Die Akademie
© Luca Bigazzi

Die Akademie

Die Akademie
„Die Akademie“ // Deutschland-Start: 20. März 2025 (Kino)

Inhalt / Kritik

So könnte ein zauberhafter Anfang aussehen: Schwungvoll erobert die 19-jährige Johanna (Maja Bons), genannt Jojo, die prächtigen Räume der Kunstakademie München. Auf der Treppe hilft sie Siri (Luise Aschenbrenner), ihrer künftig besten Freundin, beim Tragen eines verpackten Gemäldes. Heute beginnt Jojos erster Tag in den heiligen Hallen der renommierten Hochschule. Schon bald sitzt sie in der Klasse von Professor Norbert Roeg (Andreas Lust), einem ebenso düsteren wie tyrannischen Lehrer. Danach macht sie sich auf den Weg zu dessen Kollegen Robert Copley (Jean-Marc Barr), ihrem hoch verehrten künstlerischen Vorbild. Hier wartet der erste Schock. Copleys Assistent behauptet, der Meister habe es sich anders überlegt. Jojo stehe nicht auf der Liste der zugelassenen Studierenden. Zwar gibt sie nicht auf und verschafft sich selbstbewusst Zutritt zum Seminarraum. Doch das Wechselspiel von Hoffnung und Enttäuschung, Hochgefühlen und Abstürzen wird die idealistische Studentin begleiten.

Schräge Gestalten

„Gemälde sind blutig und roh, wie wir alle in unserem Inneren“, verkündet Professor Roeg, der seine Studenten gerne provoziert und dabei auch vor sexuellen Übergriffen nicht zurückschreckt. Er ist eine von vielen schrägen Gestalten, die die Akademie bevölkern und sie zu einem Ort zwischen Happening und Horror werden lassen. Roegs Schülerinnen und Schüler schauen verlegen zu Boden, wenn ihr „Prof“ über die Leichen doziert, die man anmale, um das eigene Sterben besser ertragen zu können. Hier zeigt sich eines der zentralen Spannungsfelder, von denen der Film lebt. Lebenserfahrung und jugendliche Unschuld prallen unversöhnlich aufeinander: auf der einen Seite die 50- bis 60-jährigen Dozenten, die von der inneren Wunde als Bedingung für große Kunst sprechen, auf der anderen Jojo und ihre Mitstudierenden, die sich fragen, ob sich das Wort „painting“ wirklich von „pain“ ableite. Oder ob man sie auf der Akademie einfach nur schikanieren wolle.

Regisseurin Camilla Guttner kennt sich aus in der Münchner Akademie der Bildenden Künste. Sie hat selbst dort studiert, als Meisterschülerin bei Sean Scully. Einiges aus dieser Zeit floss in ihren zweiten Film nach Blauhimmel (2016) ein. Jojos Gemälde stammen von der Filmemacherin, die weiterhin auch als bildende Künstlerin und zudem als Musikerin aktiv ist. Auch manche Charaktere des Films spielen sich selbst, etwa der Schweizer Sänger Dagobert. Aber vieles ist auch erfunden, sodass der filmische Entwicklungsroman auf Autofiktion in ihrer schönsten Version setzt: nicht als Nabelschau, sondern als künstlerisches Durchdringen des Erlebten, das gerade wegen seiner individuellen Besonderheit anschlussfähig wird für eigene Erfahrungen und Gefühle des Publikums. Wie war das zum Beispiel, als man selbst sein Studium begann? Welche Rückschläge haben einen tiefer geprägt als oberflächliche Erfolge?

Nichts als heiße Luft?

In seinen heiteren Zügen erinnert Die Akademie an die französische Wohlfühlkomödie Maria träumt – Oder: Die Kunst des Neuanfangs (2021) von Lauriane Escaffre und Yvo Muller, in der eine Putzfrau staunend das exzentrische Treiben der berühmten Pariser Kunstschule „Académie des Beaux-Arts“ erkundet. In solchen Momenten zieht der Film seine Kraft aus der überschäumenden Lebensfreude der jungen Leute, etwa wenn Siri mit Jojos Hilfe halb München mit grünen Linien „verziert“. Oder wenn eine Art Außerirdischer ein silbernes Riesen-Ei auf einem Wagen durch Hochschule und Stadt spazieren führt. Die Lust an den Verrücktheiten spontaner Einfälle prägt die filmische Verarbeitung der eigenen Lehrjahre ebenso wie der Spott auf den kommerzialisierten Kunstbetrieb. „Nichts als heiße Luft“ – ein Objekt mit diesem Titel schmuggelt Dagobert zu Jojos Entzücken in die Vernissage einer renommierten Galerie. Ebenso mit beißender Satire bedacht: die reichen Leute, die sich von einer aufstrebenden jungen Künstlerin für 5000 Euro porträtieren lassen möchten – aber das ehrlich empfundene Bildnis der innerfamiliären Dynamik nicht ertragen.

„Die Akademie gebiert Monster“, konstatiert der lebenskluge Dagobert. Er meint damit die andere Seite der Kunst-Medaille, die den Film ebenso prägt wie seine Lebenslust. Konkurrenz, so zeigt es Camilla Guttner, ist die Schwester der Solidarität. Leistungsdruck gesellt sich zu Kreativität. Lob erfahren die meisten viel seltener als Demütigung. Manchmal kippt das eine schon in der nächsten Sekunde ins sein Gegenteil. Aber – und das ist das Schöne an dem dramaturgisch eher konventionell gebauten Film: Nie wird der eine Pol gegen den anderen ausgespielt, nie kommt es zu vordergründiger Harmonie, nie lösen sich die Widersprüche in faule Kompromisse auf. Zum Kosmos des autofiktional aufgearbeiteten Akademie-Studiums gehört Anerkennung genauso wie Ablehnung, Freude ebenso wie Schmerz. Und so sitzt Jojo im Moment ihrer größten Niederlage auf der Treppe vor der Akademie und schaut traurig in die Kamera. Aber nur, um nach ein paar Augenblicken die Mundwinkel nach oben zu ziehen. Und zu lächeln.

Credits

OT: „Die Akademie“
Land: Deutschland
Jahr: 2024
Regie: Camilla Guttner
Drehbuch: Camilla Guttner
Musik: Ege Ateslioglu, Meerkat Meerkat
Kamera: Luca Bigazzi
Besetzung: Maja Bons, Luise Aschenbrenner, Jean-Marc Barr, Andreas Lust

Bilder

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