The Bad Guy
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The Bad Guy

The Bad Guy
„The Bad Guy“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Aus der Perspektive eines Europäers / einer Europäerin ist die Beziehung der USA zu Waffen kaum nachvollziehbar. Nicht, dass es sie nicht auch in Deutschland oder anderen europäischen Ländern gäbe, aber allein die Tatsache, dass das Recht, eine Waffe zu tragen, in der US-amerikanischen Verfassung verankert ist, deutet auf die Besonderheit dieses Verhältnisses hin. Gerade vor dem Hintergrund aktueller Statistiken zur Waffengewalt fragt man sich, warum die Politik nicht schon längst schärfere Waffengesetze gefordert hat, wie es beispielsweise die Administration unter Barack Obama gefordert hat. Allein 2024 gab es in den USA 499 Schießereien, bei denen 507 Menschen ihr Leben verloren und über 2000 Menschen verletzt wurden. Problematisch ist die Zahl der Schießereien in Schulen, die bei 83 liegt. Anstatt jedoch die Gesetze zu ändern oder neue zu verabschieden, wird in der Politik sowie den rechts-konservativen Medien gerne ein anderer Sündenbock gesucht oder es kommt zu teils irritierenden Forderungen, wie beispielsweise, dass das Personal an Schulen selbst Waffen tragen sollte. Zur Realität, auch an deutschen Schulen und Erziehungseinrichtungen, gehört es mittlerweile, dass man sich auf den Ernstfall vorbereiten und regelmäßig Drills durchführen muss, damit die Sicherheit aller Personen gewährleistet ist.

So gut die Intention hinter dieser Maßnahmen auch sein mag, die Frage nach der Sicherheit des eigenen Kindes stellt sich nach wie vor. Als das gemeinsame Kind der Filmemacher Louise Van Assche und Kwinten Gernay so alt war, dass sie sich nach einem Platz in einer Kindertagesstätte umsehen mussten, kam es in der Schule in einer benachbarten Stadt zu einem Amoklauf. An der Robb Elementary School in Uvalde, Texas verloren am 24. Mai 2022 19 Schulkinder und zwei Lehrerinnen ihr Leben. Nicht nur in ihrem Haushalt sorgte dieses Ereignis für hitzige Diskussionen, in den Medien überschlug man sich mit den verschiedenen Berichten. Van Assche und Gernay wollten mehr darüber wissen, wie die Gemeinden, die Schulen, die Kindergärten und die Politik auf solche Ereignisse reagieren. In ihrer Dokumentation The Bad Guy gehen die beiden Regisseure dem Konzept der Sicherheit in Schulen und Kindertagesstätten nach, sind bei Sicherheitsübungen und -schulungen dabei und sprechen mit Experten. Der Beitrag vom DOK.fest München 2025 liefert seinem Publikum einen Blick auf die unterschiedlichen Reaktionen auf Tragödien wie die in Uvalde und zugleich einen Einblick in das „Klima der Angst“ sowie der Forderung nach Sicherheit, die gar nicht gegeben sein kann.

„Es gibt dir ein gutes Gefühl.“

In einem der Kindergärten, für den sich Van Assche und Gernay interessieren, kommt es zu einer Sicherheitsschulung. Die Kamera begleitet die Betreuerinnen dabei, wie sie, unter Beobachtung und Anleitung zweier Experten, den Ernstfall einstudieren. Dieser besteht daraus, dass sie üben, wie sie sich am besten verstecken, wie sie wegrennen und wie sie sich gegen einen möglichen Angreifer verteidigen. Eine Frau hält eine Schere in ihren Händen, während sie mit der anderen Hand ein Kind umarmt, mit dem sie sich hinter einem Regal versteckt hält. Das Signal der Experten bricht die Übung ab, doch man bemerkt die Anspannung im Raum und die noch unbeantworteten Fragen, denen auch die Leiter der Übung etwas aus dem Weg gehen.

Diese Aufnahmen zu Beginn von The Bad Guy sind erst der Beginn einer langen Odyssee, bei der wir eine Lehrerin kennenlernen, die nur noch mit einer Waffe zur Schule geht, und einen Schuldirektor treffen, der sogar per Anzeigetafel vor der Schule verkündet, dass Teile des Personals bewaffnet seien. Wir hören zudem die Geschichten von Menschen, die einen Amoklauf überlebt haben, oder die Aussagen von drei Schülern, die beschreiben, wie die Drills an ihrer Schule ablaufen. Fixe Antworten können Van Assche und Gernay nicht geben und peilen diese zu keiner Zeit an, zeigen aber auf, wie die Konsequenzen eines politischen Versäumnisses von denjenigen getragen werden müssen, die eigentlich nur unterrichten sollen oder auf ihr Leben außerhalb der Schule vorbereitet werden müssen. Das „gute Gefühl“ bewaffnet zu sein oder einen Drill durchgeführt zu haben, ist eine Illusion oder ein Placebo, ein leeres Versprechen, das nur zur Beruhigung dient. Van Assche und Gernay finden einen ansprechenden, interessanten und persönlichen Zugang zu diesem Thema, das auf der einen Seite einen Blick auf das „Klima der Angst“ in den USA wirft, aber auf der anderen Seite auch die Frage nach der Sicherheit im öffentlichen Raum stellt.

Credits

OT: „The Bad Guy“
Land: USA, Belgien
Jahr: 2024
Regie: Louise Van Assche, Kwinten Gernay
Drehbuch: Kwinten Gernay, Louise Van Assche
Musik: Seppe Dycke
Kamera: Kwinten Gernay

Bilder

Trailer

Filmfeste

DOK.fest München 2025

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The Bad Guy
fazit
„The Bad Guy“ ist eine interessante und sehr aufschlussreiche Dokumentation über das Thema Sicherheit an Schulen und generell Bildungseinrichtungen in den USA. Ausgelöst von einer privaten Diskussionen zeigen die Regisseure Louise Van Assche und Kwinten Gernay, wie die Illusion von Sicherheit erzeugt wird und die Angst genommen werden soll, aber die wirklich tiefgreifenden politischen Veränderungen, die etwas bewirken könnten, leider ausbleiben.
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