Julie bleibt still Julie zwijgt
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Julie bleibt still

Julie bleibt still Julie zwijgt
„Julie bleibt still“ // Deutschland-Start: 24. April 2025 (Kino)

Inhalt / Kritik

Julie (Tessa Van den Broeck) ist eine aufstrebende Tennisspielerin und der Star ihrer Akademie. Tagtäglich bringt sie Schule und Training unter einen Hut, um den nächsten Schritt in ihrer jungen Karriere zu machen und für den belgischen Tennisverband spielen zu dürfen. Nach dem Suizid einer anderen Athletin wird ihr Trainer Jeremy (Laurent Caron) jedoch überraschend suspendiert. Die Akademie bemüht sich, den Alltag der Schüler aufrechtzuerhalten, ermutigt sie jedoch gleichzeitig, sich zu äußern und im Zweifelsfall Hilfe anzunehmen. Julie entscheidet sich zu schweigen und sich weiterhin auf ihr Training zu konzentrieren, doch die Situation und die neue Belastung setzen ihr zunehmend zu.

Schattenseiten des Profisports

Die physischen und psychischen Bedingungen im Profisport, insbesondere für junge Talente, sind bekanntlich extrem. Viele von ihnen opfern ihre Kindheit zugunsten harten Trainings und der Doppelbelastung durch die Schule – alles in der Hoffnung, der nächste große Star ihrer Disziplin zu werden. Trainer spielen auf diesem Weg eine essenzielle Rolle: Sie sind nicht nur Coaches, sondern oft auch emotionale Bezugspersonen und manchmal sogar die einzigen echten Vertrauten. Doch nicht selten wird dieses Abhängigkeitsverhältnis unter den extremen Rahmenbedingungen ausgenutzt, was zu emotionalem oder sexuellem Missbrauch führen kann.

Immernoch ein Tabuthema

Julie bleibt still gewährt dem Publikum einen intimen Einblick in das Leben an einer Elite-Sportschule. Julies Mitschüler stammen größtenteils aus wohlhabenden Familien, während sie selbst lediglich Stipendiatin ist. Doch trotz ihrer finanziellen Nachteile ist sie ihren Peers in Talent und Ehrgeiz weit voraus. Obwohl sie eine verletzungsgeplagte Saison hinter sich hat, stehen ihre Chancen gut, das Auswahlverfahren des Verbands zu gewinnen und den nächsten Karriereschritt zu erreichen. Gleichzeitig ist die emotionale Belastung für sie enorm: Intensives Training, schulische Anforderungen und die latente Konkurrenz mit anderen Athleten lassen kaum Raum für enge Freundschaften. Als ihr Coach plötzlich suspendiert wird, verliert Julie nicht nur ihren Trainer, sondern auch ihre wichtigste emotionale Stütze.

Weder die Schule noch ihre Eltern oder Mitschülerinnen können wirklich zu ihr durchdringen. Es wird deutlich, dass Julie nicht weiß, wie sie mit dem Druck und ihren Gefühlen umgehen soll. Sie verschließt sich immer mehr und flüchtet sich in ihr Training. Diese psychische Ausnahmesituation wird in Julie bleibt still realitätsnah visualisiert. Genau wie ihr direktes Umfeld bleibt auch das Publikum im Unklaren über das genaue Ausmaß von Jeremys Vergehen. Emotionaler und sexueller Missbrauch werden zwar angedeutet, doch bis zuletzt bleibt offen, inwieweit Julie persönlich betroffen ist. Trotz einer spürbaren Unsicherheit gegenüber ihrem ehemaligen Trainer sucht sie immer wieder unerlaubt telefonischen Kontakt zu ihm. Sie fragt ihn um Rat, hadert aber gleichzeitig mit der Frage, ob sie sich in ihm getäuscht hat oder offensichtliche Warnsignale ignoriert hat. Ihr Umfeld bemüht sich zwar, für sie da zu sein, verfolgt dabei aber meist eigene Interessen: Ihre Eltern wünschen sich trotz allem ihren sportlichen Erfolg, die Leiterin der Akademie will in erster Linie sich selbst und ihre Institution schützen, und selbst ihre Mitschüler verteidigen Jeremy und beraten über eine entlastende Aussage vor Gericht.

Subtil aber wirksam

Diese beklemmende Situation vermittelt der Film auch auf sprachlicher Ebene effektiv. Wie so viele Opfer in der Realität sieht sich Julie mit Gaslighting, suggestiven Fragen und offenen Forderungen konfrontiert. Ihr Unwohlsein wird subtil, aber wirkungsvoll inszeniert: Eine beiläufige Berührung ihres neuen Trainers lässt sie kurz zusammenzucken, Fragen nach ihrem Wohlbefinden bejaht sie energisch, fast aggressiv. Die Anzeichen seelischer oder körperlicher Gewalt werden dem Publikum auf eine Weise präsentiert, die ohne explizite Tatdarstellung auskommt.

In der Inszenierung nimmt sich Leonardo Van Dijl viel Zeit und legt großen Wert auf Details. Besonders die Trainingsszenen wirken authentisch und dürften allen Tennisspielern bekannt vorkommen. Julie bleibt still wurde unter anderem von Tennisstar Naomi Osaka produziert und zeichnet ein ungeschöntes, undramatisiertes Bild des Leistungsdrucks und des Alltags junger Talente. Immer wieder hält der Film inne und gibt den Zuschauern Raum, das Gesehene zu reflektieren – was ihn stellenweise etwas langatmig wirken lassen kann. Schauspielerisch überzeugt vor allem Tessa Van den Broeck in der titelgebenden Rolle, sodass es dem Publikum leichtfällt, eine emotionale Verbindung zu ihr aufzubauen.

Credits

OT: „Julie zwijgt“
Jahr: 2024
Land: Belgien, Schweden
Regie: Leonardo Van Dijl
Drehbuch: Ruth Becquart, Leonardo Van Dijl
Musik: Caroline Shaw
Kamera: Nicolas Karakatsanis
Besetzung: Tessa Van den Broeck, Grace Biot, Alyssa Lorette, Noah Lecloux, Luca de Maar, Qays Jahier, Tommy Buyl

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Julie bleibt still
fazit
Mit „Julie bleibt still“ wirft Leonardo Van Dijl einen Blick auf eine noch immer viel zu oft totgeschwiegene Schattenwelt der Jugendarbeit des Profisports. Der Film zeigt auf subtile Weise die emotionale Höchstbelastung junger Athleten und wie leicht diese ausgenutzt wird. Dabei verzichtet er auf Schockmomente und explizite Missbrauchsszenen und konzentriert sich stattdessen auf einen intimen Einblick in Jules Psyche. „Julie bleibt still“ ist kein Film für lockeres Abendentertainment, sondern ein Werk, das ein Tabuthema auf die große Leinwand bringt und viel Stoff zum Nachdenken bietet.
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