine durchgehende Handlung hat der Film indes nicht. Stattdessen besteht er aus zufällig angeordneten Szenen, die teils eher einer Traumlogik folgen. Von denen man manchmal auch gar nicht sagen kann, was sie im Film zu suchen haben.

Das macht das Drama zweifelsfrei zu etwas Besonderem, ist Teil des speziellen Reizes. Gerade der Kontrast zwischen dem hektisch-trüben Stadttreiben und den versponnenen Einlagen lässt The Tokyo Night Sky Is Always the Densest Shade of Blue aus der Masse an Großstadtromanzen hervorstechen. Die Entfremdung von der Welt da draußen, sie wird hier tatsächlich spürbar. Aber diese Wunderlichkeiten werden dem Film auch immer mal wieder zum Verhängnis. Nur selten hat man hier wirklich das Gefühl, zwei realen Personen beim Suchen und Stolpern zuzusehen. Skurrile Persönlichkeiten schön und gut, aber es sollte doch auch irgendwo die Möglichkeit gegeben werden, bei diesen anzudocken. Und sei es nur, weil man diese mag.

Man muss nicht jeden Verlierer mögen …
Bei Shinji und Mika ist das etwas schwierig. Ersterer neigt dazu, aus heiterem Himmel wie ein Wasserfall zu reden, ohne dass in dem Fluss etwas wirklich Interessantes zu finden wäre. Und sie strapaziert mit ihrer ständig passiv-aggressiven Weise die Nerven. Das ist einerseits mutig, denn Verliererromanzen neigen oft dazu, ihre Figuren zu idealisieren. The Tokyo Night Sky Is Always the Densest Shade of Blue erinnert daran: Anders sein heißt nicht immer besser zu sein. Kaputt ist nicht zwangsweise ein niedliches Grübchen. Kaputt kann auch wirklich mal kaputt heißen. Es fehlt dem Film aber einfach der Charme, den das ähnlich gelagerte Over the Fence ausgezeichnet hat. Hier spielt es keine so große Rolle, ob die beiden zusammenkommen. Es ist einem egal.

Aber eine klassische Romanze soll das hier eben auch nicht sein. Ishii, der hierfür bei den Asian Film Awards 2018 mit dem Preis für die beste Regie ausgezeichnet wurde, zeigt, dass es eben nicht so einfach ist mit der Liebe und dem Leben. Wie kaputte Menschen an beidem scheitern können. Auch scheitern dürfen. Das ist durchaus ungewöhnlich, selbst im Indiebereich, unterstützt von so manchem ungewöhnlichen Bildeinfall. Am auffälligsten sind die Splitscreens, um Shinjis einseitige Blindheit aufzuzeigen. Dann und wann schleichen sich aber auch ausgefallene Blickwinkel ein. Und wenn man es am wenigsten erwartet, verwandelt sich die Welt da draußen in eine animierte Fassung und zeigt, zumindest für einen Moment, einen möglichen Ausweg aus dem Alltagsblues.



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„The Tokyo Night Sky Is Always the Densest Shade of Blue“ hat nicht nur einen langen und ungewöhnlichen Titel. Der auf einer Gedichtsammlung basierende Film ist auch selbst ziemlich ungewöhnlich. Die Figuren sind kaputt, die Dialoge nicht von dieser Welt, dazu gibt es ausgefallene visuelle Einfälle. Das macht gleichzeitig den Reiz dieses Dramas aus, ist teilweise aber zu gewollt anders und erschwert den Zugang zu den Protagonisten.
6
von 10