Der dritte Bruder
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Der dritte Bruder

„Der dritte Bruder“ // Deutschland-Start: 1. Mai 2025 (Kino)

Inhalt / Kritik

Üblicherweise gehen Dokumentarfilme mit einem Anspruch einer gewissen Distanz zum eigenen Inhalt einher: Die Filmschaffenden werden zu Chronisten und Chronistinnen, die ganz nüchtern und neutral von Ereignissen und Personen berichten, so als wären sie selbst nicht da. Es gibt aber natürlich auch Ausnahmen, bei denen die Werke ganz gezielt persönlich sind. Neben den zahlreichen Reiseberichten, bei denen die Leute sich selbst mit der Kamera begleiten, finden sich auch Titel, die von der eigenen Familie berichten und damit notgedrungen nicht unparteiisch sein können. In Vergiss mein nicht etwa schilderte der Regisseur sein Leben mit seiner an Demenz erkrankten Mutter. Und auch in Der dritte Bruder wird ausgiebig eine Familiengeschichte geteilt.

Die Geschichte von drei Brüdern

Der Ausgangspunkt ist hier zunächst Walther, der Vater der Regisseurin Kathrin Jahrreiss. Davon ausgehend reist der Film aber noch weiter in die Vergangenheit in die Generation des Großvaters. Genauer beleuchtet Der dritte Bruder, wie der Titel bereits vorwegnimmt, drei Brüder. Einer davon ist Walthers Vater Otto, dessen Frau Jüdin war und in Auschwitz ermordet wurde. Auch Ottos Bruder Walther sen. hatte eine Jüdin geheiratet, konnte aber zusammen mit seiner Familie in die USA fliehen. Und dann war da noch Hermann, der älteste der drei. Während die beiden anderen mit dem Regime zu kämpfen hatte, machte er in diesem Karriere. Auch nach Ende des Krieges führte er ein gutes Leben, er schaffte es, sich zu rehabilitieren und weiterhin als Jurist zu arbeiten.

Der dritte Bruder ist letztendlich dieser Generation gewidmet. Jahrreiss begibt sich auf eine Spurensuche, um mehr über das Leben der drei Brüder zu erfahren und die Vergangenheit zu rekonstruieren. Eine direkte Auseinandersetzung mit den dreien war natürlich nicht möglich, der Letzte von ihnen ist 1992 gestorben. Also gibt es stattdessen Interviews mit Hinterbliebenen. Dazu kommen überlieferte Unterlagen, Briefe, Dokumente und Fotos. Mit denen begann auch die Familienforschung der Regisseurin: Sie wollte mehr wissen darüber, aber auch, weshalb ihr Vater sich so dagegen sträubte, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Was ist in ihrer Familie geschehen? Wer waren diese Menschen? Welche Geschichten waren mit ihnen verbunden?

Individuell und universell

Der Dokumentarfilm, der auf einer Reihe von Festivals zu sehen war, gleicht hier einem großen Mosaik: Nach und nach werden einzelne Steine gefunden, die sich zu einem Bild zusammensetzen. Wobei man nicht erwarten sollte, dass dieses am Ende komplett sein wird. Durch die fehlende Möglichkeit, mit den Leuten von damals zu sprechen, bleibt so manches hier Spekulation. Da schwirren Vorwürfe durch den Raum, die weder bestätigt noch widerlegt werden. Der dritte Bruder kann nicht mehr tun, als diesen Pfaden zu folgen, obwohl sie letztendlich nirgends hinführen. Jahrreiss kann sich ihren Vorfahren nur annähern, einholen wird sie diese nicht.

Das macht den Film aber nicht überflüssig. Zum einen sind die Lebensgeschichten dieser Familie spannend, gerade weil da vieles so dramatisch war. Gleichzeitig ist Der dritte Bruder ein Beispiel dafür, wie schwierig der Umgang mit der Zeit des „Dritten Reichs“ noch immer ist, wie komplex die Beurteilung ausfallen kann. Gerade der Kontrast der drei Schicksale, die von schwerem Verlust bis zur Nutznießung reichen, illustriert das noch einmal. Auf diese Weise ist das hier dann doch auch mehr als nur ein individuelles Familienporträt, bei dem die eigene Geschichte wieder ausgegraben wird. Da geht es auch um universelle Frage über den Umgang mit der eigenen Historie und wie diese Jahrzehnte später noch immer Einfluss hat, einen Schatten wirft, dessen man sich manchmal gar nicht bewusst ist.

Credits

OT: „Der dritte Bruder“
Land: Deutschland
Jahr: 2024
Regie: Kathrin Jahrreiss
Drehbuch: Kathrin Jahrreiss
Musik: Julia Klomfass
Kamera: Marcus Winterbauer

Bilder

Trailer

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Der dritte Bruder
fazit
„Der dritte Bruder“ schildert aus dem Leben von drei Brüdern, die während des Nationalsozialismus sehr unterschiedliche Wege eingeschlagen haben. Das Ergebnis ist sowohl als persönliche Rekonstruktion wie auch als Beitrag mit universellen Themen sehenswert, selbst wenn diverse Wege letztendlich nirgends hinführen.
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