Like A Complete Unknown schildert das Leben des legendären Musikers und Sängers Bob Dylan, der über Jahrzehnte hinweg eine große Inspiration für andere war und ist. Dabei sind die Anfänge recht schwierig gewesen, wie uns der Film vor Augen führt, da brauchte es nicht nur Talent, sondern auch einiges an Glück. Hauptdarsteller Timothée Chalamet reiste kürzlich nach Berlin, um seinen Film persönlich auf der Berlinale 2025 vorzustellen. Wir hatten selbst Glück, an der begehrten Pressekonferenz teilnehmen zu können, und verraten euch, was der Schauspieler zu sagen hat.
Was hat dich an dieser Rolle gereizt, warum hast du dich für diese Rolle entschieden?
Nun, in erster Linie war es der unvergleichliche Künstler Bob Dylan und das enorme Erbe, das er hinterlassen hat. Außerdem hatte ich das Gefühl – noch bevor ich mich ganz auf das Projekt eingelassen hatte – dass er anderen Künstlern einen Plan hinterlassen hat, dem sie folgen können, und das fand ich ungeheuer inspirierend. Danach waren es natürlich James Mangold und das unglaubliche Drehbuch, das er geschrieben hat. Und schließlich war es dieser fünfeinhalbjährige Prozess, der mir mehr gegeben hat als alles, woran ich je gearbeitet habe. Es war ein Geschenk, das ich immer noch erhalte. Es gab also viele Faktoren, die eine Rolle spielten, aber in erster Linie war es der Mann, der Mythos, die Legende Bob Dylan und der Wunsch, ein Teil seiner Weltsicht zu sein.
Du spielst einen Bob Dylan, der sich kompromisslos für seine individuelle Kunst entscheidet. Hältst du es für ratsam, Ästhetik und Aktivismus zu trennen, wie es Dylan tat, und ist das für Künstler möglich, die in diesen unruhigen Zeiten Verantwortung übernehmen wollen?
Wow! Deshalb ist es so gut, nach Europa zu kommen, Mann, weil die Fragen hier viel besser sind. Er hat in dieser Hinsicht ein kompliziertes Erbe hinterlassen. Ich denke, es ist nichts Neues zu sagen, dass er sich darüber ärgerte oder unzufrieden damit war, als Retter seiner Generation bezeichnet zu werden, und dass er Musik und Kunst machte, die in den frühen 60er Jahren so nachdenklich war. Aber als die Woodstock-Generation in den späten 60er Jahren aufkam, ging er nicht nach Woodstock. Er machte „Nashville Skyline“ und „Blonde on Blonde“ in einer Zeit, in der Joan Baez und ähnliche Persönlichkeiten zu Protesten und Märschen gingen.
Um also direkt auf dein Frage zu antworten: Ja, wenn wir in der Sprache von Bob Dylan sprechen, denke ich, dass er das definitiv getan hat. Seine Musik sprach für sich selbst. Ich kann nicht für Bob sprechen, weil er gesund und munter in Malibu ist und es dir besser beantworten könnte. Aber meine Theorie, meine Interpretation ist, dass aktuelles, politisches Songwriting für ihn ein Mittel war, sich auszudrücken. Sobald er in der Lage war, eine Band zu bekommen, und in einer Position, in der die Beatles, die Rolling Stones und die Kinks kulturell die Oberhand gewannen, war es – denke ich – in vielerlei Hinsicht nicht so kompliziert wie politischer Aktivismus. Es machte einfach mehr Spaß, eine Band zu haben und Rock ’n‘ Roll zu spielen.
Ich will dich nicht mit einer Geschichtsstunde langweilen. Aber wenn man sich Bobs gesamtes Vermächtnis ansieht, hat er sich wirklich bemüht, nicht als Aktivist abgestempelt zu werden, obwohl seine Musik wirklich nachdenklich war. Wenn ich mich nicht irre, waren es seine Kommentare über Farmer in Amerika bei Live Aid, die Willie Nelsons Benefizkonzert Farm Aid inspirierten, zur Unterstützung der notleidenden US Farmer. Es war also nicht so, dass seine Arbeit für den Rest seines Lebens strikt unpolitisch war, aber vieles davon war es.
Als du gelernt hast, Gitarre zu spielen, hast du über die verschiedenen Gitarrenstile nachgedacht? Wie sah der Prozess, als du das Instrument gelernt hast?
Ja, das war immer unterschiedlich. Einige Fans von Bob Dylan sind der Meinung, dass sein Gitarrenspiel in den 80er und 90er Jahren seinen Höhepunkt erreichte und er in den 60er Jahren noch nicht so geschickt war. Für mich als unerfahrenen Gitarristen bedeutete es, dass sich die Aufgabe, die vor mir lag, in den fünfeinhalb Jahren, in denen ich mich vorbereiten musste, erreichbar anfühlte. Und sein Spiel in den 60er Jahren bestand aus vielen Downstrokes [dem Streichen der Gitarrenseiten von oben nach unten], es war ziemlich hart. Ich bin wirklich stolz auf die Umsetzung von „Hard Rain’s Gonna Fall“ im Film, der Live-Version. Denn zumindest in der Art und Weise, wie ich es modelliert habe, entsprach es sehr dem Muster, wie er den Song in den 60er Jahren live gespielt hat. Es ist anders, als er es auf dem Album gespielt hätte.
Ich habe mich nie akademisch auf diese Rolle vorbereitet, das ging alles durch Osmose. Ich habe mich fünfeinhalb Jahre lang Tag und Nacht mit diesem Material beschäftigt. Nicht als Verpflichtung, nicht als Arbeit. Sondern weil Bob Dylan, der Mann, der Künstler, für mich zu einem leuchtenden Vorbild wurde und mich bis heute leitet – seine Individualität und die Weigerung, Teil der Masse zu sein.
Es gibt viele Szenen in dem Film, in denen das gesamte Schauspiel zwischen den Zeilen stattfindet, durch Blicke, kleine mimische Veränderungen. Könntest du ein wenig über deinen Prozess erzählen? Darüber, wie du an dieser besonderen Art gearbeitet hast, Emotionen zu übertragen?
Ich habe mich hauptsächlich auf die Musik im Film konzentriert. Oder besser gesagt: Das war es, was mich am meisten begeistert hat. James Mangold ist ein fantastischer Regisseur, der die ganze Szenenarbeit, für die die Schauspieler ja eigentlich da sind, so gut im Griff hatte. Das ist einfach die Wahrheit. Ich gebe ihm keine Lorbeeren, die ihm nicht gebühren. Er ist ein Meisterregisseur, der auch schwierige Biopics wie Johnny Cash und Walk the Line mit sehr viel Fingerspitzengefühl umgesetzt hat. Ich habe vor Kurzem mit einem Freund darüber gesprochen, dass nur Mangold bei diesem Film hätte Regie führen und ihn mit solcher Sorgfalt behandeln können. Bob Dylan ist ein so brillanter, cooler Typ, dass der Film ihm zu Ehren hätte abgehoben werden können. Und ich bin so stolz auf das, was Mangold gemacht hat, weil es einen einlädt dabei zu sein. Ich weiß nicht, ob das deine Frage direkt beantwortet, aber was die Szenenarbeit angeht, habe ich sie Mangold überlassen. Deshalb sind wir als Schauspieler ja da, um sie zum Leben zu erwecken. Wenn man zu wissenschaftlich an die Sache herangeht, kann man seine Arbeit zerstören. Kreation und Analyse sind unterschiedliche Prozesse. Und man will locker und unernst bleiben, wenn man arbeitet.
Gibt es eine Szene im Film, die dir immer noch im Gedächtnis ist?
Ich meine, der ganze Prozess war wirklich aufregend, vor allem die ganzen Konzerte, die Nachstellung des Newport Folk Festivals. Das war ein interessantes Projekt für mich, bei dem ich wusste, dass die Erfahrung, die ich machen würde, wenn ich es mir ansehe oder es in die Welt setze, niemals mit der Erfahrung vergleichbar sein würde, die ich gemacht habe. Denn ich hatte so eine magische Zeit. Das war das Werk eines ganzen Lebens, ein geistiges Wesen. Neulich war ich auf dem Santa Barbara Film Festival, und da sagten sie: „Das ist der Beginn einer langen Karriere und du hast noch so viele tolle Dinge vor dir.“ Ich sagte so: „Ich weiß nicht, Mann. Ich weiß nicht, ob ich noch viel mehr davon in mir habe.“ Ich will das nicht im negativen Sinne sagen. Aber ich hatte fünfeinhalb Jahre Zeit, mich mit der großen, großen Kunst von Bob Dylan zu beschäftigen, einem Denker, der der Denker der 1960er Jahre ist. Und das war eine Zeit, in der man einfach nach draußen ging und die Dinge innovativ waren. Diese Menschen und Denker gibt es auch heute noch, man muss sie nur ein bisschen mehr in den Ritzen finden. Und ich hatte die Gelegenheit, diesen Mann in dieser Zeit fünfeinhalb Jahre lang zu studieren. Was für ein Geschenk!
Hattest du vor diesem Film schon mit anderen Musikern gespielt?
Nein, nicht live, nicht in einer Band wie dieser.
Wie war das für dich?
Es war berauschend. Ich habe es absolut geliebt.
Ich denke an die Newport-Musikszene und an diese Art von Gemeinschaft. Hattest du das Gefühl, dass du ein Teil davon warst?
Ja, absolut. Jeder war eingebunden. Wir hatten großartige Studiomusiker, einige der talentiertesten Jungs in New York, die vor allem beim Newport Folk Festival, aber auch bei Columbia Records in New York mitgewirkt haben. Es war unglaublich, Mann. Früher war ich nicht so! Früher war ich ein echter Zeitgenosse, so ein Top-50-Mensch. Und jetzt könnte man einen roten Faden ziehen, nicht nur von Bob Dylan oder den Beatles bis zu Jimi Hendrix, Nina Simone, Joni Mitchell. Man kann eine Linie bis zu einem großen Teil der heutigen Musik ziehen. Das ist die Zeit, zu der man sich weiterbilden sollte. Und ich habe einfach das Gefühl, dass ich in diesem Multiversum der großartigen Dinge den Typ überhaupt spielen durfte. So fühle ich mich. Ich habe den Denker gespielt.
Im Film schreibt Bob Dylan an Johnny Cash: „Der Erfolg hat mich zermahlen“. Geht es dir auch manchmal so?
Nein. Ich sollte dir eine kryptische, prätentiöse Antwort geben. Aber nein, ich muss ehrlich sein: Das tut es wirklich nicht. Ich fühle mich als enormer Filmfan. Und ich studiere dieses Zeug, und ich studiere die Zahlen dazu. Es ist nicht mehr das, was es in den 90ern oder 2000ern war. Man kann das Ganze akademisch aufziehen, mit Streaming, bla, bla, bla, die Leute sehen sich mehr Dinge auf ihren Computern an als im Kino. Wenn ich also heute hierher [zur Berlinale] komme, im Gegensatz zu damals, als ich für One & Two oder Call Me by Your Name hier war, dann sage sage ich: „Ja, Mann!“ Ich bin einer der Guten, in dem Sinne, dass mein Herz bei diesen Filmen am rechten Fleck sitzt. Ich kann nicht sagen, ob ich der talentierteste oder geschickteste Typ bin, aber ich weiß, dass ich das größte Herz habe und am härtesten arbeite. Das ist einfach so. Wenn ich also sowas sehe, sage ich: „Alles klar, es funktioniert.“ Und das ist ein Film über Bob Dylan. Es ist ein Film über die frühen 1960er Jahre, Mitte der 1960er Jahre. Es gab keine Garantie, dass es funktionieren würde, weißt du?
Aber das hat es.
Ja, danke. Du musstest diesen Teil sagen, ich konnte ihn nicht sagen. (lächelt)
Ja, ich kann das sagen.
Viele Leute haben dir im Laufe dieser Pressetour Fragen gestellt, vielleicht auch einige die gleichen Fragen. Gibt es irgendetwas, das du sagen möchtest, aber noch nicht die Gelegenheit dazu hattest? Über die Erfahrung mit dieser Besetzung und mit James Mangold zu arbeiten?
Nein, ich habe das Gefühl, dass ich den Anti-Bob Dylan gespielt und endlos darüber gesprochen habe. Aber du hast es in den Kontext der Besetzung gestellt: Was ich gerade über meine eigene harte Arbeit an diesem Film gesagt habe, hat jeder eingebracht: Edward Norton hat sich eingebracht, Monica hat sich eingebracht, Elle Fanning hat sich eingebracht. Ich glaube, wir waren alle dankbar, denn wir haben buchstäblich über ein Jahrzehnt lang gearbeitet, und wir wissen, dass solche Projekte heute rar gesät sind. Vielleicht gibt es in Europa – ich habe mir das Filmprogramm der Berlinale angesehen – eine Menge Projekte, die intellektuell und künstlerisch motiviert sind. Ich schätze, wir haben das in den USA auch, aber es ist schwieriger, solche Projekte zu finden. Wenn man sich die späten 90er oder die 2000er Jahre anschaut, die Menge an – was auch immer das Wort ist – …. künstlerischen Filmen oder Filmen wie Rounders mit Edward Norton, diese Art von Filmen. So etwas wird heute nicht mehr gemacht. Wenn man also die Gelegenheit bekommt, an so etwas zu arbeiten, ist das ein absoluter Segen. Und ich könnte nicht dankbarer sein. Das ist das letzte Wort, auch wenn ich endlos darüber reden könnte. Ich bin Bob Dylan unendlich dankbar. Ich bin Mangold und Searchlight unendlich dankbar für diese Gelegenheit. Ich bin den Berliner Filmfestspielen dankbar, dass sie diesem Film eine Plattform gegeben haben. Und ich hoffe, auch das nächste Mal, wenn ich hier bin, ist es mit etwas Würdigem.
Wenn die Leute den Film nicht gesehen haben, hoffe ich, dass ihr das Gefühl habt, dass er das ist. Aber ich kann es euch versichern durch die Arbeit, die hineingesteckt wurde, und dem Antrieb und den Gründen, aus denen er gemacht wurde, und die Tatsache, dass er einen einlädt und nicht mit seiner Überheblichkeit wegstößt. Ich bin so stolz darauf.
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