Szenenbild Ein Tag ohne Frauen
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Ein Tag ohne Frauen

Filmposter Ein Tag ohne Frauen
„Ein Tag ohne Frauen“ // Deutschland-Start: 13. März 2025 (Kino)

Inhalt / Kritik

Der 24. Oktober 1975 markierte für Island eine historische Wende. Initiiert von einem Verbund von Frauenorganisationen nahmen sich 90 % der Frauen an diesem Tag „frei“. Sie gingen nicht ins Büro, in die Fabrik oder auf die Felder. Supermärkte und Banken blieben geschlossen. Und selbst auf See legten Frauen ihre Arbeit nieder. Die Kinderbetreuung und der Haushalt wurde an ebenso überraschte wie häufig überforderte Väter übergeben. Das einende Ziel der Frauen? Auf die Wichtigkeit der weiblichen Arbeit hinzuweisen. Hierzu versammelten sich tausende Isländerinnen auf dem Laekjartorg-Platz in Reykjavik und machten damit den ersten Schritt in eine gleichberechtigtere Zukunft. Mit ihrer Dokumentation Ein Tag ohne Frauen vollzieht Regisseurin Pamela Hogan die Geschichte dieses einzigartigen historischen Ereignisses filmisch nach.

Historisch und doch aktuell

Wenn man zum ersten Mal von diesem Film und Ereignis hört, ist da zunächst Verwunderung: Da gehen fast alle Frauen eines ganzen Landes in Streik (offiziell „Ruhetag“) und man hat noch nie davon gehört? Wie kann das sein? Sicherlich, die kleine abgeschottete Insel ganz im Norden von Europa ist nicht gerade der Nabel der Welt und hat nur einige Zehntausend Einwohner:innen mehr als Bochum oder Wuppertal. Doch heute gilt Island als führend in Sachen Geschlechtergerechtigkeit. Nur 5 Jahre nach dem historischen 24. Oktober wurde dort die erste Frau zur Präsidentin gewählt. Die Erste weltweit. Und das World Economic Forum führt Island seit 15 Jahren als das Land mit dem geringsten Gender Gap unter allen Ländern der Welt auf.

Die Frauenbewegung ist heute global vernetzter als je zuvor, was Bewegungen wie #MeToo-oder die Solidarisierung mit Frauen im Iran nach dem Mord an Jina Mahsa Amini zeigen. Andererseits geraten Frauenrechte auch wieder zunehmend in Gefahr oder werden gar abgeschafft, wie das Abtreibungsrecht in den USA. Frauenfeindliche Straftaten nehmen z.B. auch in Deutschland zu. Da kommt man nicht umhin sich angesichts der Entwicklung in Island seit dem historischen Frauenruhetag zu fragen: Wie ist es dazu gekommen? Warum hat das funktioniert? Und können wir uns von diesem besonderen Tag auf dem kleinen Inselchen vielleicht auch heute noch etwas abgucken?

Die Kraft der Erinnerung

Ein zu Beginn des Films zitiertes, isländisches Sprichwort besagt, dass im Schnee die Fußspuren schnell gefüllt werden. Doch das Ziel der Dokumentation ist das Gegenteil: Die Fußspuren weiter sichtbar halten. Sich erinnern. Und folgerichtig geht es dann direkt hinein in einige emotionale Erinnerungen isländischer Frauen an den 24. Oktober 1975. Die Dokumentation folgt anschließend im Großen und Ganzen der chronologischen Entwicklung: Der Ausgangslage von Frauen in den 70er Jahren über die ersten Frauenrechtskämpferinnen bis zum gesellschaftlich breiten Bündnis der Frauenorganisationen, welches schließlich in der Hauptstadt zusammenkam. 

In zahlreichen persönlichen Interviews kommen hier zunächst vor allem die ehemaligen „Roten Socken“ zu Wort, die mit ihren humorvollen, aber auch radikalen Aktionen für mehr Gleichberechtigung durchaus aneckten. Doch im Verlauf zieht der Film – ebenso wie der Frauenruhetag selbst – seine Stärke aus den zahlreichen unterschiedlichen Perspektiven. Wir hören von Frauen, die in der Landwirtschaft, in Supermärkten oder Banken tätig waren oder zuhause die Kinder versorgten. Von Frauen, die selbst als Kinder am Ruhetag teilnahmen – und sogar von der späteren Präsidentin. Es ist berührend, die Gefühle der Frauen zu diesem Tag zu erleben. Und es macht Mut, all diese sympathischen, starken, humorvollen und auch radikalen Frauen zu sehen, die auf individuellen Wegen an diesem 24. Oktober zusammenfanden.

Eine gelungene Mischung

Regisseurin Pamela Hogan und Produzentin Hrafnhildur Gunnarsdóttir ist es außerdem gelungen eine potentielle Schwäche des Films ins Gegenteil zu verkehren. Denn das historische Filmmaterial vom 24. Oktober 1975 umfasste nur 15 min und kommt daher erst im letzten Filmdrittel zum Einsatz. In den ersten beiden Dritteln werden die Interviews mit statischen Fotos statt Filmausschnitten ergänzt. Und der besondere Kniff: verspielte Animationen, die die Erzählungen der Interviewten nicht nur bebildern, sondern kreativ erweitern. So sieht man z.B. eine Mutter, die sich scherzhaft bei ihren Kindern einen Tag im Gefängnis zum endlich mal Entspannen wünscht, direkt aus dem eigenen Hause hinaus in einen Kerker schwirren, in dem sie dann zufrieden in einem Buch liest.

Mit dieser Mischung aus einem historischen Ereignis mit aktueller Relevanz, einer Vielzahl an interessanten Persönlichkeiten und dem Verweben von Interviews, historischem Bild- und Filmmaterial, Illustration und – nicht zuletzt – der malerischen Landschaft, die in keinem isländischen Film fehlen kann, ist eine sehenswerte Dokumentation zu einem bemerkenswerten Moment entstanden. Auch wenn die Frage, warum nun ausgerechnet Island diesen Moment herbeiführen konnte, letztendlich offen bleibt, geht man bestärkt und inspiriert aus dem Kinosaal. Denn – so wird es auch in Ein Tag ohne Frauen festgestellt der Kampf um Gleichberechtigung ist noch lange nicht vorbei. Also packen wir ihn an!

Credits

OT: The Day Iceland Stood Still
Land: Island, USA
Jahr: 2024
Regie: Pamela Hogan
Drehbuch: Pamela Hogan
Produktion: Hrafnhildur Gunnarsdóttir
Musik: Margrét Ran
Kamera: Helgi Felixson, Hrafnhildur Gunnarsdóttir, Martina Radwan
Mit Guðrún Erlendsdóttir, Ágústa Þorkelsdottir, Vigdís Finnbogadóttir, Guðni Th. Jóhannesson u.a.

Bilder

Trailer

Interview

Ihr wollt mehr über den Film erfahren? Wir hatten die Gelegenheit, Produzentin Hrafnhildur Gunnarsdóttir zu treffen. Im Interview zu Ein Tag ohne Frauen sprechen wir über die damalige Bewegung und Gleichberechtigung.

Hrafnhildur Gunnarsdóttir [Interview]

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Ein Tag ohne Frauen
Fazit
Die Dokumentation Ein Tag ohne Frauen hält die Erinnerung an den Frauenruhetag am 24. Oktober 1975 in Island lebendig. Die Mischung aus persönlichen Interviews, Archivmaterial und kreativen Animationen sorgt für Abwechslung und Zugänglichkeit. Ein motivierender und inspirierender Film.
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